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Herder.

Nacht und Tag

Nacht und Tag stritten mit einander um den Vorzug; der feurige, glänzende Knabe, Tag, fieng an zu streiten.

Arme, dunkle Mutter, sprach er, was hast du wie meine Sonne, wie meinen Himmel, wie meine Fluren, wie mein geschäftiges rasticses Leben? Ich ers wecke was du getödtet hast, zum Gefühl eines neuen Daseins; was du erschlafftest, rege ich auf. —

Dankt man dir aber auch immer für deine Aufres gung? sprach die bescheidne, verschleierte Nacht. Muß ich nicht erquicken, was du ermattest? Und wie kann ich anders, als meistens durch die Vergessenheit deis ner? Ich hingegen, die Mutter der Götter und Menschen, nehme alles was ich erzeugte mit seiner Zus friedenheit in meinen Schooß: so bald es den Saum meines Kleides berührt, vergißt es alle dein Blendwerk, und neiget sein Haupt sanft nieder. Und dann erhebe, dann nåhre ich die ruhig gewordne Seele mit himmlis schem Thau. Dem Auge, das unter deinem Sonnens stral nie gen Himmel zu sehen wagte, enthülle ich die verhüllete Nacht, ein Heer unzählicher Sonnen, uns zählicher Bilder, neue Hoffnungen, neue Sterne.

Eben berührte der schwaßende Tag den Saum ihs res Gewandes, und schweigend und matt sank er selbst · in ihren umhüllenden Schooß. Sie aber saß in ihrem Sternenmantel, in ihrer Sternenkrone mit ewig ruhts gem Antlik.

Herder.

Die Dämmerung.

Der Aether und die Liebe war
Das åltste hohe Götterpaar;
Sie zeugten die Unsterblichen,

Den Himmel und die Seligen.

und tiefer in der Wolken Reich
Ward ihr Geschlecht der Wolke gleich;
Sie, ewig schön und ewig jung,
Erzeugten uns die Dämmerung.

Aus Licht und Schatten webten fie
Der Menschen trügend Dasein hie;
Nur Dämmerung ist unser Blick,
Nur Dämmerung ist unser Glück.

Der Jugend holdes Morgenroth
Verbirget, was der Tag uns droht;
Der Blume schwülen Mittag kühlt
Ein Zephyr, der am Abend spielt.

Und Ohr und Auge täuscht sich gern;
Das Herz, es pochet in die Fern';
Es wünscht, und hat, und glaubets kaum:
Denn ach! sein schönstes Glück ist Traum.

Die Hoffnung, ewig schön und jung,
Ist auch ein Kind der Dämmerung;
Auch ihre Schwester Sehnsucht liebt
Den Schleier, der die Lieb' umgiebt.

Ich dank euch, die ihr um mich schwebt,
Daß ihr die Hülle mir gewebt;
Doch, Lieb' und Aether, leiht, o! leiht
Mir einst ein hellers Pilgerkleid!

1

II.

Schäfergedichte.

Beisp. S. 1. B.

307

Schäfergedichte.

Theokrit.

(Der erste und berühmteste Idyllendichter der Griechen, der zu Anfange des 38ften Jahrhunderts der Welt, unter dem ägyptischen Könige Ptolemaus Philadelphus lebte, und aus Syrakus gebürtig war. Man hat von ihm noch dreißig Hirtengedichte, die vielleicht nicht alle von ihm selbst find, und verschiedne kleinere, zum Theil epigrammatische Stücke. Durch die Einfachheit, Anmuth und Wahrheit seiz ner Manier ist er das allgemeine Muster aller nachherigen Schäferdichter geworden. Seine Sprache gewinnt sehr an Sanftheit durch den dorischen Dialekt. Eine Parallele zwis fchen ihm und Geßner, s. in Herders Fragmenten über die neuere Literatur, Samml. II. S. 349. Keinem ist der Verz such, ihn in unsre Sprache zu übertragen, beffer gelungen, als dem ältern Grafen zu Stollberg, unter dessen Gedichs ten aus dem Griechischen überfersegt sich neun Idyllen Theokrit's befinden.)

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*) Uebersetzung von dem ältern Grafen zu Stollberg. (S. dessen Gedichte aus dem Griechischen, Hamburg 1782. gr. 8. E. 168.)

Kommst du Likoris? Bringt-nach dritter Nacht mir die

dritte*

Morgenrdthe dich endlich wieder? O Mädchen die Sehns

Theokrit.

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د.

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