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Der Fremde sieht hinunter, sieht Hansen ins Gesicht,
Er will den Arm erheben, den Arm erhebt er nicht:

„Und hast du ihn erschlagen, so war's im rechten Streit,
Und willst du mir verzeihen, komm'! Hans, ich bin bereit.""

Der Traum des alten Fris.

Siebzehnhundert neunundsechzig war's in schwüler Mitternacht, Wo der alte Friß in Breslau stöhnend aus dem Traum erwacht. Eilends rief er seinen Pagen: „Nehm' er Feder und Papier, Schreib' er auf, was ich erzähle! Sonderbares träumte mir.

„Nacht war's, auf dem Feld des Himmels standen, furchtbar anzuseh'n, Sich Gewitterwolken drohend gegenüber, wie Armee'n,

Blize zuckten hin und wieder, einzelnen Signalen gleich,

Plöglich in das tiefe Schweigen schlug ein mächt'ger Donnerstreich.

Da zerstob das Heer der Wolken, und der Himmel glänzte rein,
Wie auf ein Kommando rückten alle Sternenfronten ein.
Einer flammt an ihrer Spize, rot und feurig wie der Blik,
Und in seinem Kerne deutlich stand zu lesen: Stern des Frig!

so schreib' er;

Stern des Friz! leuchtend, wie der Stern so vor mir stand Und den hellen Schimmer reichlich ausgoß übers Preußenland, Da mit ungestümem Pochen mußt' ich es mir selbst gestehn: Einen Stern, der den verdunkelt, mag die Welt so bald nicht seh'n.

Sieh'

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da stieg es fern im Süden purpurn auf wie frisches Blut, Rötete zuerst den Westen, zog sich dann wie Meeresflut

Gegen Norden, gegen Osten, über alles Volk und Land,

Daß es war, als wenn der Himmel aufging in Zerstörungsbrand.

Sieh' — und aus dem Purpur plöglich springt ein flammender Komet,
Dessen Rute von dem Aufgang bis zum Niedergange geht.

Alle Stern' erbleichen zitternd, selbst mein Stern, der Stern des Friz,
Geht in seinem Blutmeer unter und verblaßt vor seinem Blig.

Endlich fern im Norden zucht es rot herein, doch anders rot,
Ausgeglüht hat schnell der Purpur, der Komet hat ausgedroht,
Und ein Regenbogen gürtet um die Welt ein schillernd Joch,
Und mein Stern auch schimmert wieder, ferner zwar, doch heller noch!"

Also sprach der alte Frize, also schrieb der Pag' es auf,
Lange blieb das Blatt vergessen, und doch stand viel Wahres drauf.
Siebzehnhundert neunundsechzig in der schwülen Sommernacht,
Wo der Friz im Norden träumte, war im Süd' ein Stern erwacht.

Ein Komet, ein blutig roter, der die Welt mit Brand erfüllt, Ein Komet, der auch des Frißen großen Stern für lang' verhüllt, Ein Komet, der seine Rute schwang ob manchem Volk und Thron, Bis er unterging im Norden, der Komet: Napoleon!

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Der Tag mit seinem ersten Schimmer Umpurpurt alle Höhen schon;

Sie grüßte sonst den Morgen immer
Mit einem Liede vom Balkon;

Er harrt und lauscht mit Farb' und Brette,
Kein Lied ertönt, kein Kopf erscheint;
Die Vöglein jubeln um die Wette,
Der Maler aber geht und weint.

Und wieder mit dem ersten Schimmer
Umglüht der Tag die Alpenhöh'n,
Und wieder lauscht er, wo er immer
In Morgenandacht sie geseh'n;

Doch wieder klingt kein Fenster; wieder Geht er mit leerem Brett und weint; Und Sonnen wandeln auf und nieder, Doch keine Königin erscheint.

Da kann er's länger so nicht tragen, Bis er des Zieles Preis erreicht, Und ist es gleich ein kühnes Wagen, Was macht der Liebe List nicht leicht? Verkleidet meldet an der Schwelle Als welscher Maler er sich an; Und fragt, ob niemand sei zur Stelle, Dem seine Kunst hier dienen kann.

Ein Greis mit silberweißen Haaren Giebt also, weinend, ihm Bescheid: ,,,,Seid ihr in eurer Kunst erfahren, So kommt ihr zur gelegnen Zeit! Hätt' eine Tochter gern getroffen; Kein schön'res Antlig saht ihr je! Sein bleicher Spiegel schildert offen Des Lebens Wohl, des Lebens Weh!""

Der Alte geht voran; der Maler Folgt ihm mit bangem Schauer nach; Die Wand geht auf, da flammt ein fahler, Unsich'rer Schimmer im Gemach. Sie treten ein, auf einer Bahre, Von dreizehn Leuchtern rot umstrahlt, In schneegewob'nem Braut-Talare Liegt eine tote Frau'ngestalt.

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Die malt!"" entwankend ruft's der Alte Und läßt den Maler stumm zurück; Der ahnend, was der Sarg enthalte, Stürzt hin- ja — er enthält sein Glück! Ja, er enthält sein Glück, sein Streben, Das Bild, für das er alles bot: Drum, konnt' er's malen nicht im Leben, Wohlan, so kann er's doch im Tod!

Und wie erfaßt von Wahnsinnsfeuer, Langt er nach Pinsel, Farb' und Brett, Und zieht mit stierem Aug' den Schleier Vom Liebchen auf dem Leichenbett; Und Stirn und Lock', und Mund und Züge Ahmt seine Hand, wie spiegelnd, nach: Die Stirn, die einst des Frohsinns Wiege, Den Mund, der einst so lieblich sprach.

Zum Auge kommt er nun, zum Auge, Das einst geglüht in sel'ger Lust; Er starrt es an, und zuckt, als sauge Ein eis'ger Krampf ihm an der Brust. Geschlossen ist das Aug', das dunkle, Geschlossen ist's und geht nicht auf; Kein Kuß hilft, daß es wieder funkle, Vergebens strömt er Thränen drauf.

Und wieder rafft er sich zusammen Und malt, was war, statt dem, was ist; Das Aug' mit seinen alten Flammen, Die, wem sie galten, nicht vergißt; Die Lippen mit den vor'gen Rosen, Die Wangen mit dem vor'gen Rot: Und raubt sein Recht dem schonungslosen Und seine Macht dem mächt'gen Tod!

Vollendet ist das Bild, vollendet; Der Meister traut sich selber kaum; Wie Stein, kniet er ihm zugewendet, Und wacht nicht auf aus seinem Traum; Starr bleibt er so noch manche Stunde, Das Knie gebeugt, das Auge mild, Und küßt noch tot, mit kaltem Munde, Sein erstes und sein lettes Bild.

Der tote Soldat. *)

Auf ferner fremder Aue Da liegt ein toter Soldat, Ein Ungezählter, Vergeßner, Wie brav er gekämpft auch hat.

*) Aus deutschen Lesebüchern III, 454.

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Es reiten viel' Generale Mit Kreuzen an ihm vorbei; Denkt keiner, daß, der da lieget, Auch wert eines Kreuzleins sei.

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Ich trage, wo ich gehe, stets eine Uhr bei mir;
Wie viel es geschlagen habe, genau seh' ich an ihr.

Es ist ein großer Meister, der künstlich ihr Werk gefügt,

Wenn gleich ihr Gang nicht immer dem thörichten Wunsche genügt.

Ich wollte, sie wäre rascher gegangen an manchem Tag;
Ich wollte, sie hätte manchmal verzögert den raschen Schlag.
In meinen Leiden und Freuden, in Sturm und in der Ruh,
Was immer geschah im Leben, sie pochte den Takt dazu.

Sie schlug am Sarge des Vaters, sie schlug an des Freundes Bahr',
Sie schlug am Morgen der Liebe, sie schlug am Traualtar,

Sie schlug an der Wiege des Kindes, sie schlägt, will's Gott, noch oft,
Wenn bessere Tage gekommen, wie meine Seel' es hofft.

Und ward sie auch manchmal träger, und drohte zu stocken ihr Lauf,
So zog der Meister immer großmütig sie wieder auf.

Doch stände sie einmal stille, dann wär's um sie gescheh'n,

Hein and'rer, als der sie fügte, bringt die zerstörte zum Geh'n.

Dann müßt' ich zum Meister wandern, der wohnt am Ende wohl weit,
Wohl draußen, jenseit der Erde, wohl dort in der Ewigkeit.
Dann gäb' ich sie ihm zurücke, mit dankbar kindlichem Flehn:
„Sieh', Herr, ich hab' nichts verdorben, sie blieb von selber steh'n."

Johann Gottfried Seume.

(Geschichte der deutschen Nationallitteratur § 63).

Der Wilde.*)

Ein Kanadier, der noch Europens Uebertünchte Höflichkeit nicht kannte, Und ein Herz, wie Gott es ihm gegeben, Von Kultur noch frei, im Busen fühlte, Brachte, was er mit des Bogens Sehne Fern in Quebecks übereisten Wäldern Auf der Jagd erbeutet, zum Verkaufe. Als er ohne schlaue Rednerkünste, So wie man ihm bot, die Felsenvögel Um ein Kleines hingegeben hatte, Eilt er froh mit dem geringen Lohne Heim zu seinen tiefbedeckten Horden In die Arme seiner braunen Gattin.

Aber ferne noch von seiner Hütte Ueberfiel ihn unter freiem Himmel Schnell der schredlichste der Donnerstürme.

Aus dem langen, rabenschwarzen Haare Troff der Guß herab auf seinen Gürtel, Und das grobe Haartuch seines Kleides Klebte rund an seinem hagern Leibe. Schaurig zitternd unter faltem Regen Eilt' der gute, wackre Wilde In ein Haus, das er von fern erblickte. Herr, ach laßt mich, bis der Sturm sich Leget," Bat er mit der herzlichsten Geberde Den gesittet seinen Eigentümer, „Obdach hier in eurem Hause finden!" ,,,,Willst du mißgestaltes Ungeheuer, Schrie ergrimmt der Pflanzer ihm entgegen, "Willst du Diebsgesicht mir aus dem Hause!""

Und ergriff den schweren Stock im Winkel.

*) Lüben und Nace III, 111. Aus deutschen Lesebüchern III, 476.

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