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Wieland.

Wieland.

Zu den frühern Arbeiten dieses Dichters, von seiner ev kten Manier, gehdren acht Briefe von Verstorbenen an hinterlassene Freunde, im zweiten Baude seiner zu Zürich 1762 gedruckten Poetischen Schriften. Sie wurden aber schon zehn Jahr früher geschrieben. Hr. w. las damals die Werke des Plato mit Entzücken, und meinte fast immer feis ne eigensten Ideen darin entwickelt zu finden. Dieß giebt den Schlüffel zu der Philosophie dieser Briefe, deren Form eine Nachahmung der bekannten Briefe der Verstorbenen von der Mistreß Rowe war. In dem hier folgenden warnt Theanor seinen Freund vor den Ausschweifungen des menschlichen Stolzes in Erforschung der Wahrheit, bezeichnet ihm die unserm Verstande hierin gesezten Grånzen, und ermahnt ihn, sich ganz der åchten Weisheit zu ergeben, die uns wohl und glücklich leßen lehrt.

Theanor an Phädon.

Eine Seele, die, unter dem Mond, im Reiche des
Irrthums,

Folgsam dem edlen Trieb, womit sie der Schöpfer bes

flügelt,

Und in geistiger Liebe zur schönen Wahrheit entzuns

det,

Sie mit Zärtlichkeit sucht; die von den bezauberten
Blumen

Und den giftigen Früchten, womit der Weg, den sie
wandelt,

Hier und da reizt, und der üppigen Luft, die zu weichem
Entschlummern

Sanft betäubend sie ladet, das goldne Ziel zu verfol

gen,

Unentlocket, die Dornen erwählt, die zum Eilen sie spors

nen,

Phadon, so eine Seele, bei Menschenseelen zu sehen,

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St ein reizender Anblick für empyreische Geister.
Wie wenn die Nacht den Himmel in einen Schleier
von Wolken

Eingehüllt hat, und der Weise, der ißt betrachtend und

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So ergsgt uns die Seele, die aus der nächtlichen
Erde,

Wie ein umwölkter Stern, mit bleichem, doch himmlis
schem Glanze,

Durch den Aether hin scheint, und uns sie näher zu schauen

Winket: So hast du, o Phådon, zu dir mich hers unter gezogen.

In der Blüthe der Jugend schon nach der reinen Ers

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In der Umarmung der Wahrheit sich sehnen; gemeis nere Freuden,

Die sich selber erbiethen, mit ihren Reizen verach:

ten,

Und die Kräfte der feurigen Seele der Seele nur wide

men:

Dieses verdient dir die Liebe Theanors. Schon zähl ich im Geiste

Jede Zufriedenheit, die mir dein Wandel auf Erden bes reitet ;

Seh in dir schon den himmlischen Freund, und segne die Stunden,

Die dich auf ihren geflügelten Wagen zur Ewigkeit zies

hen.

Aber o Phådon, je mehr dein Herz vom Verlangen nach Wahrheit

Glühet, je schöner dir ihren Genuß die Hoffnung erhös

het;

Desto näher bist du der Gefahr betrogen zu wers

den

Oder dich selbst unachtsam im Labyrinthen zu fahen.

Leicht,

Wieland.

Wieland. Leicht, wenn du ihre unsterbliche Schönheit zu sehen

1.

entbrannt bist,

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Kann der heftige Wunsch Phantomen zu Wahrheit vers

göttern.

Hier ist ein Führer dir nöthig. Zwar legte der Schds pfer der Seelen,

Da sie, so viel sein belebendes Lächeln vor ändern bes

zeichnet,

Aus Ideen zu Wesen erwuchsen, in jede der See: len

Fähigkeit und unsterbliche Triebe nach Wahrheit, die

immer

Ihre Gränzen erweitern. Doch ist es keiner erlaubt,
Vor der bestimmten Zeit sich über den Zirkel zu hes

ben,

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Ob die kühne Begierde die kurzen Flügel gleich übet.
Sie von dem eiteln Bemühn, das ihre Stunden vers
nichtet,

Abzuhalten, und ihr den gewissen Weg zu eröffnen,
Ist der Verstand, ein Stral von der Sonne der Geis,
ster, den Menschen

Eingegossen, der Stral, den Engel an ihnen verehren.
Er entspringet aus Gott, und führt zu Gott uns zus
rücke ;

Denn der allein ist Wahrheit, das übrige alles sein
Schatten.

Aber er hat sich selbst in diese nachahmende Schat:

ten

Bidderen Wesen verhüllt, und ihnen den Lichtstral ges geben,

Daß sie durch ihn die Gottheit in allem durchscheinend entdeckten,

Und von der Schönheit, die in der Verdunklung so reis zend geblieben

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Zur Nachahmung entflammt, nach ihrem Muster sich formten.

Siehe, dieß lehrt der Verstand, und ihm gehorchen ist

Weisheit,

Und der einzige Weg, auf dem uns die Wahrheit begegs

net.

Prüfe

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Prüfe nach dieser Richtschnur die Weisheit der blöden, Wieland.

Sophisten.

Diese der Weisheit Gestalt so schön nachahmende

Wolte,

Die zwar von fern ein jugendlich Aug betrügerisch ans
Lockt,

Aber mit ihrem Besiß die Mühe wenig belohnet,
Ihr das Mark des Lebens und wachsame Morgen und
Nächte

Aufgeopfert zu haben. Zwar ihre Blicke sind reizend,
Ihre Verheissungen goldner als Gold, und lockten fast
Engel

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Ihrem Sirenenmund zu. Du glaubtest, sie hda rend, der Schlüssel

Zu den geheimsten Tiefen der Schöpfung sei von der

Natur ihr

Anvertraut, und das geringste, wozu fie den Liebling ers

hebe,

Sei ein irrdischer Gott.

Doch nahe, so wird die

Erscheinung,

Die dir von fern mit olympischem Pompe die Augen

entzückte,

Schnell sich in leichte Gewebe von Luft und Dünsten verlieren;

Wie ein leuchtender Kåfer in Sommernåchten von fers

ne.

Sternen gleich schimmert, und wenn du ihn fångst, ein
verächtlicher Warm ist.
Aber sie täuschet nicht nur dein eitles Umarmen mit
Schatten;

Sie entführt dich dem richtigen Pfad, und lässt dich im
Dunkeln

Zweifelhaft unter, tausend ́ verflochtenen Wegen zurûs

ce.

Wenn du dann unmuthsvoll tappst, so ist der Zauberin
Freude..

Dich mit Strahlen von Hoffnung, die schnell sich ents
zünden und plößlich

Wieder verlöschen, zu martern. Und hat sie im nächts lichsten Irrgang

Beisp. Samml. 6. .

Lange

L

Wieland. Lange genug dich gehalten, so webt sie Systeme von

Träumen,

Zwanzig Schritte vor dir, die lieblich glänzend dir wins

ten,

Wie zum Tempel der Wahrheit; denn eilst du durch dornige Büsche

Sie zu erreichen, und wenn du den Fuß in die goldne

Pforte

Sehest, ist alles in siebenmal dichtere Schatten zerfloss

sen.

So ist das Ende der Arbeit, worein sie die Thoren vers
stricket,

Die ihr Zauberlied fångt: Verwirrung und Zweifel und
Irrthum!

Statt die Quellen der Wahrheit zu finden, verliert man
sich selber,

Sich und Gott, und die heilsamste Frucht der Weis: heit, die Ruhe.

Laß dieß, o Jüngling, so fest als ein diamantnes

Denkbild

Deinem Geiste vorschweben! Die Weisheit lehret bes glückt seyn;

Sie ist die Kunst, die Freuden, die uns der Schöpfer erbietet,

Anzunehmen; die Kunst, die Sphäre würksam zu fük

len,

Die er uns angewiesen. Sie ist bescheiden und mensch;

lich.

Sie zu finden bedarfst du nicht über die Wolken zu stei

gen,

Oder in Tiefen zu sinken. Sie wohnt nicht in feierli: chem Dunkel,

Unzugangbar, nur wenig Erwählten geneigt sich zu zeis

gen.

Nein, sie wird dir in offenen Fluren mit lächelndem

Antlik,

Gleich als ob sie dich suchte, begegnen, und hat dir dein

Auge

Ihre Feindin nicht schon verfälscht, so wirst du sie ses

hen.

Menn

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