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Bronner.

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„Du bist eine gute Mutter, sprach er mit freunds licher Mine, sei getrost! Morgen werde ich deine „Hütte besuchen, und mir die Knaben wählen, die ich „künftig ernähren will. Hier hast du ein Körbchen voll Wasserbirnen, hier Brod! Nun esset euch satt, meine Lieben!" Und er gab ihr ein Körbchen voll Wasserbirnen, und Waizenbrod. Unter Thrånen der Freude schluchzte ihm Thebe ihren Dank, und eilte nach Hause, den sehnlich wartenden Kindern Speise zu reis chen. Wie naschten da die schmachtenden Kleinen im frischen Obste; wie aßen sie begierig, ihren quålenden Hunger zu stillen, das Brod hinunter! Alle hoben dann ihre unschuldigen Händchen empor, und beteten mit ihrer lieben Mutter für den wohlthätigen Fischer.

Am folgenden Tage, da sie eben der aufgehenden Morgensonne gegenüber im Grase spielten, kam Kes rias den Fluß herabgefahren, lächelte die Kinder freundlich an, und stieg ans Land. „Was macht ihr

hier, meine lieben Kleinen? fragte er liebreich, und „trat in ihre Mitte: Sage mir, Töchterchen! Was » soll der Stab in deiner Hand?“ „Ach, dort steht eis „ne Blume am Ufer," antwortete das Mädchen, „fie steht traurig, mit niedergesenktem Haupte, und dros het vor der Zeit zu verwelken. Es dauret mich das arme Blümchen; es soll nicht vor der Zeit verwelken; ‚an diesem Stabe will ich es fest binden, daß es die Sonne anblickt, und wieder aufblüht: Es wird mir „dann noch süßer riechen.“

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Rerias. Laß dich küssen, frommes Mädchen! Ich lobe dich! Und ihr dort an der verstegten Quelle, ihr vier muntern Knaben, mit dem Grabscheit und der Hacke am Arme, was macht ihr da?

Die Knaben. Siehst du den schönen Apfelbaum, der einsam dort in der Wiese steht? Wir leiten einen kleinen Bach aus dem Fluffe zu ihm; er trågt gar so gute Aepfel, und jeht dürftet der arme Baum schon lange: er müßte verdorren, bekäm er nicht Wasser zu trinken. Aber er soll nicht verdorren: denn sieh! wir haben den Rinnsal bald fertig.

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Kerias. Gut, recht gut, meine Lieben! Ihr seid, Bronner. wackere, unternehmende Kinder. Bleiber so! Wie sehr verdienet ihr glücklich zu sein! Und du, Mädchen! mit den zwei Kleinen neben dir im Gräfe! Ihre Augen find ja noch von Thrånen roth: Du pflücktest ihnen ges wiß Blumen in den Schooß, daß sie stillschweigen mộ; gen?

Das Mädchen. Sie haben eben geweint, die kleinen Narrchen: denn sie hungerten so sehr; da pflückt' ich Grasblumen in ihren Schooß, und sie weinen nun eine Weile nicht mehr.

Kerias. Wartet, ihr sollt gleich zu essen bekom men, ihr lieben Kleinen!

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Da holte er behende seine Fischlägel aus dem Nas chen, und trat zu Theben in die Hütte. Meine liebe Fischerin, fagte er, hier bring ich Fische; koche sie deis nen Kindern, daß sie essen und satt werden; die ar men Jungen hungern schon wieder. " Und Thebe dankte ihm, und kochte frdlich den Kindern die Fische. ,,Eben sah ich sie draußen im Grünen spielen," fuhr Kes rias fort, „, es sind aber nicht sieben, wie du mir gestern ", sagtest; ich zählte sie genau, es sind achte. Gesteh mir's, warum verhehltest du's?"

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Thebe. Fischer, ich verhehlte dir nichts; ich habe nur seben Kinder; das achte ist ein fremdes Mådchen, das ich halb erhungert im Walde fand. Ich kam in den Wald und suchte mir Brombeeren zum Nachtmahl, da saß das Mädchen am Sumpfe, und weinte, und klagte laut ihre Noth, daß sie keinen Vater und keine Mutter mehr hätte, und daß sie nun krånklich wåre, und im ganzen Walde keine Speise für ihren Hunger fånde. Da hatte ich Mitleid mit dem Mädchen; wo meine Kinder essen, dachte ich, mag sie auch essen, und nahm sie mit nach meiner Wohnung. Sie hat das

beste Herz, und wird mir einst tausendmal für diese kleis ne Wohlthat danten.

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„O meine Thebe, wie empfindsam, wie schön ist „deine Seele!" rief Kerias, und drückte sanft ihre Hand in die seinige. „Ich kam her, von deinen Kin: „dern zu wählen, welche ich nähren will; aber ich mag „nicht wählen. Sage, wolltest du mir wohl auch

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eine Bitte gewähren.“

Thebe. Du bist reich, was kann ich dir geben?

Berias. Dich

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dich kannst du mir geben, göttliches Weibchen! Magst du nicht meine Gattin Ich liebe dich, Thebe, recht herzlich liebe Du schweigst, und deine Hand bebt in der meinen. O sage mir, sage mir, kannst du mich wieders lieben?

werden? ich dich,

„Mein Kerias, was du für Fragen thuest!" ant: wortete Re mit zagender Stimme, und zog behutsam ihre Hand zurücke: „ich bin ja so arm, du weißt es, bin so arm, und habe so viele Kinder; bedenke nur, guter Mann, bedenk es nur! Gewiß du wirst mich nicht lie; ben können."

Kerias. Warum nicht, beste Thebe?
Willst du mich? O dann find deine Kinder auch meine.

Thebe. Ach! wer liebet dich nicht?
ich bin arm, du wirst nicht glücklich sein.

Doch

Kerias. Und wärest du noch årmer, so hätte ich dich dennoch lieb: Dein fühlendes Herz achte ich höher, als alle meine Habe, meine Fischteiche und Wiesen. D laß mich das erstemal dich küssen, du meine Geliebte, meine künftige Gattin.

Da küßte er schinachtend sie, und drückte sie zårts lich an seine Brust, und Thebe weinte. ,, Weine nicht, „meine Liebe,“ sprach er, und trocknete ihr sanft die „Thränen von der Wange; „komm vielmehr, laß uns unsere Kinder versammeln, und den Nachbar Asphas ‚lion herüber rufen,` daß ich dir vor seinen Augen Liebe schwöre, und unverbrüchliche Treue. “

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Und

Und er lief hurtig hinaus, und rief die Kleinen herein, und holte den Nachbar Asphalion herüber; dann gaben sie sich in seiner Gegenwart die Hånde, und schwuren sich Liebe, daß der Alte vor Freude hüpfs”. te, und diesen Tag ewig selig pries, der bestimmt war, so viele glücklich zu machen. Sieh, meine Nachbarin, sprach er, so lohnet der Himmel die Wohlthat, die du mitleidig einem armen verwaisten Mädchen erzeigtest!

Bronner.

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Zusätze.

Zu så ße.

1) Zum ersten Bande, Seite 5.

(Hr. Herder bemerkt in der zweiten Sammlung seiner Zerstreuten Blätter, S. 186, daß die Reste von den Fabeln des so genannten Babrius, 'der, feiner Vermuthung nach nicht so, sondern Valerius (Baλegios) hieß, unwi dersprechlich zeigen, wie sehr sich das Sylbenmaaß des Choz liamben zur Fabel schicke, weil er der ungeschmückten, sims peln Erzählung nåher tritt, und mit der größten Klarheit den schönsten Wohlklang verbindet. „Håtten wir, sagt er, dies fen Dichter ganz, wer würde die Prose unsrer griechischen Fabel lesen, die nicht Aesop's, sondern der Grammatiker Prose ist, die größtentheils ungleich schönere versificirte Fas beln in sie aufgeldset haben. Der Glückliche, der uns den Achten Babrius fände, håtte der Literatur ein treffliches Ge schenk gemacht: denn die zwei oder drei ganze Fabeln, die man von ihm hat, z. B. die Nachtigall und die Schwalbe, die Ameise und Cicada, das Gefäß worin nichts als die Hoffnung blieb, und jedes kleine andre Fragment, haben beim schönsten Wohlklange eine sø füße Einfalt, daß der fchöne, aber oft gezwungne Phädrus ihnen kaum zur Seite treten dürfte. Schade, daß dieß griechische Sylbenmaaß der Fabel für die neuern Sprachen fast ganz unnachahmlich bleibt! Seine zarte Abwechselung verliert sich bei uns Deutschen größtentheils in einförmige Jamben.“ --- Die dritte und erste der gedachten Fabeln hat Hr. H. aus der Abhandlung des Tyrwhitt abdrucken lassen, und sie haben, besonders die zweite, zu viel Schönheit des Vortrages, um sie in dieser Sammlung fehlen zu lassen :)

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