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Von diesen ward gemacht ein Auszug, den beim Zug
Des Königes gemach ein starkes Maultier trug.

Doch noch bequemer wollt' er haben seine Sachen,
Und aus dem Auszug ließ er einen Auszug machen.

Ein art'ges Büchlein ward nun aus der Maultierbürde,
Das auf der Reise selbst der König trug mit Würde.

Doch immer noch zu sehr belästigte das ihn,
Des Auszugs Auszug ließ er aus noch einmal zieh'n.

Da zogen sie ihm aus dem ausgezognen Buch
Den Kern zusammen kurz in einem einz'gen Spruch.

Den faßt' er ins Gemüt und konnt' ihn leicht behalten,
Um seines Heils danach und seines Reichs zu walten.

Cb ihm dies Heil gelang? Wenn er's nicht ganz vollbracht, So war's nur, weil er selbst den Auszug nicht gemacht.

Das aber ist gewiß, daß aus dem Bücherwust
Du machen für dein Heil solch' einen Auszug mußt.

Sechs Wörter nehmen mich in Anspruch jeden Tag:
Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag.

Ich soll, ist das Gesez, von Gott ins Herz geschrieben,
Das Ziel, nach welchem ich bin von mir selbst getrieben.

Ich muß, das ist die Schrank', in welcher mich die Welt Von einer, die Natur von andrer Seite hält.

Ich kann, das ist das Maß der mir verlieh'nen Kraft,
Der That, der Fertigkeit, der Kunst und Wissenschaft.

Ich will, die höchste Kron' ist dieses, die mich schmückt,
Der Freiheit Siegel, das mein Geist sich aufgedrückt.

Ich darf, das ist zugleich die Inschrift bei dem Siegel,
Beim aufgethanen Thor der Freiheit auch ein Riegel.

Ich mag, das endlich ist, was zwischen allen schwimmt,
Ein Unbestimmtes, das der Augenblick bestimmt.

Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag,
Die sechse nehmen mich in Anspruch jeden Tag.

Nur wenn du stets mich lehrst, weiß ich, was jeden Tag
Ich soll, ich muß, ich kann, ich will, ich darf, ich mag.

Du klagest, daß die Welt so unvollkommen ist,
Und fragst, warum? Weil du so unvollkommen bist.

Wenn du vollkommen wärst, wär' auch die Welt vollkommen,
Die Unvollkommenheit wär' ihr von dir genommen.

Sie will Vollkommenheit nur mit dir selbst empfah'n
Und du bist noch so weit zurück auf dieser Bahn.

Dank' ihr, daß sie mit dir will halten gleichen Schritt,
Und spute dich, daß sie auch vorwärts kommt damit!

Das Schöne stammet her vom Schönen, es ist zart
Und will behandelt sein wie Blumen edler Art;

Wie Blumen vor dem Frost und rauher Stürme Drohen
Will es geschonet sein, verschont von allem Rohen.

Der große Astronom sprach: Alle Himmelsflur

Hab' ich durchforscht und nicht entdeckt von Gott die Spur.

Hat er nicht recht gesagt? Bei Mond- und Sonnenflecken,
Im Sternennebel dort ist Gott nicht zu entdecken.

Des Sehrohr's Scharfblick sieht den Unsichtbaren nicht,
Den nicht berechnen kann Zahl, Größe, Maß, Gewicht,

Wer Gott will finden dort, der muß ihn mit sich bringen;
Nur wenn er ist in dir, siehst du ihn in den Dingen.

Den alten Malerspruch erkoren hab' auch ich

Zum Wahlspruch für mein Buch: Kein Tag ohn' einen Strich.

So laß' ich ohne Strich nun keinen Tag verstreichen,
Sei manchmal es auch nur ein Strich, um auszustreichen.

Welch' eine Sprach' ist schön? Welch' eine Sprach' ist reich?
Verschieden an Getön', im Sinn sind alle gleich.

Nicht dies' und jene Sprach' entzückt, erfreuet mich;
Was mich erfreut, entzückt, das ist die Sprach' an sich.

Daß eine Sprach' es giebt, die, was du fühlst und denkest,
Dir deutlich macht, jemehr du dich in sie versenkest;

Daß eine Sprach' es giebt, kraft deren du verkündest
Der Welt geheimen Sinn, so weit du sie ergründest.

Drum ist die schönste Sprach' und beste, die du nennst,
Die Muttersprache, weil du sie am besten kennst.

Viel sind der Tugenden, doch jede ist die ganze,
Wenn echt, so wie ein Bild vom Frühling jede Pflanze,

Wo eine Blume blüht, da muß der Frühling sein,
Und wo der Frühling ist, da blüht bald groß und klein.

So gleich einander alle und jede so verschieden,
So wohnen Blumen gleich die Tugenden in Frieden.

Sie wohnen in der Brust, wie Blumen auf der Flur,
Und eine Himmelslust ist solch' ein Anblick nur.

Dem unbeschrieb'nen Blatt des Geistes in dem Kinde
Schreib' unbedächtig nicht zu viel ein zu geschwinde.

Zwar wird nie voll das Blatt, stets neu zu überschreiben,
Doch keine Schrift so fest wird als die erste bleiben.

Ja keine Kunst vermag sie völlig wegzuwischen:

Was man auch drüber schreibt, sie schimmert durch dazwischen.

Und manchen Forscher freut's, den Neues wenig freut,
Wenn ratend er die halb sichtbare Schrift erneut.

Du selber mögest einst, wenn spät're Schriften schwinden,
Erlosch'ne Kinderzüg' im Herzen wieder finden.

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Johann Gaudenz Freiherr von Salis.

(Geschichte der deutschen National-Litteratur § 47.)

Lied eines Landmanns

Traute Heimat meiner Lieben,
Sinn' ich still an dich zurück,
Wird mir wohl, und dennoch trüben
Sehnsuchtsthränen meinen Blick.

Stiller Weiler, grün umfangen.
Von beschirmendem Gesträuch,
Kleine Hütte, voll Verlangen
Dent' ich immer noch an euch!
An die Fenster, die mit Reben
Einst mein Vater selbst umzog;
An den Birnbaum, der daneben
Auf das nied're Dach sich bog.

An die Stauden, wo ich Meisen
Im Hollunderkasten fing;
An des stillen Weihers Schleusen,
Wo ich Sonntags fischen ging.

*) Aus deutschen Lesebüchern II, 659.

in der Fremde. *)

Was mich dort als Kind erfreute,
Kömmt mir wieder lebhaft vor;
Das bekannte Dorfgeläute
Wiederhallt in meinem Ohr.

Selbst des Nachts in meinen Träumen
Schiff' ich auf der Heimat See;
Schüttle Aepfel von den Bäumen,
Wäss're ihrer Wiesen Klee;

Lösch' aus ihres Brunnens Röhren
Meinen Durst am schwülen Tag,
Pflück' im Walde Heidelbeeren,
Wo ich einst im Schatten lag.

Wann erblick' ich selbst die Linde
Auf dem Kirchenplay gepflanzt,
Wo gekühlt im Abendwinde
Uns're frohe Jugend tanzt?

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Mitleid! Heil dir, du Geweihte! Weichen Herzens, milder Hand, Wallst du an des Dulders Seite Durch der Prüfung rauhes Land. Tau'st, wie Balsam, milde Zähren, Hebest das zerknickte Rohr. Wie zu Hyllius' Altären Blickt die Not zu dir empor.

Deine Hilfe stillt ihr Flehen; Dein Erbarmen eilt zur That. Wünsche brennst du auszuspähen, Spendest, wenn der Mangel bat; Spendest Brüdern, welche darben, Deines Tagewerks Gewinn; Bindest loser deine Garben Vor der Aehrenleserin.

In verarmter Witwen Krüge Schüttest du der Stärkung Wein, Prägst des Lächelns heit're Züge Abgehärmten Wangen ein:

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Mitleid.

Hebst erleg'ner Wandrer Bürde Auf dem tief beschneiten Damm Und verpflegst in sich'rer Hürde Deines Nachbars irres Lamm.

Sorglich streust du vor die Scheuer Vögeln Korn im Winter aus; Nötigst zu des Herdes Feuer Pilger in dein wirtlich Haus; Herbergst an des Strohdachs Balken Prognens federlose Brut; Schirmest Täubchen vor des! Falken, Küchlein vor des Geiers Wut.

Du entführst die junge Waise Jhrer Mütter Rasengrust; Jeden Seufzer, noch so leise, Raubt dein Ohr der Abendluft; Sanft, wie tauige Hyaden, Blichst du auf das Findelkind, Reichst ihm Ariadnens Faden Durch des Lebens Labyrinth.

Aus deutschen Lesebüchern II, 494.

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