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Im Auslegen seid frisch und munter;
Legt ihr's nicht aus, so legt was unter!

Wär' nicht das Auge sonnenhaft,
Die Sonne könnt' es nie erblicken:
Läg' nicht in uns des Gottes eigne Kraft,
Wie könnt' uns Göttliches entzücken?

Ich wandle auf weiter bunter Flur
Ursprünglicher Natur;

Ein holder Born, in welchem ich bade,
Ist Ueberlieferung, ist Gnade.

Noch ist es Tag, da rühre sich der Mann! Die Nacht tritt ein, wo niemand wirken kann.

Thu' nur das Rechte in deinen Sachen,
Das and're wird sich von selber machen.

Alles in der Welt läßt sich ertragen,
Nur nicht eine Reihe von schönen Tagen.

Willst du dich am Ganzen erquicken,
So mußt du das Ganze im Kleinsten erblicken.

Wer nicht die Welt in seinen Freunden sieht, Verdient nicht, daß die Welt von ihm erfahre.

Der Mensch erfährt, er sei auch, wer er mag, Ein legtes Glück und einen lezten Tag.

Willst du ins Unendliche schreiten,
Geh' nur im Endlichen nach allen Seiten.

Liegt dir Gestern klar und offen,

Wirkst du heute kräftig frei,

Kannst auch auf ein Morgen hoffen,

Das nicht minder glücklich sei.

Willst du dir ein hübsch Leben zimmern,

Mußt dich ums Vergangene nicht bekümmern.

Und wäre dir auch was verloren,

Mußt immer thun wie neugeboren.

Was jeder Tag will, sollst du fragen,
Was jeder Tag will, wird er sagen;
Mußt dich am eig'nen Thun ergeben
Was and're thun, das wirst du schägen,
Besonders keinen Menschen hassen
Und das Uebrige Gott überlassen.

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Du sehnst dich weit hinaus zu wandern,
Bereitest dich zu raschem Flug;

Dir selbst sei treu und treu den andern,
Dann ist die Enge weit genug.

Was verkürzt die Zeit?
Thätigkeit.

Was macht sie unerträglich lang?
Müßiggang.

Was bringt in Schulden?

Harren und Dulden.

Was macht gewinnen?

Nicht lange besinnen,

Was bringt zu Ehren?
Sich wehren.

(Westöstlicher Divan 1819.)

Will ich die Blumen des frühen, die Früchte des späteren Jahres,
Will ich, was reizt und entzückt, will ich, was sättigt und nährt,
Will ich den Himmel, die Erde mit einem Namen begreifen,
Nenn' ich, Sakuntala, Dich, und so ist alles gesagt.

Hätte ich gezaudert, zu werden,
Bis man mir's Leben gegönnt,
Ich wäre noch nicht auf Erden,

Wie ihr begreifen könnt,

Wenn ihr seht, wie sie sich gebärden,

Die, um etwas zu scheinen,

Mich gerne möchten verneinen.

Martin Greif.*)

(Geschichte der deutschen National-Litteratur § 66.)

An Goethe.

(Zur Enthüllungsfeier seines Denkmals in München.)

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Freudig vernimmt sie, Himmlisches ahnend, Dankbar im Volke Jegliches Ohr.

Ihn zum Vertrauten Wählt sich das junge Rosenumbuschte Liebende Paar,

Ihn zum Gefährten Wählt sich das stille Schicksalgeprüfte Einsame Herz.

Gleich wie ein Sternbild Ueber der Jrdischen Scheitel heraufzieht Allen ein Freund,

Also erscheint er Mitten im Wirrsal Lebenden Augen,

Tröstlich zu schau'n.

Deutsches Gebet.

Herr, der Abend macht uns bange,
Der allmählich uns beschleicht,
Deine Stimme schweigt schon lange,
Und die Schmach hat uns erreicht.

Krieg und Zwietracht allerwege
Hat uns tief in Not gebracht,
Daß der Sturm sich endlich lege,
Liegt allein in deiner Macht.

Laß die Schmach nicht ewig dauern,

Wir verzagen schon zu sehr,

Daß die Völker nimmer trauern,

Einen Helden schicke her!

(Vor 1870.)

Send' ihn aus als Friedensboten,
Seiner Ankunft harrt die Welt,
Mitten unter die Bedrohten
Stelle sein gefürchtet Zelt!

Salb' ihm gnädig Haupt und Hände,
Brust und Arm ihm wappne du,
Daß er herrlich es vollende,
Gieb ihm deinen Schreck dazu!

Winke du durch seine Werke,
Du in deiner Glorie Licht,
Gieb ihm du der Engel Stärke,
Daß er alle Fesseln bricht!

*) Martin Greif, Gedichte, 6. Aufl., Stuttgart. Gesammelte Werke, 3 Bände, Leipzig 1893-96.

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