Wo flieh' ich hin? in diesen Thoren Hat jeder Ort, was mich erschreckt! Das Haus hier, wo ich dich verloren; Der Tempel dort, der dich bedeckt; Hier, Kinder ach! mein Blut muß lodern Beim zarten Abdruck deiner Zier, Wann sie dich stammelnd von mir fodern ; Wo flieh' ich hin? ach! gern zu dir. O, soll mein Herz nicht um dich weinen! Hier ist kein Freund dir nah als ich. Wer riß dich aus dem Schoß der Deinen? Du ließest sie und wähltest mich. Dein Vaterland, dein Recht zum Glücke, Das dein Verdienst und Blut dir gab, Die sind's, wovon ich dich entrücke, Wohin zu eilen? in dein Grab. Dort in den bittern Abschiedsstunden, Wie deine Schwester an dir hing, Wie, mit dem Land gemach verschwunden, Sie unserm letzten Blick entging; Sprachst du zu mir, mit holder Güte, Die mit gelass'ner Wehmut stritt: Ich geh' mit ruhigem Gemüte, Was fehlt mir? Haller kömmt ja mit. Wie kann ich ohne Thränen denken An jenen Tag, der dich mir gab? Noch jest mischt Luft sich mit dem Kränken, Entzückung löst mit Wehmut ab. Wie zärtlich war dein Herz im Lieben, Das Schönheit, Stand und Gut vergaß, Und mich, allein nach meinen Trieben, Und mich nach meinem Glücke maß. Wie bald verließest du die Jugend Und flohst die Welt, um mein zu sein; Du mied'st den Weg gemeiner Tugend Und warest schön für mich allein. Dein Herz hing ganz an meinem Herzen Und sorgte nicht für dein Geschick; Voll Angst, bei meinen kleinsten Schmerzen, Entzückt auf einen frohen Blick. Ein nie am Eiteln fester Wille, Der sich nach Gottes Fügung bog; Vergnüglichkeit und sanfte Stille, Die weder Mut noch Leid bewog! Ein Vorbild kluger Zucht an Kindern, Ein ohne Blindheit zartes Herz; Ein Herz, gemacht mein Leid zu lindern, War meine Lust und ist mein Schmerz. Ach! herzlich hab' ich dich geliebet, Weit mehr, als ich dir kund gemacht, Mehr, als die Welt mir Glauben giebet, Mehr, als ich selbst vorhin gedacht. Wie oft, wann ich dich innigst küßte, Erzitterte mein Herz und sprach: Wie, wenn ich dich verlassen müßte! Und heimlich folgten Thränen nach. Ja, mein Betrübnis soll noch währen, Wenn schon die Zeit die Thränen hemmt: Das Herz kennt andre Arten Zähren, Als die, die Wangen überschwemmt, Die erste Liebe meiner Jugend, Ein innig Denkmal deiner Huld, Und die Verehrung deiner Tugend Sind meines Herzens stete Schuld. Im dicksten Wald, bei finstern Buchen, Wo niemand meine Klagen hört, Will ich dein holdes Bildnis suchen, Wo niemand mein Gedächtnis stört. Ich will dich sehen, wie du gingest, Wie traurig, wann ich Abschied nahm; Wie zärtlich, wann du mich umfingest; Wie freudig, wann ich wieder kam. Auch in des Himmels tiefer Ferne Will ich im Dunkeln nach dir seh'n Und forschen, weiter als die Sterne, Die unter deinen Füßen dreh'n. Dort wird jezt deine Unschuld glänzen Vom Licht verklärter Wissenschaft: Dort schwingt sich aus den alten Grenzen Der Seele neu entbund'ne Kraft. Dort lernst du Gottes Licht gewöhnen, Sein Rat wird Seligkeit für dich; Du mischest mit der Engel Tönen Dein Lied und ein Gebet für mich. Du lernst den Nugen meines Leidens, Gott schlägt des Schicksals Buch dir auf: Dort steht die Absicht unsers Scheidens Und mein bestimmter Lebenslauf. Vollkommenste! die ich auf Erden So stark und doch nicht g'nug geliebt; Wie liebenswürdig wirst du werden, Nun dich ein himmlisch Licht umgiebt! Mich überfällt ein brünstig Hoffen, , sprich zu meinem Wunsch nicht nein! C, halt die Arme für mich offen! Ich eile, ewig dein zu sein. Frau Amme, Frau Amme, das Kind ist | erwacht! Toch die liegt ruhig im Schlafe. Frau Amme, Frau Amme, das Kind Frau Amme, Frau Amme, der Brunnen ist tief! Sie schläft, als läge sie drinnen. Das Kind läuft schnell, wie es nie noch lief, Die Blumen locken von hinnen. Nun steht es am Brunnen, nun ist es am Ziel, Nun pflückt es die Blumen sich munter; *) Aus deutschen Lesebüchern II, 337. Und wenn es einst zum lezten geht, Wird dies dich nicht erheben, Dort, wo dein Vater sterbend lag, Wo deiner Mutter Auge brach, Den lezten Kampf zu streiten?" Nun schweigt es still, das alte Haus, Um für das Haus zu bitten, Laß steh'n das Haus, laß stehen! Indessen ist der Mauermann Brunnen. *) Und unten erblickt es ein holdes Gesicht, Mit Augen so hell und so süße. Das Kindlein winkt, der Schatten geschwind Winkt aus der Tiefe ihm wieder. „Herauf, herauf!“ so meint's das Kind, Der Schatten: „Hernieder, hernieder!“ Schon beugt es sich über den Brunnen- Frau Amme, du schläfst noch immer? Verschwunden ist sie, die süße Gestalt, Verschluckt von der hüpfenden Welle. Das Kind durchschauert's fremd und kalt, Und schnell enteilt es der Stelle. |