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„Schnell hinüber," ruft er, „schnell hinüber
Zu der Rhede, zu dem Sklavenkäufer;
Schwinden wird vor Gram der stolze Psaumis,
Hört er, wie sein Weib als Sklavin dienet!"
Schreien vor Entsehen will die Schöne!

Doch man hält den Dolch ihr dicht ans Auge,
Bis sie stumm wird, gleich dem Bild von Marmor.
Leicht beschwingt von schnellen Ruderschlägen,
Teilt der Kiel die purpurblaue Meerflut.

Als zum Sklavenkäufer sie gelanget, Nimmt ihr Puras vom Gesicht den Schleier, Bietet sie zu Kauf für neunzig Goldstück'. „Nicht zu tadeln ist sie,“ spricht der Fremde, „Nicht zu tadeln; doch von Psaumis kauft' ich Eben eine schön're für die Hälfte.“

Da erzitterten die Knie Puras':

„Laß sie schau'n, die du gekauft von Psaumis!"
„Schau, sie liegt am Boden hier in Ohnmacht
Bleich von Schrecken; doch sie rötet bald sich,
Wie das Blatt der jungen Frühlingsrose."
Als nun Puras hinschaut, füllt sein Auge
Schwarzes Dunkel, und sein Herz erstarret,
Wie er seine Gattin sieht als Sklavin.
Wo die Seele Puras' war, wer sagt es?
Aber zu sich selber sprach die Seele:
„Wahrlich, Psaumis trifft im heilen Leibe
Dir das Herz, wie er vorhin gedrohet!"

Als die Seele Puras' nun zurück kam,
Blickt' er auf, als fänn' er einen Anschlag,
Spricht zum Fremden: „Schön ist die Gekaufte,
Schön, doch die ich bringe dir, nicht minder.
Nimm sie für den Preis, den du geboten!"

Mir nicht, gieb das Gold dort meinen Leuten!"

Als nun Psaumis' Gattin so verkauft war
Und entwandert in das Schiff als Sklavin,
Rufet Buras: „Nun, du Sklavenkäufer,
Auf die Segel: Flieg' in alle Winde,
Daß von Maina dich kein Schiff erreiche!"
Nicht versteht der Fremde diese Drohung;
Aber Puras jaget nach dem Ufer,
Mit beschwingtem Ruder nach dem Ufer,
Wo bereits die Kunde sich verbreitet
Von des Pfaumis That und der des Puras.

Als er nun ans Land springt jähen Sprunges,
Schnell entgegen kommt ihm, tritt ihm Psaumis.
Staunend vor einander steh'n sie, starren
Aug' in Aug' sich an. Gedenkend beide,
Wie sie sich vordem nur Holdes thaten,
Wie sie jezt das Bitterste gethan sich,

Starren lange sie, bis beider Augen
Sich mit Thränen füllen, bis sie weinen,
Bis sie sinken Herz an Herz! Da drängt sich
Freudig rings herzu das Volk von Maina.
Aber Puras hebt das Haupt und rufet:
„Auf nun, Psaumis! Auf, ihr meine Freunde!
Auf, zu Schiff! Der Fremde spannt die Segel:
Zeigen wir ihm schnell ein Schiff von Maina!"

Ha, wie rührt sich alles nun am Strande,
Auf dem Schiff, im Tauwerk, auf den Masten,
Auf den Raaen! Alle Segel fliegen,

Und im Winde schwebt das Schiff; wie Schwalben,
Nur der Wogen weiße Spigen rührt es,
Tragend Pfaumis und den kühnen Puras.
Bald erjagen sie des Fremden Fahrzeug,
Rufen schnell hinüber durch das Sprachrohr:
„Nimm das Gold zurück, das du gezahlet!
Gieb heraus die Frauen, gieb heraus sie!"
Doch der Ueberkühne! nicht mit Worten,
Mit Kanonen donnert er die Antwort.
Ha, wie jagt da das Mainottenschiff ihm
Dicht hinan mit gleichen wilden Donnern!
Es verwickelt sich mit jenes Schnabel;
Mutig wehrt der Feind sich; doch sein Schiff ist
Bald erklettert und zu Grund geschmettert;
Ueberall hin treiben seine Planken.

[blocks in formation]

Wo neulich noch schlugen und tobten die

Wogen

Ward wie mit Flügeln auf Spiegeln geflogen,
Wo sonst nur schwammen Schiff und Fische,
Stellte man heute Bänke und Tische,
Man schmauste und trank und sang und
sprang,

Es wurde keinem die Weile lang.
Da dacht' in ihrer Einsamkeit
Old Mütterchen längst vergangner Zeit,
Wo sie die gleiche Lust erfahren,
Ch' sie gelangt zu zitternden Jahren,
Wie mancher junge schmucke Gesell
Sie einst gefahren im Schlitten schnell.
Sie dacht' auch des Gatten und ihrer Knaben,
Die ungestümes Meer begraben,
Wie heimgegangen all' ihre Lieben
Und sie zulezt so einsam blieben.
Da seufzte sie: Gott vergisset mein
Und läßt mich hier ganz seelenallein,
Ich muß hier als ganz unnüß sein,
Den Fremden schaff' ich nur Beschwerden,
Was soll ich noch fürder auf dieser Erden?
Doch wie Old Mütterchen das spricht,
Straft sie ihr Herz: o sündige nicht:
Der Ratschluß Gottes ist verborgen,
Laß ihn allein bestimmen und sorgen.
In solchen und anderen Gedanken
Blickt weiter sie auf das Schwingen und
Schwanken

Und spricht zu sich selber: thun doch heute,
Als wär' Meer Land, die tollen Leute;
Ist wohl so gesichert die weite Fläche,
Daß hie und da das Eis nicht breche?
Und wie sie dem nachsinnt nicht lange,
Pocht ihr das Herz in der Brust so bange,
Als könne solch ein Unglück gescheh'n,
Als solle sie bald Entseyliches seh'n.
Da erblicket sie über dem bunten Gewimmel
In fernster Ferne ein Wölkchen am Himmel,
Ein weißes, und spricht: das deutet Sturm,
Und niemand läutet doch heut vom Turm.
Kommt Sturm mit der springenden Flut
im Bunde,

Zerbricht er das ganze Eis in der Runde,
Und alle die fröhlichen seligen Leute
Versinken in Schollen und Schäumen heute.
Ich will doch rufen, daß einer warnet,
Eh' alle des Todes Nez umgarnet.
Sie rust: Ist keiner, der hören will?
Sie ruft: doch alles ist totenstill.
Es ist wohl niemand, niemand im Haus.
Da müht sie sich aus dem Bett heraus

Und friecht zum Fenster auf Händen und Füßen,

-

Da muß der Frost es fest verschließen.
Das Volk darf auf dem Eise nicht bleiben!
Sie hat keine Rast, sie zerschlägt die Scheiben,
Sie ruft hinaus sie winkt sie schreit —
Zu schwach, zu matt! ach, alle sind weit!
Herr Gott, was fang' vor Leid ich an,
Wenn ich das Volk nicht warnen kann?
Die Wolke wird größer, o bange Pein,
Sie werden alle verloren sein;
Ich kenne das Sturmgewölke genau
Als leiderfahr'ne Schiffersfrau.
Allmächtiger Gott! o Herre mein,

Laß hören doch mein schwaches Schrei'n!
Denn zögert das Warnen noch wenig
Minuten,

Versenkt sie alle das Rollen der Fluten.
Da hört sie ein Knabe; doch lacht er und läuft,
Weil, was sie rust, er nicht begreift.
„Ach, alle, alle eilen nur zur Freude
Und wissen nicht, wie bald zum Leide!
Wie rett' ich, wie helf' ich, Gott, gieb Licht!
Ich bin zu schwach, ich treffe das nicht."
Da zuckt ein Gedank' ihr durch den Sinn,
Sie müht sich kriechend zum Herde hin
Und faßt einen Brand und entzündet das
Stroh

Im Bett: das brennet lichterloh.
Sie rief: So schaff' ich ein Feuerzeichen,
Bald wird der Brand das Dach erreichen.“
Indem der Qualm das Zimmer füllt,
Ergreift sie den Mantel und flieht verhüllt;
Doch kann sie vor Alter nicht schnell von
der Stelle,
Nur langsam erreicht sie der Thüre Schwelle.
Da schlägt die Lohe zum Dach hinaus.
,, Leb' wohl, geliebtes Vaterhaus.
Und kann ich nur das Volk erretten,
Mag Gott mich selbst im Himmel betten."
Doch giebt der Herr, der alles schafft,
Den schwachen Gliedern fürder Kraft,
Sie erreicht die Straße und ruht am Stein,
Da gewahren von weitem die Leute denSchein
Und sagen: Dort muß ein Feuer sein!
Und rennen herzu. Old Mütterchen schreit:
„Laßt das! Mit dem Feuer hat's gute Zeit,
Ich lockt' Euch mit dem Feuer herbei,
Daß ihr vernähmet, was ich schrei.
Laßt brennen mein Haus und eilt zum Turm,
Seht dort die Wolke und läutet Sturm,
Daß alles Volk zum Lande kehr',
Eh' Sturm erregt das wilde Meer!"

Da schauen die Leute die Wolke erschreckt
Und sagen: Die Frau hat Gott erweckt!
Und rennen in Eile hin zum Turm
Und läuten aus Leibeskräften Sturm.
Der Qualm, das Läuten rust alle herbei,
Man eilt zum Strande mit bangem Geschrei.
Und alles ruft: „Geschwind, geschwind!“
Da floh das Husumer Volk vor dem Wind.
Sie gaben die Zelte, die Buden preis,
Denn fernher kam das Meer schon weiß,
Hoch über dem jagenden flüchtenden Volke
Verbreitet sich fliegend des Sturmes Wolke,
Die Husumer zeigten jenen Tag,
Wie man auf Schlittschuh'n fliegen mag:
Der ganze Schwarm wie weggeblasen,
Dicht, dicht dahinter des Sturmes Rasen.
Hei! wie es die leichten Buden, die Zelte
Hinwarf und zerspellt in die Well' hin-
jchnellte.

Sturmvögel kamen mit Schreien geflogen,
Der ganze Himmel schwarz umzogen,
Darunter im Sturm der Springflut Wogen.
Man hörte sie schon bis her zum Strande,
Und als der lezte Mann am Lande,
Hob wie aufatmend das Meer in der Bucht
Weithin mit Gedonner des Eises Wucht.
Wie von springenden Rossen ein wildes

Heer,

Sprang Brandung Sturz auf Sturz daher Und wogte zu Trümmern den Spiegel, der eben

Noch trug des Volkes fröhliches Schweben,

Zerbrach ihn und türmte und rollte im Lauf
Ein Gebirg von Schollen am Ufer herauf.
Und wieder stürzt es zurück ins Gebraus,
Und wieder warf es das Meer heraus.
So tobte der Sturm die ganze Nacht
Und schwieg erst, als Gott Tag gemacht,
Und als die Sonne stieg empor,
Da sammelte sich das Volk zum Chor,
Und sangen Lieder und priesen Gott,
Der sie errettet aus solcher Not.

Old Mütterchens Haus war niedergebrannt;
Doch als ihre That ward stadtbekannt,
Da jah man das ganze Volk hinkommen,
Wo gute Leute sie aufgenommen,
Der Bettler, der Bürgermeister nicht minder,
Sie nannten sich alle Old Mütterchens
Kinder.

War ohne sie doch alles verloren,
Sie hatte sie alle neu geboren;
Drum wollt ihr jeder ins Auge blicken,
Sie laben und herzen und süß erquicken,
Und brachten ihr für ihre Habe
Viel Tausend' neue schöne Gabe.
Old Mütterchen aber in Freudenthränen
Sprach: „Niemand soll aus der Welt sich
sehnen,

Und sei er noch so hoch betagt
Und siech und matt! Wer weiß, wer sagt,
Wozu der droben

Ihn aufgehoben?
Laßt uns den Herrn des Himmels loben!“

Heinrich Kruse.

(Geschichte der deutschen National-Litteratur § 64.)

Rom.

„Gütige Sonne, die du mit dem leuchtenden Wagen den Tag uns
Führest zum Himmel herauf und ihn uns wieder entziehst
Und ein anderer stets und dennoch der gleiche zurückkehrst,
Mögest du nirgends und nie Größeres sehen als Rom!"
So hat einst ein Dichter gefleht im Namen der Römer,

Und ihm haben den Wunsch gnädig die Götter erhört.
Denn, obgleich die Barbaren es plünderten oft und zerstörten,
Rom blieb dennoch der Welt erste und einzige Stadt.
Jupiters Tempel ist zwar von dem Kapitole verschwunden,
Wo er mit Donner und Bliz schreckte die Stadt und die Welt.
Auch die irdischen Götter, den Palatinus bewohnend,

Sahen in Trümmer und Schutt sinken ihr goldenes Haus,
Doch das gewaltige Rund, das Titus erbaut für die Spiele,
Zeigt uns genügend, daß hier lebten die Herren der Welt.
Und hat ein Sterblicher je sich ein so riesiges Grabmal
Wie Hadrianus erbaut, Kaiser und Künstler zugleich?

Zwar sind die Götter gegangen, doch blieb noch das Pantheon stehen,
Das durch Rafaels Staub heiliger ward denn zuvor.

Soll ich noch reden von bilderumwundenen Säulen und Bogen,
Womit ihren Triumph siegende Kaiser bezeugt?

So viel Wunder sind heute der ewigen Stadt noch geblieben,
Daß von den Enden der Welt ziehen die Völker herbei.
Mehr als Prachtgebäude entzücken die Wunder der Kunst uns,
Alter und neuerer Zeit, nirgend vereint wie in Rom.
Diese gewaltige Brust, woran den nemeischen Löwen

Herkules hatte zerdrückt, kräftiget, scheint es, uns selbst.

Hoch und stolz, als Sieger gebläht, tritt Phöbus Apollo,

Als er den Drachen erlegt, strahlend von Glanz vor uns hin.

Und Laocoons Qual, der, die Söhne zu retten versuchend,

Wird von den Schlangen umschnürt, greift uns mit Macht an das Herz. Doch es entzückt uns nicht bloß der Meißel der griechischen Künstler, Welcher, soviel er auch sonst herrlich aus Marmor geformt,

Doch nicht das Schönste zu bilden verstehet, das menschliche Auge.
Freundlicher spiegelt die Welt sich in dem farbigen Bild.

In den Palästen umgiebt dich die Fülle der herrlichsten Bilder,
Die bis zur Decke des Saals wurden zusammengehängt.

Selber die Wand und die Decke sind voll von unsterblichen Werken,
Die Jahrhunderte schon waren Italiens Stolz.

Galatea's Triumph, von den Nereiden und allen

Göttern geleitet des Meers, ist der Triumph auch der Kunst. Amor's und Psyche's Geschick zeigt Freuden und Leiden der Liebe, Und von der Grazien Hand scheint das Gesimse gemalt.

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