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Rabener.

Denkt, Freunde, die ihr noch die Musen redlich
liebt!

Ihr, denen bloß der Reim die ganze Größe giebt!
Die ihr durch ihn allein die Zierden Deutschlands heiß
fet,

Und euch vor Hunger schüßt! denkt, was man euch ents

reisset,

So bald man euch den Reim, den Wiß der Verse
nimmt!

Daß unser großer Bav noch seine Saiten stimmt,
So manchen Namenstag in Demuth festlich feiert,
Und mit geschickter Hand die Mahlzeit sich erleiert;
Daß Måv, der unsre Stadt durch seinen Ruhm erhebt,
Er, seiner Brüder Schmuck, im Ueberflusse lebt:
Daß Clelia nicht stolz den Dorimen verachtet,
Und er nicht ganz umsonst nach ihren Küssen schmache

tet:

Daß Stentor sich mit Lust im Kupferstich erblickt,
Und sich die halbe Welt vor seinem Lorbeer bückt;
Daß jezt mein Pegasus nicht darf so ångstlich schäus

men,

Dieß alles macht allein die Kunst, geschickt zu reimen.

Die Wahrheit schüßt den Saß. Nehmt einen Tods
tenfluch,

Ein buntes Quodlibet, das schönste Liederbuch,
Das zierlichste Sonnet, das långste Hochzeitcarmen;
Und streicht die Reime weg.
Was bleibt? Nicht ohn
Erbarmen

Hort ihr, so lieblich es erst in die Ohren fiel,
Nur Scherze, sonder Kraft, ein frostigs Wörterspiel,
Ein abgenutztes Nichts, das immer wieder kehret,
Und ein Geschwäß, das man beim Pöbel besser höret.

Bewundert ehrfurchtsvoll des Reimes Zauberkraft, Der Bücher voller Schall aus einem Nichts erschafft! Der Reim: Wie: Dieser Zwang, der das Gedicht entseelet?

So wirft der Tadler ein: Der Henker der uns quas

let.

Der

Der Ordnung und Verstand auf seine Folter streckt,, Rabener. Die Wörter radebrecht, dem Dichter Angst erweckt,

Seibst den geduldigsten der Leser oft ermüder, Der Wahrheit und Tatur in schwere Sesseln schmiedet.

Das Feuer

Frevler, schweig! Des Zwanges
Mühsamkeit

Bringt gegen ihn dich auf, und was du sprichst, ist

Neid.

Wie sollte wohi der Reim Verstand und Ordnung hins dern,

Der Wahrheit Abbruch thun, und Geist und Feuer mins
dern?

Geh! Zähle selber nach! Sieh viele reimen nicht,
Von denen alle Welt aus Einem Munde spricht,
Daß sie den größten Schmuck aus alten Dichtern stehs

len,

Daß ihnen Feuer, Geist, Verstand und Ordnung fehe

len;

Sie reimen gleichwohl nicht.

Daß zwar so mancher

fist,

Und voll Verzweifelung bei seinem Hübner schwißt,
Ein Dußend Federn kaut, die Hånde kläglich ringet,
Und doch nach langer Qual, kein glücklichs Wort er:
zwinget,

Das hinten reimen muß; das alles glaub ich dir,
Das alles geb ich zu: Ich seh es wohl an mir.
Was ist es aber mehr? Ein inniges Erachen,
Wenn man den Reim erhascht, weiß alles zu erseßen.

Wie oft, wie glücklich zerrt des Reims geheime Macht
Den schönsten Einfall her, añ den man nie gédacht.
Gesetzt, es schlösse sich der erste Vers mit Wonne!
So fällt ein kluger Kopf gleich auf die liebe Sonne.
Er denter weiter nach; er folgt der edlen Spur,
Beschreibt den ganzen Bau der wirkenden Tatur,
Erwischt den großen Bår, besinnt sich auf Kallisten,
Verflucht die Eifersucht, beseufzet daß die Christen,
(Gleich brachte mich der Reim auf unser Christenthum,)
Beseufzet, daß die Welt so wenig nach dem Ruhm
Beisp. S. 2. B.

P

Bers

Rabener. Vergnügter Ehe strebt, und saget ans zur Lehre
Daß sich ein Mädchen leicht in einen Bår verkehre.

Ihr Feinde dieser Kunst, gesteht es, daß ihr irrt! Hört selbst, wie schlecht ein Vers dem Ohre schmeicheln wird,

Dem es an Reimen fehlt! Wagt es, bloß zu scandiren,
Versuchts! Wen werdet ihr durch euer Lied wohl rühren?
Tariff der alte Schalk, betriegt die ganze Welt;
Sevil ist lüderlich; Crispin ein dummer Kerl;
Star macht gelehrten Wind; Neran verdreht
die Rechte;

Florinde lebt verhurt; und Harpar ist ein Ani

cer;

Clitander = = = doch genug! Íhrgåhnt und schlummert
ein,

Ich schlummre selber mit. Was könnte trockner sein?
Ein angehångter Reim kann alle Schäden heilen.
Versucht es nur einmal! verändert diese Zeilen,
Und sprecht: Tarüffe bleibt ganz unverbesserlich;
Sevil lebt mit der Welt; Crispinus lebt für sich;
Star ist ein weiser Mann; eran ein Advocate;
Florindchen lebt galant, und Harpar hålt zuRathe.
Sagt selbst, nimmt dieß das Ohr nicht schmeichelhafter
ein?

Man liest, man lobet euch. Gesteht es, daß allein
Der Reim den Dichter macht! Fangt an, euch zu bes
tehren!

Versöhnt der Mufen Zorn, und lernt den Reim verehs

ren!

Es lebe was sich reimt! Schon stimmt mir Deutschs
lano bet,

Daß ein geschickter Reim der Dichtkunst Kleinod sei.
Ich kann zu meinem Ruhm die Schußschrift nun vol:
Ienden:

Denn wam die Wahrheit hilft, der hat den Sieg in
Hånden.

1

Mi

Michael is.

(Dieses zu früh verstorbnen schägbaren Dichters ist schon oben bei der Fabel (E. 61.) gedacht worden. Zur juvenalischen Satire schien sein Talent den entschiedensten Hang zu haben, wovon auch seine, unten anzuführenden, poetischen Briefe ein Beweis find. Die drei eigentlichen Satiren, die er volls endete, betreffen: die Schriftsteller nach der Mode; die Pes danten; und die Kinderzucht. Man vermißt in dieser legs tern freilich noch die Feile und gehörige Korrektheit des Auss drucks; sie hat aber doch manche sehr eindringliche und trefs liche Züge.)

Michaelis.

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Wie lange seufzen wir, daß Jahr für Jahr auf Erdent
Die Laster mächtiger, die Sitten schlechter werden?
Beglänzt ein andrer Mond der Vorwelt keusche Nacht,
Als der, in dessen Glanz die Dirne geiler lacht?
Fand nicht der Morgenstern, vom heilgen Dank entzüns

det,

Den Vater auf den Knien, der dich beim Spieltisch fins det?

Und scheint die Sonne nicht auf deines Schwurs Bes
trug

Die einst die Hand beschien, in die dein Vater schlug ?
Die Zeit hat teine Schuld! -

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Michaelis., Erzog noch schlechter uns: wir, weit schon über ihn,
Was soll erst unser Kind, was unser Enkel ziehn? *)
Ob unsre Kinder sich an uns ein Beispiel nehmen,
Und schon im sechsten Jahr des Christenthums sich schås

men:

Ihr Troß, der sich bereits den Lehrern furchtbar macht,
Nicht endlich unser selbst, selbst der Geseke lacht;
Und einst das Vaterland, das sein Betrug entehrte,
Den Mann noch fühlen läßt, was ihm als Kind ges

hörte.

Ob Mädchen, die schon Rosts und W* *ds Lied ge:
winnt,

Das, was sie wissen, thun, so bald sie mannbar sind;
Ob

Doch wozu dieses ob?
Giebt sich kein Vater ab.

mit solchen Kleinigkeiten Ein ob für unsre Zeiten

Ift: ob das liebe Kind die neusten Moden trägt,
Im Lomber was begreift, fein aufs Billard sich legt:
Sich in dem Müssiggang aus allen Kräften übet; ~
Geschickt Besuche nimmt, geschickt Besuche gieber,
Geschickt zum Handkuß läßt, geschickt die Hände küßt,
Kaffee mit Anstand trinkt, Confekt mit Anstand ist;
Zu jedem Kompliment den rechten Bückling findet,
Und an Beredsamkeit die Mutter überwindet.

So bald der Pathen Ja dem Kind ein Glück ges
schenkt,

An das es lebenslang mit keiner Sylbe denkt.
Saugt, statt der Muttermilch, an geiler Ammen Brü-
ften,

Der neugeborne Christ, den Stoff zu wilden Lüsten.
Ein dummes Mägdechor, dem man ihn zugesandt,
Verklappert und vertrillt, (dem keimenden Verstand

*) Horat. L. III. Od. VI. v. 46.
Aetas parentum, peior avis, tulit
Nos nequiores; mox daturos
Progeniem vitiofiorem.

3um

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