Wieland. Stets schüßten hundert wohlbewährte Mohren- Der hundert schwarzen Flügelthüren Eingang,
Hieher ward Elims Tochter auch gebracht. Doch wie, fragt man, was wurde denn Abdallah? Wußt er sein Unglück, der Geliebten Tod? Er war entfernt, als sie der Fürst berief.
Doch hört er kaum des Vaters Schluß, so eilt er, Vom Schmerz beflügelt, nach der Hauptstadt hin. Die erste Zeitung ist Balsorens Tod,
Er hört sie selbst aus Elims Mund. Ach! Armer! Wie todtend war dein Schmerz? Wie unbeschreiblich! Kein Schreckbild, wår's auch von der Schwermuth selbst
In einer bangen Mitternacht geträumet,
Drückt seinen Jammer aus. Sein fühlend Herz Erliegt der Noth, der Leib fångt an zu sterben. Doch Elim, den des Ausgangs Hoffnung sichert, Giebt ihm den Trank, durch den Balsorens Fieber In heilsambangen Schlummer sich verlor; Doch sagt er ihm von seiner Würkung nichts. Man glaubt Abdallah todt. Das ganze Reich Weint die verschwundne Hoffnung ihres Glückes; Den König selbst rührt der zweifache Schlag. Der Bruder klagt den treusten Freund untröstbar, Die Burg erschallt von jammerndem Geheule, Und der entschlafne Leib wird stillbeweint Um Mitternacht ins schwarze Haus getragen.
Iht kömmt die Zeit, da sich des Schlaftrunks Kraft
Verliert. Balsora wacht zuerst und staunt,
(War ihr die Lift des Vaters gleich bekannt,) Da sie in diesen furchtbaren Gewölben Sich einsam fand. Drauf hebt sie sich und sieht Mit zitternder Entzückung ihren Freund In sanftem Schlaf an ihrer Seite liegen. Halb zaghaft küßt sie oft den blassen Mund, Und hofft ihn bald frischaufgeblüht zu küssen. Sie legt sich sanftumarmend zu ihm nieder
Bis er erwacht. Sht pocht an ihrer Brust Sein Herz, sein Mund bebt unter ihren Küffen, Und wird erwärmt, fie zittert freudigschauernd Von ihm zurück, und lehnt in kleiner Herne, Sein erstes Staunen heimlich anzuseh'n, Sich an die Seiten eines Pfeilers an. Wie wird mir, ruft Abdallah, halb erwachend, Mit schwachem Laut vor dem er selbst erschrickt; Empfind ich denn? wo bin ich? welcher Tempel? Welch stiller Glanz? Wie? seh' ich, oder
Ein süßer Traum mein ängstlichliebend Herz? Seh' ich nicht hier Balsora mir zur Seiten?" Ja, ja, sie ists die Göttliche, sie ists! So glänzt ihr zärtlich Aug! ja, ich bin selig! Dieß sind des Paradieses stille Grotten, Dieß ist der Schatten des geliebten Mädchens So sagt er ganz entzückt mit stammelnden Und von Empfindung unterbrochnen Worten. Nun kann Balsora sich nicht länger halten, Sie eilt, vor süßen Freuden zärtlichweinend, Mit offnem Arm in seine offne Arme.
Lust, so unbeschreiblich als der Schmerz, Mit dem sie dich, du Himmelslust, erkauften! Mit welchen Wallungen des treuen Herzens Sank er an ihren Mund, sank sie
In sanfter Ohnmacht hin an seine Brust. Euch himmlische, euch namenlose Freuden, Fühlt nur die Unschuld, wenn sie zårtlich liebt, Euch singt kein Mund, auch der nicht, dessen Herz Euch selbst in vollem Ueberschwang empfunden. Balsora sagt ihm ißt, sobald die Freude Ihn hören läßt, wie sie hieher gekommen, Des Königs Vorsatz, den verstellten Tod, Und die Erfindungen des treuen Vaters. Indeß vergaß dieß Paar, noch von der Wollust Des Wiederseh'ns entzückt, selbst den Gedanken Wie sie aus diesem öden Todestempel Sich retteten. Des Todes Grauen selbst Hatt in Balsorens Armen für Abdallah
Wieland. Was festlichers als helle Paradiese, Und mischte Schauer in Entzückungen.
Doch der Erhalter ihrer Liebe sorgt Für dieses auch, und sinnet Mittel aus Sie unentdeckt durch die verwachten Thore Heraus zu führen; und ihm glückt der Anschlag, Dem die Gelegenheit die Arme bot.
Der Vollmond naht' herbei. Nun gieng im Volke Seit grauer Zeit die allgemeine Sage, Daß, die der Tod vom Fürstenhause raubt, Am nächsten Vollenmond um Mitternacht, In glänzender unsterblicher Gestalt,
Aus einer von den Pforten gegen Morgen. Hervorgeh'n, und zum Paradiese wallen. Man nennt daher die Pforte insgemein Das Thor zum Paradies. Und diese Sage Half unserm Paar aus dem verhaßten Kerker.
Der Weise, dessen steter Aus: und Eingang Ins schwarze Haus ganz unverdächtig war, Weil er die Leichen balsamieren sollte,
Sorgt vor dem Tag, auf den der Vollmond folgte, Für alles, was sie zur Verkleidung brauchten. Ein langes Kleid von glänzend weißem Sindon Legt er um ihren Leib, darüber wallt Von himmelblauer persian’scher Seide Ein niederfließendes Gewand, die Schleppe Aus einem Silberstück kriecht auf dem Boden Hellschimmernd nach. Ein Myrtenkranz durchschlingt Abdallens Haar, und um Balsorens Stirne Blüh'n lieblich düftend stolze volle Rosen. Ihr fliegendes Gewand haucht Spezereien Und indische Gerüche von sich aus, Und balsamt weit und breit die Gegend ein.
Jht kömmt die frohe Nacht. Es eilt erseufzt Der Mond, der gern der Liche Weg beleuchtet, In vollem Glanz herauf; der weise Vater Eröffnet still das Thor zum Paradiese.
Sie geh'n heraus. Ihr festliches Gewand, Bom Mond beglänzt, stralt seinen stolzen Schimmer Weit von sich aus, ambrosiasche Gerüche Berrathen gleich die himmlische Erscheinung Den Wächtern, die, vor ihrem Glanz erstarrend, Sie für die Geister der Verstorbenen halten. Sie fallen zitternd auf ihr Antlig hin, Bis die Unsterblichen, durch sie hinwandelnd, Dem langsam kühnen Blick entgangen sind. Nunmehr kömmt Elim von der andern Seite, Und führet sie, umschattet von der Nacht, In ein verlaßnes Thal des Berges Khakan, Wo die Gesundheit in den reinern Lüften, Und auf den Kräuterreichen Hügeln wohnte. Der Fürst, den er auf diesem Berg einst heilte, Gab ihm die ganze Flur zum Eigenthum.
Kaum tritt der Tag aus seinen göldnen Pforten, So eilen schon die Wächter, die Erscheinung Dem Hofe kund zu thun, doch niemand war Der dem Berichte glaubt; ihn hielt ein jeder Für ein Gedicht, womit gemeiniglich, Belohnt zu sein, dem Hof geschmeichelt wurde.
Indeß gelangt mit den geliebten Kindern Der Weise glücklich in die Gegend Khakans. Hier schloß die Einsamkeit sie von der Welt In selige vergnügte Thåler ein.
Hier, Liebe, schenktest du dem besten Paar In stiller Ruh, die Fülle deiner Wonne. Abdallah, welch ein göttlich Glück war deines? Die Weisheit, die einfältige Natur,
Ihr ganzer Schaß von Freuden gab sich dir! Dir blüht Ballora, dir entwickelt sich Ihr schöner Geist; ihr reines Herz, Mit allem Reiz der anmuthsvollen Unschuld, Mit aller Pracht der jugendlichen Schönheit, Mit allen Himmeln voller Lust, ist dein. So wie ihr euer heitres Leben lebtet, So lebten in der Zeit der ersten Lenze,
Wieland. Die Hirten, die auf Theokritens Flote.
Den Gratien, den aufmerksamen Nymphen Mein Geßner singt. Ihr wart, was nicht zu sein Auf ihrem Thron die Könige beseufzen,
Was alle wünschen, wenige nur kennen, Und der nur fähig ist, den die Natur
Sanft und gefühlvoll schuf, ihr waret glücklich Und euers Glückes werth!
Indeß starb der Tyrann. Der weise Sohn, Der Völker Lust, Ibrahim folgt ihm nach; Und, im Genuß der neuen göldnen Zeiten, Vergaß das Land der vor'gen Thränen ganz.
Einst da Ibrahim auf der Jagd verirrte, Kommt er in Khakans unbekannte Gegend. Der Abend röthete die Gipfel schon,
Er folgt dem Fluß, der ihn durch frische Thäler, Die rings umher wie Paradiese blühten, Zu einer Reih von sichern Hütten führt. Er eilt neugierig hin. Doch wie erstaunt, Wie zittert er, da er am Mandelbaum Balsoren, sanftgelehnt an ihren Freund, In sittsamfreier Anmuth ruhen siehet? Kaum wagt ers, dem entzückten Blick zu glauben, Bis er zuleht des Bruders Stimm und Bildung, Als wie erwacht aus einem Traum erkennt, und freudenvoll in seine Arme sinkt.
"So seh' ich euch, die ich so lang beweint, Ihr zärtlichen Gespielen meiner Jugend! Wird mir die größte Freude meines Levens, Abdallen in Balsoras Arm zu seh'n?
Welch ein Geschick, welch eine Gunst der Gottheit Hat euch zurück in diese Welt geführt?“ Sie sagten ihm, was Elim ihm verschwiegen, Die Lust des Wiedersehens zu vergrößern; Den ganzen Labyrinth der Fügungen, Durch die das Schicksal sie zum Ziel geleitet. Das Angedenken der vergeßnen Schmerzen Wird allen neu, und mischt sich in die Freude.
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