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Nun sieht er, doch zu spät, das helle Leipzig nah.
Er merkt, daß Raufbolds Blick mit Lust Paläste sah.
Ha! (dacht er bei sich selbst) denkst du wol hier zu bleiben?
Verräther! meine List soll dies schon hintertreiben!
Wie leicht vergäßest du den Renommistenstand,

Und würdest auch ein Narr, gepudert und galant.

Nein! dies erlaub ich nicht. Er sagts, und lähmt dem Pferde

Den linken Hinterfuß; er stürzt, und fällt zur Erde.
Sogleich springt Raufbold ab, und schreit voll Rachbegier:
Auch du noch fällst mir um, du canalljöses Thier?
Er flucht, und peitschet es mit mörderischen Händen;
Doch es lag, wie es lag, entkräftet, lahm an Lenden.
O! (schrie er unmuthsvoll in seiner Peitsche Knall)
Wärst du, o Bestie, doch in des Philisters Stall,
Der dich nichtswürd'gen Gaul zum Schimpfe mir gegeben,
So möchtest du allda verrecken oder leben!

Indem sah ihn Calmuck mit matten Augen an,

Als spräch er: Schone mich, da ich nicht laufen kann!
Zwar Raufbold streichelt ihn, daß er zu stehn begonnte;
Doch war er so geschwächt, daß er kaum schreiten konnte.
Also geht er gespornt lautdonnernd neben her,

Und führt den müden Gaul vom Mantelsacke schwer.
Die Stiefeln drücken ihn, doch er muß sich bequemen,
Bis dicht an Leipzigs Thor den Weg zu Fuß zu nehmen.
Hier sieht zulezt Pandur, daß sich sein Hannibal
Troß aller seiner List und troß Calmuckens Fall
Nach Capua doch wagt; er heilet auf der Brücke
Calmuckens lahmen Fuß und flucht auf das Geschicke.

Doch Raufbold sezt sich auf, sprengt muthig durch das Thor,
Legt sich wie ein Husar mit halbem Leibe vor,

Und spornt Calmucken an, der in der Angst es wagte,
Und voll Verzweifelung mit ihm durch Leipzig jagte.

Der wilden Peitsche Knall betäubt die Straße ganz
Die Schatten herrschten schon, doch der Laternen Glanz
War an den Wänden hier, was dort an Himmelssphären
Bestrahlte Welten sind, die Dunst und Nacht verklären.

Zum blauen Hecht trug ihn Calmucks geschwinder Lauf.
Ein eignes Zimmer nahm den wilden Fremdling auf.
Er segte sich, und warf mit grimmiger Geberde
Den Degen auf den Tisch, die Handschuh auf die Erde.
Armsel’'ger, (ruft er aus) in Leipzig bist du nun!
Ja hier, wo alles ruht, wird auch dein Degen ruhn!
Wer wird dich Renommist allhier zu nennen wagen,
Hier, wo man fast nicht weiß, daß Bursche Degen tragen?
! wie beseufz' ich nicht mein widriges Geschic,

Denk ich, mein Jena, noch an deine Lust zurück!

O Schicksal! wär es doch dein mir geneigtrer Wille!
Doch Schnurren, doch Pedell hier schwieg er plöglich stille,
Und warf sein schweres Haupt in seine tapfre Hand.
Die starren Augen sahn verwirret nach der Wand;
Der Hut, den er ergrimmt tief in die Augen rückte,
Verrieth des Kummers Last, der ihn im Herzen drückte.
Drauf greift er mit der Hand an den geschärften Stahl,
Der auf dem Tische lag, zieht ihn, und wegt dreimal.
Aus dem zerrißten Gips schlug funtenreicher Schimmer,
Und wüthend schleudert er ihn in das öde Zimmer.

Indem tritt voller Furcht die Jungemagd herein;
Jhr Angesicht erblasst bei seines Degens Schein.
Befehlen Sie etwas?

Kennst du die Krone wol?

Er sprach mit wilden Mienen:

Sie sagt: mein Herr, zu dienen!
So geh dahin (fuhr er mit rauhem Basse fort),
Und bringe dies Billet an den bestimmten Ort.
Allein du sollst durchaus nicht meinen Namen sagen:
Ich bin incognito! Sei stumm bei ibren Fragen.
Sie eilt mit Schrecken fort. Die Stimme, die es sprach,
Ließ in der feigen Brust ein still Entseßen nach.
Doch die Gesandtschaft schien ihr angenehm und wichtig;
Die alte Fris ward zum erstenmale flüchtig;
Zum erstenmal verlor der jüngferliche Gang,
Bei Eil' und Dämmerung, den affectirten Zwang.

An drei Jenenser war die Einladung gerichtet.
Sie waren alle drei als Brüder ihm verpflichtet.
Dies Kleeblatt, welches er auf Schulen schon gekannt,
Verknüpft in Jena noch ein vestes Freundschaftsband.
Sie waren seines Ruhms und seines Glücks Achaten,
Berühmt, wie er, durch Bier und Renommistenthaten,
Auch relegirt, wie er, noch immer roh und wild,
Und auch in Leipzig noch der Jen'schen Freiheit Bild.
Wer sich nur unterstund sie kühnlich anzublicken,
Den drohte schon voll Wuth ihr Auge zu zerstücken.
Ihr Stichblatt, das die Hand an ihrem Degen deckt,
War wie Medusens Schild, der mit dem Ansehn schreckt;
Ein Stichblatt eigentlich, in Noth ein Suppenteller;
Und wer es sah, ging auch in pan'schem Schrecken schneller.
Bei ihnen hieß vergnügt so viel als wild und toll,
Drei Lasen waren stets von Wurzner Nasse voll.
Ihr Singen war ein Schrein, und ihre Freude Raufen;
Sie hassten Buch und Fleiß, und ihr Beruf war Saufen.

In Jen'scher Lebensart traf sie das Mädchen an.
Sie opferten mit Schrein dem Baccchus und Vulkan,

Und saßen hoch und stolz, gleich unterird'schen Göttern,
Bei einer Flut von Bier in Wolken und in Wettern.
Ein jeder las erstaunt und jeder fragt und rieth,
Was für ein Fremder sie noch nach dem Hecht beschied;
Allein des Schicksals Buch blieb unerklärt verschlossen.
Sie warfen alle sich halb taumelnd und verdrossen
In ihren Oberrock, und eilten in den Hecht.
Die Stubenthür ging auf.
Sogleich sprang jeder zu.
Der Teufel hole mich! er

Wie? Bruder, seh' ich recht?
Ja, Bruder, schrie ein jeder,
ist's, wir sehn ihn wieder.

Es drückt sich Mund auf Mund, es rasselt Bart an Bart,
Und jeder steht erstaunt ob seiner Gegenwart.

Kerl (sprach zulezt von Torf), wie kömmst du angezogen!
Die Manichäer sind gewiß von dir betrogen!

Du bist ein Teufelskerl! So manchen armen Tropf
Brellt und beziehet schon dein canalljöser Kopf.
Doch du bist relegirt, ich wollte wol drauf schwören!
Mich dünkt, das Vögelchen hab' ich schon singen hören.
Doch sage mir, warum liegt alles um dich her?

Warum der Degen bloß? was soll dies Mordgewehr?

Er schwieg, und Raufbold sprach: Lasst euch zusammen nieder!
Sie thaten's; er fuhr fort: Ihr wisst es, werthen Brüder,
Wie oft mein muth'ger Arm für Jena sich gewagt,
Wie oft die Schnurren euch, wie oft ich sie gejagt;
Jhr wisst, wie sorgsam ich für unsre Freiheit wachte,
Wenn sie ein neu Edict uns zu entreißen dachte;
Dafür hab' ich den Lohn. Ja - ich bin relegirt!
Warum? weil ich mein Amt mit Ehr' und Ruhm geführt.
Dreimal hatt' ich mich nun auf offnem Markt geschlagen,
Und dreimal hatt' ich auch den Sieg davon getragen!
Kein andrer war, wie ich, im Stoß und Hiebe schnell;
So kömmt Beelzebub im schielichten Pedell;

Man forderte mich vor, ich musste höllisch schwigen;
Ich bot zwölf Thaler an,

Ich sollt', ich musste fort.
Und die Philister sind von

nichts konnte mich beschüßen.

Gleich ward mein Pferd bestellt,
mir verflucht geprellt,

Nun bin ich, wie ihr seht, in dieses Nest gekommən.
Zwar hab' ich mit Verdruß den dummen Weg genommen,
Allein was war zu thun, ihr waret alle hier;

Bleib ich nun, oder nicht? Sagt, Kerls, was rathet ihr?

Wie, wenn ein großes Volk von Rednern wird beweget,
Sich der zu der Partei, der zu der andern schläget,
Ein murmelndes Getös die stille Luft durcheilt,
Die Zwietracht drauf das Volk in zwo Parteien theilt,
Davon die eine will, was jener Mund verneinet,
Bis sich zulezt das Heer der Streitenden vereinet:

So war auch hier der Streit; es folgte Wort auf Wort.
Der eine sprach: Bleib hier; der andre sprach: Zieh fort!
Doch Raufbold selber war schon insgeheim entschlossen,
Aus Leipzig nicht zu gehn, bis er es recht genossen.
Zulegt fing Banner an: Hört, was mein Anschlag ist!
Herr Bruder, höre zu! Du bist ein Renommist;
Dies ist genug; bleib hier, es wird dich nicht gereuen;
Du kannst den Leipzigern Staub in die Nase streuen.
Wie? (fiel ihm Krach in's Wort, vom Daries gelehrt,)
Zwei Dinge werden wir nie völlig ähnlich finden,
Denn das, was ist, das ist. Wer kann mich überwinden?
Wenn unser Raufbold bleibt, so weiß ich alles schon,
So ist die ratio sufficiens davon

Pedante! (rufte Torf) laß deine magern Schlüsse,
Wär' es ein Wunder wol, daß die Geduld uns risse?
Herr Bruder Raufbold, thu, was dir am klügsten dünkt,
Jezt ist der beste Rath, sezt euch, ihr Narr'n und trinkt!
Und trinkt, und trinkt! (schrien
Und sauft, und saufet euch bis
Sogleich brüllt Raufbold laut:
Der in den krummen Arm zwo
Er brachte Bier, Taback, zwo Karten und vier Pfeifen,
Und ein kostbares Stück, ein Paßglas mit zween Greifen,
Zween Vögeln, die so oft die Chroniken geziert,
Und oft im Alterthum mit Rittern Krieg geführt.
Sie zierten dieses Glas, wie sie ein Pfeil verfehlet,
Und sie ein Ritter dann mit seiner Lanz' entseelet.
Nun Brüder! (rief der Wirth,) zieht eure Jacken aus,
Denn heute geb' ich euch den Jen'schen Abschiedsschmaus.
Er sagt's, und alsobald lag auf dem Nebentische
Stod, Kleider, Handschuh, Hut, in seltsamem Gemische.
Er sezt sich oben an, und ruft: Auf! folget mir!
Und alsobald füllt er das große Glas mit Bier,
Und säuft dem ersten zu auf's Wohlsein der Scharmante,
Ein Mädchen, welches er dem Namen nach kaum kannte.
Den Schlüssel von der Thür hielt er, dem Zepter gleich,
Als Hospes in der Hand, und gab in seinem Reich
Ein heiliges Gesez, ohn Abziehn auszutrinten.
Oft ließ sein Richterarm den schweren Schlüssel sinken.
Weh dem, der dies Gesez als ein Rebelle brach!
Wenn er das Donnerwort, pro pöna, zu ihm sprach,
So müsst ein neuer Strom in seine Kehle fließen;
Sonst stand er in Gefahr, sein Mädchen einzubüßen.
Das Bier bewies die Kraft, der falsche Wiz fing an,
Und alle prahlten nun Schandthaten, nicht gethan.
Taback und Saufen macht, daß die sich Freunde nennen,

auch die andern um die Wette,)
morgen in das Bette!

Schafft Bier! der Hausknecht kam, grüne Lasen nahm.

Die nach dem wilden Schmaus sich oft nicht wieder kennen.
Mein Seele (sprach von Torf), den Ruhm hat diese Stadt,
Daß fie, bei allem Zwang, doch schöne Menschen hat!
Ich habe nie mich viel mit ihnen abgegeben;
Allein ihr Brüder, hoch! und lasst Selinden leben.
Vivat Selinde hoch! brüllt tief ihr rauher Schlund,
Vivat Selinde hoch! schreit noch einmal ihr Mund;
Zum drittenmale hoch! Das ganze Zimmer schüttert,
Daß auf dem nassen Tisch das grüne Paßglas zittert.
Wie nach Homer's Bericht, wenn in dem Trojerstreit,
Mars, gleich zehntausend Mann, aus Schmerz der Wunde schreit,
Das ganze Heer erbebt, nebst Bergen, Thal und Felsen;
So bebt die Stube hier von vier Studentenhälsen.
Drauf malt Torf ihr Gesicht mit solcher Anmuth ab,
Daß eines jeden Fluch ihm brausend Beifall gab.
Der Renommist verseßt, der insgeheim entbrannte;
Ich wähle sie hiermit mir selber zur Scharmante.
Den Teufel auch! (sprach Torf, der ungern sie verlor,)
Doch Raufbold schwur alsbald ihm zwanzig Ganze vor.
Torf holte sie nicht nach; die Kraft betrog sein Hoffen,
Und Leipzigs Krone ward dem Feigen abgesoffen.
Es steigt zu gleicher Zeit ein schwarzer Tabacksduft
Aus langen Röhren auf, und trübt die dicke Luft.
Die Wirbel drehen sich auf wunderbare Weise,
Wie in Cartesens Luft die länglicht runden Kreise.
Der Wächter singt zwei Uhr. O unbarmherz'ger Ton!
Oneid'scher Seigerschlag, warum störst du sie schon!
Doch man gehorcht ihm nicht, und lässt ihn pereiren,
Und seinen Nachtgesang nachspottend nicht vollführen.
Man trank nach altem Brauch, mit Schwüren voller Kraft,
Auf die Bestätigung der alten Brüderschaft.
Zum Zeichen ew'ger Treu ward jeder Hut durchstochen,
Und mit Geschrei und Lärm jedwedes Glas zerbrochen.
Nun, Brüder, ist es Zeit, brecht auf, es ist vier Uhr;
(So sprach von Torf, als er von seinem Stuhle fuhr,)
Lasst uns zu Hause gehn, der Schlaf scheint sich zu regen.
Man taumelt auf, und sucht Stock, Kleider, Hut und Degen.
Toch eh' man gänzlich schied, so füllte man das Glas
Noch einmal oben an mit braunem Gerstennaß.

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Es lebe Jena hoch! Torf trank; im Augenblicke
Zertrümmert er das Glas in tausend kleine Stücke.
Krach nimmt den ganzen Rest der Pfeifen in die Hand,
Und schleudert wie ein Zeus sie donnernd an die Wand,
Daß der zerbrochne Thon fast alle Winkel füllte,
Und des Zerstörers Wuth erst durch Ruinen stillte.
Ebeling, Gesch. d. kom. Literatur. 1. 3.

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