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ter dem bilde eines drachen dargestellt war? Da sollte Müllenhoff sich doch durch das beispiel des miðgarðsormr, welches er zu unseliger stunde anführt, haben warnen lassen. Wie das meer als drache aufgefasst aussieht, zeigt eben der miðgarðsormr. Er liegt um alle länder und beisst in seinen schwanz; Béowulfs drache liegt in einer höhle, nach einer verbreiteten interpretation auf einer dem lande vorgelagerten insel (vgl. aber unten s. 69 anm.). Wenn er sich bewegt, entsteht ein erdbeben; þórr rudert nach dem ende der welt um nach ihm zu angeln; er bekommt ihn an der angel; der wurm sperrt seinen abscheulichen rachen auf. Aber wie furchtbar anzuschauen er sein mag, feuer und flammen hat er nicht 1), obgleich das gift, das er ausschnaubt mehrfach ausdrücklich erwähnt wird. Sodann wird der schatz, den der drache hütet, zu dem alleinigen zwecke, einen zusammenhang mit der Grendelsage herzustellen, von Müllenhoff auf ganz willkürliche weise als 'das besitztum der menschen' gedeutet. Die zahl der schatzhütenden drachen ist legion. Bedeuten diese schlangen ausnahmslos das meer, und ist der schatz jedesmal das besitztum der menschen, namentlich ihr land? Oder stammen diese schlangen alle von Béowulfs drachen? Wenn das nicht so ist, wesshalb muss dann die herkunft dieses éinen schatzes gerade eine so seltsame sein? Drittens bestätigt der schluss der erzählung in keiner weise Müllenhoffs mythologische deutung. Der alte held findet den tod; die dämonischen mächte herrschen von neuem; es wird winter. Wie ist denn das zu verstehen, dass auch der drache im kampfe den tod findet? Denn dass der held

1) Ich leugne die möglichkeit nicht, dass irgend ein wurm, der das meer bedeutet, zu einem feuerspeienden drachen geworden sein kann; eine solche entwicklung setzt aber eine grosse entfernung von der mythischen grundlage voraus; dass ein solcher drache aus einer personification des meeres entstanden ist, darf nicht als selbstverständlich angenommen werden, sondern es müsste durch den nachweis erhaltener alter züge bewiesen werden. A priori ist das unwahrscheinlich.

im herbste 'noch einmal die schätze, die der boden birgt, den menschen zurückzuerobern' weiss, ist mythisch unrichtig; der drache sollte siegen und ungehindert das land veröden. Ist die tötung des drachen 'epische umgestaltung', weil der dichter den drachen doch nicht leben lassen konnte? Welcher zug bleibt dann noch übrig, an dem man entweder das meer oder den dämon des winters widererkennen könnte? Da liegt es doch wol näher, in Béowulfs tod epische umgestaltung zu sehen, weil der held doch nicht ewig leben konnte, und die fünfzigjährige glückliche regierung erklärt sich zugleicherzeit. Eine solche auffassung der sage wird obendrein gestützt durch Sievers nachweis derselben sage bei Saxo, wo der ausgang ein anderer ist. Der drache wird getötet; der held bleibt am leben.

Aus diesen gründen glaube ich nicht, dass man berechtigt ist, den Grendelkampf und den drachenkampf für ursprünglich in chronologischer reihe aufeinanderfolgende taten eines einzelnen helden zu halten. Ein solcher zusammenhang, wie ihn das epos bietet, ist für ein früheres entwicklungsstadium der sage zu leugnen. Ob damals ein anderer zusammenhang existiert hat, lässt sich im voraus nicht entscheiden; die forschung hat vorläufig von zwei vollständig verschiedenen sagen, welche im ags. epos in chronologischer reihe an éinen helden geknüpft erscheinen, auszugehen. Sollte ein älterer zusammenhang sich nicht nachweisen lassen, so müsste man annehmen, dass auf Béowulf, nachdem er einmal zum haupthelden des ags. epos geworden war, fremde taten übertragen seien.

men.

Ich fasse nun vorläufig die kritischen ergebnisse zusamDie zusammengehörigheit der Scéaf-Scyld-sage und der Béaw-Beowulf-sage hat Müllenhoff nicht bewiesen. Er behauptet, Scéaf und Béaw seien culturheroen; er ist aber bemüht Scéaf als einen cultur-, Béaw als einen naturheros zu deuten. Die deutung Béaws als eines naturheros veran

lasste ihn von der widerkunft Scéafs zu reden, wodurch es den anschein bekommt, als blicke in der Scéaf-Scyld-sage durch den culturmythus ein älterer naturmythus durch. Die deutung der Beowulfsage als eines jahreszeitenmythus beruht ferner auf der erklärung des wettschwimmkampfes mit Breca als eines kampfes mit einem winterlichen dämon, auf der auffassung des Grendel- und des drachenkampfes als schon im mythus chronologisch aufeinander folgender ereignisse, auf der auffassung Grendels als eines dämons der Nordsee oder wenigstens des meeres, auf der erklärung des drachen als einer dem midgardsormr gleichzustellenden personification des meeres, also auf einer identification Grendels mit dem drachen, alles unbewiesene behauptungen, welche zum grossen teil der überlieferung widersprechen. Nur die chronologische aneinanderreihung der grosstaten des helden stimmt mit den angaben des epos überein, aber gerade in dem stücke hat das epos nicht die geringste autorität, denn wie konnte wol ein dichter, welcher den Grendelkampf und den drachenkampf von demselben helden mitzuteilen wünschte, die aufgabe auf eine andere weise lösen als indem er das eine abenteuer auf das andere folgen liess?

Übrigens ist über die von Müllenhoff für den mythus in anspruch genommene chronologie des epos noch zu bemerken, dass in dem auf die oben besprochene weise construierten mythus für den schwimmwettkampf tatsächlich kein platz ist. Wenn dieser kampf die besiegung des winterlichen dämons bedeutet, wodurch unterscheidet er sich dann mythologisch vom Grendelkampfe? Dem einwurf wird dadurch nicht begegnet, dass Müllenhoff behauptet, Béowulf besiege Breca 'in früher jugend', während er 'in voller manneskraft' Grendel überwindet. Denn damit ist jeder der beiden erzählungen zwar im epos, nicht aber im mythus ihr platz angewiesen. Béowulfs jugend, das ist der frühling; nach der ankunft des sommergottes wurde Breca besiegt; wann aber

soll Beowulf Grendel überwunden haben, wenn nicht im frühjahr? Im hochsommer pflegt das meer die ebene nicht zu überfluten. Müllenhoffs deutung der überlieferung führt also in gerader linie zu der auffassung, dass der schwimmwettkampf und der Grendelkampf keine aufeinanderfolgende ereignisse sondern sagenvarianten sind. Wenn ich zu dieser consequenz der theorie Müllenhoffs mich nicht bekenne, so ist der grund der, dass ich weder seiner deutung der Brecasage noch der Grendelsage beizustimmen vermag.

Ich verzichte auf eine ausführliche durchmusterung anderer mythologischen deutungsversuche. Sie gehen sämmtlich von demselben grundfehler wie Müllenhoff aus, dass das, was im epos als aufeinanderfolgende ereignisse erzählt wird, mythisch auch aufeinanderfolgende vorgänge bedeuten muss; die meisten nehmen auch seine identification Scéaf (Scyld)Béaw an. Im einzelnen herrscht dann weiter eine grosse discrepanz der meinungen, welche allein wol zur genüge beweist, dass die wahrheit noch zu suchen ist. Entweder folgt man Müllenhoff bis hieher, um dann von ihm abzuweichen, wo er den mythus auf einen göttermythus zurückführt und im Beowulf Freyr erblickt. (Mit vollständigem recht wird man z. b. mit Uhland den helden für eine hypostase Þórs halten, wenn man an die identität des drachen mit der weltschlange glaubt.) Oder man sieht auf grund abweichender etymologieen in Béowulfs taten das poetische bild anderer naturerscheinungen. So erklärt Laistner, an einen gedanken Uhlands anknüpfend, im vollständigen gegensatze zu Müllenhoff, Beowulf für eine herbstliche gottheit, während für ihn Grendel ein nebelgeist ist, der die malaria verursacht und vom sturmgotte verscheucht wird. Die zwölf jahre, welche Grendel herrscht, sind die zwölf sommerwochen! Das ganze mythologische gebäude steht und fällt mit der herleitung des namens Béowulf aus einem supponierten, dem got. baugjan entsprechenden verbum *béawan, fegen. Die beweis

führung zeigt, wie die meisten, dass es ein leichtes ist, eine sage zu erklären, wie es einem nur gefällt, solange man die freiheit hat, jeden einzelnen zug nach belieben zu benutzen oder zu übersehen. Wenn aber Mogk im Grundriss (III2, 302) gegen Laistner anführt, solche namen wie meredéor, brimwylf beweisen, dass Grendel nicht ein nebeldämon sondern ein wasserdämon sei, so kann Laistner dagegen die misthleodu, wo Grendel wohnt, anführen; das eine wie das andere beweist, dass derartige argumente bedeutungslos sind. Ein nebeldämon kann im wasser wohnen, und ein wasserdämon kann im nebel wohnen; beide wohnstätten vertragen sich auch mit anderen auffassungen des unholdes. Die vielheit der möglichen auffassungen aber zeigt, dass die lösung des räthsels auf einem anderen wege gesucht werden muss. Denn mythologie ist nicht ein sich überbieten in geistreichen einfällen. Die mythologie ist eine wissenschaft, aber sie hat wie jede wissenschaft ihr eigenes aber auch ihr beschränktes gebiet. Wo eine sage gedeutet werden soll, grenzt sie an der philologie, und ihre domäne fängt erst da an, wo das gebiet ihrer schwester aufhört. Solange die philologie noch im stande ist eine überlieferung geschichtlich zurückzuverfolgen, kommt jede mythische deutung zu früh. Nur die philologie ist im stande, züge, welche eine sage während ihrer geschichtlichen entwicklung aufgenommen hat, auszuscheiden und dadurch anzuweisen, was mythologisch gedeutet werden soll. Die philologische kritik aber der Béowulf-überlieferung ist noch nicht abgeschlossen; bis sie abgeschlossen sein wird, mag die mythologie mit vorsicht zu werke gehen.

II. Historische untersuchung der überlieferung. Bei der reconstruction der ursprünglichen form der Béowulfsage ist die hauptaufgabe der forschung die beurteilung des verhältnisses der englischen zu der skandinavischen über

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