Imágenes de páginas
PDF
EPUB
[ocr errors][ocr errors][ocr errors][merged small][merged small]
[ocr errors]
[ocr errors]

Wir haben die beiden Dichtungsarten untersucht, die sich unter die Eintheilungen im zweiten Hauptstück nicht zu be

[ocr errors]

quemen schienen. Wir gehen jetzt die verschiednen Glieder dieser Eintheilungen durch; und da wir an der Fabel schon eine Art didaktischen Gedichts haben kennen lernen, so machen wir gleich mit diesem den Anfang.

Der Stoff des didaktischen Gedichts sind, wie schon gesagt, allgemeine Wahrheiten. Man kann, nach dem Beispiel

[ocr errors]

des Salomo oder Theognis,

einzelne

Sätze und Sprüche häufen, die weiter in

keiner Verbindung stehn, als dafs sie alle

[ocr errors]

*

zu einerlei Wissenschaft gehören; aber man läuft bei dieser Art des Vortrags Gefahr, den Geist durch das zu viele Einzelne zu ermüden. Sowie, in der epischen und dramatischen Gattung, Eine durchgeführte Handlung dem Geiste mehr und leichtere Beschäftigung und mithin mehr Vergnügen giebt, als eine unzusammenhangende Reihe einzelner Gemälde und Auftritte; ebenso giebt auch in der didaktischen, Eine ganze Reihe von Wahrheiten mehr und leichtere Beschäftigung und mithin mehr Vergnügen, als eine willkürliche Zusammenhäufung einzelner Sätze und Maximen. Das einemal läuft man gleichsam auf einer sanft abhangenden Fläche fort, wo jeder folgende Schritt

durch den vorhergehenden schon so vorbereitet ist, dafs es oft weniger Mühe kostet ihn zu thun, als ihn anzuhalten; das andremal steigt man gleichsam eine sich erhebende Fläche hinan, wo jeder Schritt von neuem die volle Anstrengung des ersten kostet, und man ohne Unterlafs ausruhen mufs, um wieder Kraft zu gewinnen.

Die weitere Eintheilung der didaktischen Gedichte, durch nähere Bestimmung des Stoffs, macht sich sehr leicht; aber sie hat in der Theorie zu wenig Einflufs, als dafs wir uns hier dabei aufhalten sollten. Wir wollen lieber die ganze Dichtungsart nur im Allgemeinen betrachten; doch immer mit vorzüglicher Rücksicht auf die philosophischen Lehrgedichte, die, in mehr als einer Absicht, von allen die wichtigsten sind... 263 55

Die erste Frage die wir hier zu beantworten haben, ist folgende: Wenn der Stoff des Lehrgedichts allgemeine Wahrheiten sind, und wenn die Dichtkunst die Lebhaftigkeit der Vorstellungen zu ihrem höchsten Endzwecke hat; wie kann alsdann das Lehrgedicht wahres Gedicht seyn?

Freilich, wenn die Wahrheiten darin so trocken vorgetragen, die Begriffe so logisch analysirt, die Beweise so Schritt. vor Schritt geführt würden, wie in eigentlich wissenschaftlichen Werken; so wäré das der Lebhaftigkeit durchaus zuwider. An der Fabel haben wir schon ein Beispiel gesehen, wie man das Allgemeine in lebhafte Vorstellung verwandeln kann: durch Zurückführung nehmlich auf einen einzelnen Fall, in dem es klar und anschauend erkannt wird. Ist nun aber der Dichter blofs auf dieses Mittel einge

schränkt? oder giebt es der Mittel, die Ideen lebhaft zu machen, noch mehrere?

- Wir wollen aus unserm ersten und berühmtesten didaktischen Dichter eine unstreitig poetische Stelle vornehmen, alles das wodurch sie poetisch ist aufsuchen,* und dadurch den Begriff der Lebhaftigkeit, den wir im ersten Hauptstück zu eilig verlassen haben, weiter aufzuklären suchen.

Einst, da ich eine Nacht, wie Ärntetage lang, Mit Gram und Ungeduld im leeren Bette rang, Wann öde Schatten uns das Unglück schwärzer machen,

Und Unholdinnen gleich die Sorgen mit uns

wachen;

Schalt die Vernunft mein Herz, das allen Trost

verwarf,

Und sprach in einem Ton, den es nicht tadeln

darf:

Kurzsichtiger! der Gram hat dein Gesicht ver

gället;

« AnteriorContinuar »