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22. Der frische Ankömmling aus Ländern, die unter dem Drucke der Willkührherrschaft seufzen und wer selbst diesen Druck empfunden hat, ist leicht der Gefahr ausgeseßt, von einem Ertreme in's andere zu fallen, und da seine Begriffe von Menschenrecht und Menschenwürde nicht die gehörige Ausbils dung erlangt haben, Freiheit mit Zügellosigkeit, oder dem Rechte zu thun, was ihm gefällt, zu verwech feln.

Die Freiheit dieses Landes ist die Wirkung sittlichen Gehorsams gegen ein Gesetz, welches seine Bewohner als bindend für sich und Jedermann anerkannten. Sie erlangten diese Freiheit mit männliher Entschlossenheit und genossen ihre Früchte mit weiser Mäßigung. Die Freiheit hier verdankt ihr Entstehen nicht irgend einer plößlichen Aufregung und Aufwallung der Gefühle, sondern einer ruhigen und sorgfältigen Erwägung der Gründe und einem ernsten, tiefgefühlten Verlangen, wahrhaft frei zu werden. Dieses Verlangen nach Freiheit wurde genährt im Kreise einer jeden Familie, in den Schus len und Kirchen und durch eine verständige, leidens schaftslose Presse. Es war der Geist der Selbstbes herrschung und Selbstverleugnung, welcher eine Frucht der Religion ist, wodurch die edlen Patrioten von 1775 und den folgenden Jahren den Sieg über ihre mächtigen Feinde davon trugen; und so lange dieser religiöse Sinn, welcher den Geist erleuchtet und das Leben veredelt, unter ihren Bürgern besteht,

22. The emigrant from a foreign land, who has lived under the oppression of Despotism, is in danger of falling from one extreme into another, and, as he has not been properly' enlightened2 in respect to human rights, and the dignity of man, he is quite apt to regard3 liberty as nothing more or less than recklessness, or the privilege of doing as he pleases.

The freedom of this country is the result of moral obedience to a law, which its inhabitants recognized3 as binding upon them and all men. They asserted this freedom with manly firmness, and enjoyed its fruits with wise moderation. The first appearance of freedom here was caused not by impulse" or feeling, but by a calm and careful consideration of reasons, by an earnest and heartfelt desire to become free indeed. This desire for freedom was nourished at every fireside, in the public schools, and in the pulpit,1o and by a sober11 minded1 press. It was by that self-governing and self-denying13 spirit, which is a fruit of religion, that the noble patriots of 1775, and the following years, gained the victory over powerful enemies; and as long as this spirit of religion, which enlightens the mind and purifies" the life, ex

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2 aufklären.

1 gehörig. losigkeit, Zügellosigkeit. — 5 anerkennen.

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3 betrachten.-4 die Sorg

6 behaupten,

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erlangen.—7 der Untrieb, Drang. — 8 herzlich, tiefgefühlt.

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-9 der Heerd, Kamin. 10 die Kanzel.

- 12 gefinnt.

13 sich selbst verleugnend.

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so lange wird diese große Republik blühen und ges deihen. Glaube Niemand, schon darum ein guter Bürger zu sein, weil er in diesem freien Lande lebe und die Rechte eines freien Bürgers genieße oder weil er in ungemessenen Ausdrücken auf Fürsten und ihre Diener losziehe. Nein, wer frei sein wil muß nicht nur die Früchte von dem Baume der Freiheit essen, sondern auch seine Wurzeln begießen und nicht nur seine Entrüstung gegen jede Unters drückung an den Tag legen, welches eine leichte Sache ist in diesem Lande, sondern seine Liebe zu dieser Union, ihren Geseßen und Einrichtungen, auch durch sein Leben beweisen.

23. Es ist vielleicht für manche Deutsche die Warnung von einer allzu großen Aufregung oder Fanatismus, sowohl in Bezug auf Politik als auf Religion, hier nicht am unrechten Orte.

Unglückliche Menschen sowohl als unglückliche Völker sind hierzu gerne geneigt. Je mehr der Bos den des Rechts und des Glückes` ihnen unter den Füßen weggezogen wird, desto bitterer werden die Worte, womit sie ihren verleßten Gefühlen Luft machen. Je mehr sie den Mangel wirklicher Rechte empfinden, desto mehr sind sie geneigt, sich mit phantastischen Systemen, den Produkten philosophis scher Forschungen, welche auf Erden nie verwirklicht werden können, zu täuschen; und diese Prinzipien pflegen sie mit einer Heftigkeit zu verfolgen und

ists among its citizens, so long will this great Republic flourish and increase. Let no one expect to become a good citizen merely by living in this free country and enjoying the rights of a free citizen, or by abusing' in unmeasured terms Despots and their menials.3 No; whoever wishes to be free, must not only eat the fruits of the tree of liberty, but also water its roots, and not only show his indignation* against oppression, which is an easy matter in this country, but also prove, by his life, his love to this Union, its laws and institutions.

23. It is perhaps a proper place here, to warn many a German against too great excitement and fanaticism, both in matters of politics and religion.

Unhappy men, as well as unhappy nations, are very prone to this. The more the basis of right and hap piness is taken away from under their feet, the more excited become the words, by which they give vent' to their wounded feelings. The more they feel the want of real privileges, the more inclined they are to delude themselves with fanciful systems founded on metaphysical speculation, which never can be realized on earth; and they are apt to maintain these princi

1 schimpfen, lästern. — 2 der Ausdruck.—3 das Gefinde, 4 die Entrüstung. der Gehülfe, Diener.

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5. die Er

bitterung, der Fanatismus. 6 geneigt.-7 die Euft. 8 täuschen. 9 eingebildet, phantastisch.

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festzuhalten, welche mit ihrer Unausführbarkeit in gleichem Verhältnisse steht.

Wie angerecht und lieblos sind doch zuweilen die Urtheile mancher Personen, namentlich solcher, die noch nicht lange im Lande sind, in Ansehung ihrer Mitmenschen und der Zustände ihrer Vergangenheit; wie gerne gefallen sie sich darin, Anderen alle Schuld aufzubürden, während ein Jeder sich selbst zumeist anklagen sollte, und wie leicht verblenden Partheihaß oder religiöse Vorurtheile ihr gesundes Urtheil über Dinge, welche ihnen noch fremd sind und welche sie erst mit Vorsicht prüfen sollten, um sie besser kennen zu lernen.

Möge darum der Geist der Mäßigung, der Beschei denheit und Vorsicht stets über uns walten; möge rege Wißbegierde die Stelle eines vorschnellen Urtheils ersehen; möge Eintracht und Wohlwollen alle Herzen verbinden und der Wunsch, Gutes zu thun, die bösen Geister des Hasses und der Zwies tracht für immer entwaffnen!

24. Nichts aber erhält den Geist freier von den verderblichen Einflüssen der Außenwelt und schüßt ihn mehr vor Versuchungen, als Ordnung und Einfachheit in der Lebensweise, Genügsamkeit und Mäßigkeit in allen Genüssen; kurz, eine strens ge Zucht in Ansehung des Körpers, — und diese thut vielen unserer Landsleute noth.

Die in Deutschland unter allen Ständen, zumal den gebildeteren, herrschende Genußsucht trägt nicht

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