60 Annette Elisabeth, Freiin von Droste-Hülshoff. Der Zimmermann, die Hirten gleich Mit ihrem frommen Liede Die Jungfrau mit dem Lilienzweig Und rings der Gottesfriede. Die junge Der Sternes wunderbar Geleucht Aus zarten Wolkenfloren Ist etwa hier im Stall vielleicht Mutter. ,,Madame, wir haben heut' Mariatag." So hoch im Mond? sie kann sich nicht besinnen. Wie war es nur? - doch ihr Gehirn ist schwach, Und leise suchend zieht sie aus den Linnen Ein Häubchen, in dem Strahle kümmerlich Läßt sie den Faden in die Nadel gleiten; So ganz verborgen will sie es bereiten, Und leise, leise zieht sie Stich um Stich. Da öffnet knarrend sich die Kammerthür, Vorsicht'ge Schritte übern Teppich schleichen. "Ich schlaf' nicht, Rainer, komme her, komm' hier! Wann wird man endlich mir den Knaben reichen?" Der Gatte blickt verstohlen himmelwärts, Küßt wie ein Hauch die kleinen süßen Hände; „Geduld, Geduld, mein Liebchen, bis zum Ende! Du bist noch gar zu leidend, gutes Herz!" ,,Du duftest Weihrauch, Mann." - Ich war im Dom; Schlaf', Kind!" und wieder gleitet er von dannen. Karl Egon Ebert. (Geschichte der deutschen National-Litteratur § 62.) Der Sänger im Palast.*) Ein Sänger tritt, die Harf' im Arme, Durch das Gewühl des Volks hervor Und drängt sich aus dem lauten Schwarme In des Palastes Säulenthor. Gehöhlt und bleich sind seine Wangen, Sein Haar durchschlingt ein grüner Kranz, Sein grau Gewand mit schwarzen Spangen Paßt seltsam auf des Hauses Glanz. Der Höfling wie der Edelknabe Der Schaltsnarr ruft mit kind'scher Posse: Den Sänger macht der Spott nicht wirre, Er lächelt nur ein einzig mal Und schreitet fort, und wird nicht irre, Die Treppe aufwärts in den Saal. Dort sißt der König ernst im Throne, In dunkelpurpurnem Gewand, Auf stolzem Haupt die goldne Krone, Das blanke Schlachtschwert in der Hand. Vor ihm, gebückt in schweren Banden, Ein Mann, dem Qual im Antlig liegt, Einst Herrscher von gewalt'gen Landen, Jezt von des Königs Arm besiegt. Und ringsumber in weitem Kreise Der Rät und Richter hohe Schar, Der Hofmann, Ritter und der Weise Im Goldwams, Panzer und Talar. Da tritt mit sicherm mut'gem Gange Der schlichte Sänger vor den Thron: Herr, wollest horchen meinem Sange Und meiner guten Harfe Ton!" Der König drauf mit finsterm Blicke, Der flammend schießt nach seinem Feind: „Ja, singe mir von Falsch und Tücke, Von allem, was das Herz versteint; Denn eben will ich schwer mich rächen An dem, der mir mein Land zerstört, Ein hartes Urteil will ich sprechen So hart, wie's nie die Welt gehört." Der Sänger zu dem König wieder: „Herr, gern erräng' ich deine Gunst; Doch kenn' ich keine harten Lieder, Der Sang ist eine milde Kunst. Auch sing' ich nicht vor dieser Menge, Mein Lied gehört für dich allein; Entfliehen laß uns dem Gedränge, Dann will ich gern dir willig sein." Da hebt der König sich vom Throne, Er öffnet leis ein still Gemach, Er winkt dem schlichten Liedersohne, Der folgt ihm rasch und freudig nach. Was gönnt der Herr so hohe Rechte Dem überkecken Liedermann, Der nie das Schwert hob im Gefechte, Der nie im ernsten Rate sann? Gilt mehr ein Lied als ein Gerichte, Der Harfner mehr ihm als der Rat; Nun denn, so wähl' er solche Wichte Und bleibe ohne Rat und That!" So murrt's die Reihen auf und nieder, Zu seinem Feind mit nassen Blicken „Zieh' heim!“ so ruft er, „zieh in Frieden Dann bricht er aus der goldnen Krone Die größte Perle flugs heraus: " Nimm hin, o Sänger, dies zum Lohne Und kehr' einst wieder in mein Haus! Die Perle sei ein Bild der Thräne, Der Thräne, die mir heut' entfloß, Als sich der Wohllaut deiner Töne So lindernd mir ins Herz ergoß." Und zu des milden Königs Füßen Stürzt dankend der befreite Feind, Der Sänger neigt mit freud'gem Grüßen Sich vor dem König, geht und weint. Und staunend seh'n ihn alle scheiden Und blicken ihm voll Ehrfurcht nach, Der Höfling selbst muß ihn beneiden, Der so den Sinn des Königs brach. Der Schalksnarr kann nun nimmer scherzen, Er beugt sich vor der Gramgestalt, Er steht mit reuerfülltem Herzen Und ehrt des Liedes Hochgewalt. Der Sänger aber eilt von hinnen, Schwerting, der Sachsen Herzog.*) Der Schwerting, Sachsenherzog, der saß bei Festesmahl, Da schäumten Weine perlend in eisernem Pokal, Da rauchten Speisen köstlich in eisernem Geschirr, *) Leimbach I, 168. Der Dänenkönig Frotho genüber Schwerting saß, So diesem niederhingen von Halz und Brust und Hand, „Sagt an, was soll das deuten? Herr Bruder, gebt mir kund, Warum ihr mich geladen zu solcher Tafelrund'? Als ich herabgezogen aus meinem Dänenland, Da hofft' ich euch zu finden in güldenem Gewand." Herr König, Gold dem Freien, und Eisen für den Knecht! ,,,,Doch, mein' ich, giebt's noch Mittel, zu lösen solches Erz, Ein biedrer Sinn und Glaube, ein hoch und mutig Herz, Das muß den Arm befreien, gefesselt hundertfach, Das muß den Eidschwur löschen und tilgen niedre Schmach!"'"' Als so der Fürst gesprochen, da traten in den Saal Nicht lang', da scholl von unten zu Herrn und Gastes Ohr Ein Knistern und ein Prasseln von Feuerswut empor, Nicht lang', da ward's im Saale gar schwül und sommerheiß, Und: „'s ist die Stund' gekommen," sprach dumpf der ganze Kreis. " Der König will entfliehen, der Herzog hält ihn stark: „Halt! steh' und laß erproben dein ritterliches Mark, Hält es dem rauhen Gegner, der unten prasselt, Stand, Dein sei die Sachsenkrone, dein sei das Sachsenland!“ Und heißer, immer heißer wird's in der weiten Hall', Und lauter, immer lauter erdröhnt der Valken Fall, Und heller, immer heller wird rings der rote Schein, Die Thüre sinkt in Trümmer, die Lohe schießt herein. Da knieen betend nieder die wackern Rittersleut': „Schau' hin, du stolzer Sieger, erzittre, feiges Herz: So löst man Eisenbande, so schmilzt dein mächtig Erz!" Er ruft's und ihn erfasset der Flamme wild Gejaus, Und nieder stürzen alle, und nieder stürzt das Haus. Frau Hitt.*) Wo schroff die Straße und schwindlich jäh Ein nacktes Kindlein lag ihr im Arm ,,Du freundlicher Knabe, du liebliches Dich zieh' ich gewiß nicht groß, Und allem Elend bloß." „Zur Speise hast du ein hartes Brot, Das ein anderer nimmer mag, Und wenn dir jemand ein Aepflein bot, So war es dein bester Tag." Und blickt doch, du Armer, dein Auge hold, So klagte sie bitter und weinte sehr, Voran auf falbem, schnaubendem Roß Die strahlende Herrin war Frau Hitt, Ihr Goldroß hielt die Stolze an ,,Blickt rechts, blickt links hin in die Fern', Gott hüte, daß ich begehren sollt', Was fremde mein Mund nur nennt, Oso gebt mir, gebet, was ihr wollt Und was ihr entbehren könnt!" Da zieht Frau Hitt ein hämisch Gesicht Und neigt sich zur Seite hin Und bricht einen Stein aus der Felsenschicht Und reicht ihn der Bettlerin. Da ergreift die Verachtete wütender Schmerz, Sie schreit, daß die Felswand dröhnt: würdest du selber zu hartem Erz' Die den Jammer des Armen höhnt! Sie schreit's, und der Tag verkehrt sich Und heulende Stürme zieh'n, Den stubenden Falben spornt Frau Hitt- Und plöglich fühlt sie sich selbst so erschlafft, Und gebrochen den kecken Mut, In jeglicher Sehne stirbt die Kraft, In den Adern stockt das Blut. Aus deutschen Lesebüchern III, 512. |