die Beurtheilung der Gedichte gar sehr erleichtert habe ich vorzüglich gesehen. Sobald man nur weiß, was ein vorgelegtes Gedicht seyn soll, d. h. sobald man nur einen Begriff von demselben hat, sobald täuscht man sich auch über den Kunstwerth desselben gar nicht, sondern die Regeln, nach denen man zu urtheilen hat, fallen, möchte ich fagen, in die Hand. Es ist ein gemeiner Fehler, daß man ein Kunstwerk, welches gefällt, schön nennt. Indessen kann dies Kunstwerk oft sehr fehlerhaft seyn. Dies vorz schnelle Urtheil faßt nemlich einzelne, an oder in dem Werke vorkommende Schönheiten auf und glaubt, daß das ein schönes Ganzes sey, dessen einzelne Theile gefallen. Diesem ästhetischen Irrthume wird dadurch am besten vorgebaut, daß man zuerst einen vollständigen Begriff von dem Kunstwerke, z. B. von einem Gedichte, etwa einer Fabel, zu erwerben sucht. Gemeiniglich findet sich alsdann, daß diese Schönheit zu der Sache gar nicht passe, daß es Zierrathen an einem morschen Hause sind, und der Geschmack wird durch die Vernunft vor einem Fehltritte gesichert. Sobald man weiß, daß in der Fa bel eine Wahrheit vorgetragen werden soll, und welche Wahrheit der Dichter in einer gegebenen Fabel vortragen wollte, so ist alsdann das Urtheil, ob die Schönheiten, die an derselben wahrgenommen werden, passend sind, und ob also die Fabel selbst schön sey, gar nicht schwer, sondern es wird mit aller Sicherheit gefället. Kurz, die Kunstschönheiten sind insgesammt an hängende Schönheiten, und bei ihnen folgt das Geschmacksurtheil jederzeit dem Urtheile des Verstandes nach; man muß also immer erst wissen, was ein gegebenes Kunstwerk seyn soll, che man sagen kann, ob es schön sey. Der Beurtheiler eines Gedichtes hat also richtige Begriffe von jeder Dichtungsart nöthig. Eisenach, im September 1797. Der Verfasser. Inhalt. Inhalt des zweiten Theils. Einleitung. Seite Von den verschiedenen Dichtungsarten und von den Erster Abschnitt. Von den didaktischen Dich, tungsarten. 1. Von der åsopischen Fabel 2. Von dem Epigramm 3. Von der Allegorie 4. Von der Satire 3 19 53 5. Von dem eigentlichen Lehrgedichte Zweiter Abschnitt. Von den lyrischen Dichtungs; arten, nebst einem Unbange über die didak tisch lyrischen Gedichte und über die Idylle. |