Ein Ungenannter. Zwei ganz neulich erschienene Gedichte dieser Art: Als fonso, in acht Gesängen, und Richard Löwenherz, in fies ben Büchern, von einem jungen, aus Wien gebürtigen Dichter, zeichnen sich zu vortheilhaft aus, um hier übergan gen zu werden. Aus dem leztern ist folgendes Stück ein Theil der Katastrophe. Indeß Richard der Erste, König von England, auf einem Kreuzzuge begriffen war, blieb sein Freund, Blondel, ein Minstrel, in England zurück. In seinem Reich entstanden Unruhen, und da man von dem Aufenthalte des Königs nichts erfährt, so entschliesst sich Blondel, ihn aufzusuchen. Er kommt nach Marseille, schifft von dort aus nach Rom, wird an eine Küste verschlaz geu, und findet dørt einen der königlichen Nitter, Klifford, als Klausner einer Kapelle. Dieser erzählt ihm seine und R. Richard's gemeinschaftliche Schicksale, und hält den legteru für tødt. Beide werden indeß auf die Vermuthung ges führt, daß er noch lebe, und entschließen sich also, ihn beide aufzusuchen. Nachdem sie sich in eben dieser Absicht ges trennt, und zu Wien wieder zusammen zu treffen verabres det haben, erfährt Blondel, der Erzherzog Leopold habe Richarden durch Lift gefangen gefeßt. Ungeachtet der Bes swingung eines Löwen, deren Preis seine Freiheit seyn solls te, sperrt er ihn noch enger in einen Thurm ein. Blondel und Klifford treffen wieder zusammen, finden einen Thurm in der Nähe eines alten Schlosses, wo der erstere ein Lied fingt, welches er oft in feiner Jugend mit K. Richard sang, und auf einmal tief aus dem Thurm eine Stimme vernimmt, die dieß Lied fortseßt. Beide Freunde befreien den König, und mit ihm die Ida, Blondel's Geliebte, die eben in jes nen Thurm gebracht werden soll. Sie kehren nun mit einz ander nach England zurück, wo Richard sein Reich wieder in Ruhe bringt. Ein Unges nannter. 1 Ein Unges nannter. Aus dem Gedichte: Richard Löwenherz; Ges. VII. Beide gehn nun auf die Beste zu, Daß, aufgestört aus seiner langen Ruh, Der dumpfe Wiederhall vor ihrem Schritt ertöner; Und über sich das schwarze Fenster sehn, Das, fest verwahrt mit Eisengittern, Durch die im Mondenglanz des Epheus Ranken zits tern, So einsam und so schauerlich Hernieder starrt. Der Jüngling setzet sich Auf einen nahen Stein, der aus den Fugen wich, Herabgestürzt, seit Jahren schon Den grünen Rasen deckt. Allein der Heldensohn Für Thaten einst geglånzt; wie manchen kühnen Held In diesem Thal vielleicht, statt einer Ehrensäule, Bei stiller Nacht die Trauerklage hålt. Und Durst nach großen Thaten schwellt Sein Heldenherz, nach Thaten, die den Stürmen Bergeßner Zeit sich stolz entgegen thürmen, Die, durch den wahren Ruhm mit ew'gem Glanz er Gleich Sonnen, durch die Nacht der Zeit entgegen, Lin Unges glänzen, Und auf dem Pfad zum Ziel, an dem uns Lorbeern frånzen, Ein leitendes Gestirn und Reiz zum Kampfe find! Indessen so der Ritter schwärmt, beginnt Nun Blondel den Gesang zur Harmonie der Saiten. Da Richard noch mit seinem Blondel sang. Stark rauscht des Jünglings Hand durch die belebten Und hell ertöntet so sein silberner Gesang: *) „Den Kopf gestüßt, in Felsenschatten, Hinweg von Freuden wollt' ich gehen: Du rother Mund, könnt' ich dich mahlen, Den Himmel wirst du dir erwerben Horcht, Blondel, horcht! habt Ihr es nicht vernoms men, Ruft Klifford aus, der nah dem Thurme stand, Was *) Ein &chtes, altdeutsches Lied aus frühern Zeiten. Sies he; Gedichte nach den Minnefingern; Berl. 1773. Beisp. Samml, 6. B. nannter. Ein Unge Was hier aus dieser dden Wand So dumpf, so dumpf herauf gekommen? Das ist es wohl, was Ihr zu hören meint. O nicht doch! unterbricht der Ritter Ob nicht ein fremder Ton aus diesem Thurme dringt. Er fühlt sich schier des Tons beraubt, und singt: Und nun will ich den Menschen leben, Will wieder unter Menschen nun Der rechten Freude mich ergeben, Will wieder Menschen Gutes thun! 1 Jeht schweigt er still; es schweigt der Saiten lehtes Beben; Erwartungsvoll, mit gier'gem Ohr Lauscht' er durch Still' und Nacht zum Fensterraum em: por. Doch, eh die Tone ganz zerrinnen, Erschallt es aus dem Thurm, von innen Herauf, so leis, so ferne, wie ihm deucht, Als wie ein Abendwind durch hohe Tannen schleicht: Und nun will ich den Menschen leben, Die Horchenden vernehmen diese Tône; Der Auferweckung von den Engelharfen rauschet, In neuer Schöne sich ihr froher Kreis erhebt; 1nd namenlose Bonne ihn Durchbebt, und Dank und freudiges Entzücken Bon seinen Lippen, die gleich Edens Rosen blühn, Dem Tod, als seinem Freund, schon froh die Rechte gab, Und nun auf einmal aus dem Munde Im letzten Augenblick, in seiner Todeshöhle, Sich wechselsweis; er, seinen Retter, sie Den König, ihren Freund, der lebt, der sie Vernahm, von dem sie nur noch wenig Schritte trens nen. „Allmächt'ger Gott! er ists! ruft Blondel aus, Vor Wonne sich nicht mehr, und fällt Dem Ritter an die Brust, und neßt mit Freudenzåh; ren Des Helden glühendes Gesicht, Auch er, im Uebermaaß der Freude, kann sich nicht Doch Ein Unges nannter. |