(Friedrich Rudolph Ludwig Freiherr von Canitz, ge boren zu Berlin 1654, gestorben 1699, hatte zur didaktischen und satirischen Poesie die meiste Anlage, und war überhaupt als Dichter unter Opitzens Nachfolgern einer der glücklichs ften, auch von Seiten der Verfifikation. Von seinen Satis ren, deren einige aus dem Horaz, Juvenal und Boileau überfest sind, ist folgende die erfte und bekannteste.)
Der Tod des ungerechten Geizhalses.
Den Harpar, welcher sich zum reichen Mann gelogen, Und selten einen Spruch im Richteramt gethan, So er nicht, nach dem Werth der Gaben, abgewogen, Den griff vor kurzer Zeit ein brennend Fieber an; Allein es fand bei ihm gar wenig anzuzünden, Denn weil der schnöde Geiz das meiste weggezehrt, Kroch es, der Flamme gleich, die auch bei starken Wins
Nur langsam durch den Sand verwachsner Uecker fährt. Vermeinest du, mein Freund, daß dieses ihn verdros sen ?
O nein! der weise Mann braucht die Gelegenheit; Weil ihm kein Essen schmeckt, ist seinen Hausgenossen Auch nur die halbe Kost, ein Krankenmahl, bereit. Er läßt sie insgesammt vor seinen Stuhl bescheiden, Und lehrt, was Måßigkeit für edlen Nußen schafft; Auch wie vom Ueberfluß sein Magen müsse leiden; Der gleichwohl ingeheim den falschen Klåger straft. Die Knechte, deren Herz sich noch nicht losgerissen Von dem, was Regung heißt, die sehnen sich nach Brod:
Ihr Hunger, der nichts will von leeren Regeln wissen, Wünscht bald dem kranken Wirth Gesundheit, bald den
Die Schwachheit mehret sich; doch Harpar will nicht von Tanitz..
Er denkt der Sache nach, wie jåmmerlich es sei, Eh als die Welt vergehn, und andere lassen erben'; Drum suchet er den Rath der Seinigen herbei Die wollen seine Glut mit Kraut und Effig brechen; Er schlägt es aber ab, weil er die Kosten scheut, Und fragt nach Jemand sonst, der bloß durch Segen? sprechen,
Aus Freundschaft ohne Geld, und anders nicht befreit. Der Anschlag geht nicht an: man muß zum Arzte schis
Der kommt; der Kranke spricht: Es fehlt mir an der Ruh,
Und wird Euch Euer Fleiß in dieser Kur geglücken, Sag ich zur Dankbarkeit Euch meine Dienste zu. Ich weiß schon Euren Streit, und auch vielleicht von allen
Mehr Nachricht als Ihr selbst; ja bilder Euch nur ein, Daß wieder Euch gewiß das Urthel werde fallen, So bald ein anderer, als ich, wird Richter sein. Der Arzt, dem dieses Wort durch Mark und Beine dringer,
Fållt auf den Kranken zu, beklammert Puls und Hand, Und weil sein eignes Blut, aus Furcht und Hoffnung springet,
So seht er aufs Papier, mehr, als ihm selbst bekannt. Eins tränkt den Harpar noch, daß er nichts von Pros zessenTM
Des Apothekers weiß; doch denkt er, Zeit bringt Rath, Bin ich nur erst gesund. Es tommen unterdessen Die Mittel, die ihm bloß das Glück verschrieben hat; Er aber darf, aus Geiz, dieselben nicht genießen, Er schont den Stärktrank oft, wenn er am besten labt, Siehlt sich die Pulver selbst, und steckt sie unters Küssen, Wo er mit diebscher Faust das Gold von Pillen schabt: Go daß je mehr und mehr, die Levenskräfte schwinden, Und man schon in der Stadt viel Freudenzeichen sieht, Weil, der die Waisen drückt, und Wittwen pflegt zu schinden,
Nun, wie ein halbes Aas, den letzten Athem zieht.
von Canig. Der Sohn, der allbereit im Geist Dukaten zåhlet; Die Frau, die ihren Sinn auf junge Freier kehrt; Die trauren, daß er sich und sie so lange quålet, Und fragen welchen er von Geistlichen begehrt. Er spricht: Der meinen Sohn zur Taufe hielt, Hert Belten,
Denn, wie ihr wißt, so blieb der Pathenpfennig aus.. Steht ihm dergleichen frei, so muß es mir auch gelten Drum beicht ich frei bei ihm, ich und mein ganzes Haus. Der Schriftgelehrte kommt, mit fast betrübten Blicken, Und denkt: Im Testament steh ich wohl oben an.
Er will Magd, Frau und Kind mit seinem Trost erquis cken,
Von denen keines mehr das Lachen bergen kann. Man führt ihn stille fort, er pflanzt sich bei dem Kranken, Betrachtet die Gefahr, die mehr als allzugroß, Und schüttet ihm den Sack voll heiliger Gedanken, Mit Thränen untermengt, in seinen marten Schooß. Er klagt daß so ein Mann sein theures Haupt soll neis gen,
Der so viel Tugenden auf Erden ausgeübt;
Und welcher noch vielleicht will in dem Tode zeigen, Wie er so inniglich das Predigtamt geliebt.
Nein! Herr Gevatter, nein! schreit Harpar ihm ents gegen,
Sterb ich so werdet ihr nicht einen Groschen sehn; Doch wenn ihr durchs Gebet den Himmel könnt bewes gen,
Daß ich nicht scheiden darf, so könnt es anders gehn. Herr Belten stußt und fängt den Stachel an zu weßen Nachdem der Fuchsschwanz nichts beim Sünder ausges richt,
and ruft, er solle doch sein Unrecht hier ersehen, Wo nicht, so sei kein Plaß für ihn im Himmel nicht.) Er zåhlt an Fingern her die falschen Eidesschwüre, Womit er Gott und Recht und andere verleßt ; Wie manchen, der jeßund sich nåhr' vor fremder Thüre, Er aus dem Eigenthum des Seinigen gesetzt; Wie lang' er kupfern Geld so häufig lassen regnen, Als seines Fürsten Gunst zum Deckel ihm gedient.
Was wird, Gevatter, Euch, in jener Welt begegnen, Wenn Ihr Euch nicht bekehrt, und in der Zeit versühnt? So warnt sein treuer Mund, so bald er nur gespüret Daß er für diesesmal kein Erbe werden soll.
Der Kranke, dem er nie das Herz so scharf gerühret, Spricht mit gebrochner Stimm': Ach! ich erkenn es wohl!
Giebt aber diesesmal des Höchsten Wunder Güte, Auf wenig Jahre nur dem schwachen Leibe Frist; So will ich, glaubt es mir, aus chriftlichem Gemüthe Ein Werk der Liebe thun, das recht erbaulich ist. und, denen ich vorhin das ihrige genommen, Die sollen wiederum davon den zehnten Theil
Von mir wie sichs gebührt, um Zins gelehnt bekommen. Ach! freuet Euch mit mir, daß mein Gewissen heil. Man siehet bald darauf ihn mit dem Tode ringen; Der gute Belten wird vom Beten abgeschreckt; Doch andre fahren fort mit Sprüchen und mit Singen Das Buß' und Andacht sonst bei Sterbenden erweckt. Als er nun ungefähr von seinem Heiland höret, Der seine Schuld bezahlt, die Handschrift ausgelößt; Da wird er so von Geiz und Phantasie bethöret, Daß er noch diese Wort aus seinem Rachen stößt: „Was? meine Schuld bezahlt? die Sache schwebt im Rechte!
„Ich werde nichts gestehn; wer weiß wer noch verliert ?« Damit entfährt der Geist dem losen Mammonsknechte Dem jeder nun das Grab mit einem Schelmen ziert,
(Dieser große Arzneigelehrte, Albrecht von Haller, gez boren 1708, geftorben 1777, dessen Geißt eben so viel befafsend, als der Umfang seiner so vielfachen gründlichen Kennt nisse war, wird immer unter den deutschen Lehrdichtern, wes gen der Fülle und Gedrungenheit seiner Gedichte, und ihrer Reichhaltigkeit an Sinn und Nachdruck, eine der ersten Stellen behaupten. Verschiedne seiner Lehrgedichte haben, wes nigstens großentheils, die Wendung der Satire; unter dies sen auch das: Die verdorbenen Sitten, woraus nachstes hende Stelle genommen ist.)
Wo So ist der edle Geist, der nichts sein eigen nennet, Nichts wünschet für sich selbst, und keinen Reichthum tennet,
Als den des Vaterlands, der für den Staat sich schẳßt, Die eignen Marchen kürzt, der Bürger weiter setzt? Ach! sie vergrub die Zeit, und ihren Geist mit ihnen; Von ihnen bleibt uns nichts, als etwas von den Mis
Doch, also hat uns nicht der Himmel übergeben, Daß von der goldnen Zeit nicht theure Reste leben, Die Männer, deren Rom sich nicht zu schämen hat, Ihr Eifer zeigt sich noch im Wohlsein unsrer Stadt. Ein Steiger *) stüßt die Last der wöhlerlangten Wür:
Auf eigne Schultern hin, und hat den Staat zur Bürs
Er hat, was herrschen ist, zu lernen erst begehrt, Nicht, wie oft Große thun, die ihre Stelle lehrt; Er sucht im stillen Staub von halbverwesten Häuten Des Staates Lebenslauf, die Ebb und Flut der Zeiten: Sein immer frischer Sinn, in steter Müh gespannt, Wacht, weil ein Jüngling schläft, und dient dem Was terland;
* Eins der würdigsten damaligen Oberhäupter der Ber ner Republik.
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