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24 HAUPTST. 1. GEDICHT ÜBERH.

sten Augenblicke den treffendsten und glücklichsten Ausdruck; nicht jede Anordnung der Theile bringt gleich gut die abgezweckte Wirkung hervor; nicht alle Ideen sind der Seele gleich angenehm, es sei nun dafs sie sinnlichen Widerwillen erregen, oder das moralische Gefühl beleidigen. Um es kurz zu fassen: nicht alle Ideen, Ausdrücke, und Anordnungen der Theile, sind schön. Es muss also noch der Geschmack hinzukommen, der in dem undeutlichen Urtheile über die Schönheit besteht. Kritik ist eben dieses Urtheil, entwickelt und deutlich gemacht; oder kürzer: der räsonnirte Geschmack.

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ZWEITES HAUPTSTÜCK.

Von den verschiedenen Dichtungs-,

arten.

Wir haben, in dem vorhergehenden Hauptstück, verschiedener Dichtungsarten erwähnen hören. Von diesen Dichtungsarten hat schon ein Jeder der nur nicht ganz unbelesen ist, einen ungefähren Begriff, welcher blofs etwas mehr braucht aufgeklärt und genauer bestimmt zu werden. Wir wollen also nun ausdrücklich fragen: Worin besteht der Unterschied unter ihnen? Lassen sie sich alle unter Eine Eintheilung bringen? Oder sind sie

Glieder mehrerer Eintheilungen, die aus verschiedenen Gründen gemacht sind? Und wenn das letztere ist; welches sind diese Gründe? Um hierauf zu antworten, müssen wir auf gut Glück einige Dichtungsarten herausnehmen, sie vergleichen, und uns Rechenschaft von ihrem Unterschiede geben.

Worin mag also z. B. der Unterschied zwischen einem lyrischen Gedichte und einem Lehrgedichte liegen? Das Lehrgedicht, finden wir, ist eigentlich nur zur Declamation eingerichtet, es ist in einer einförmigen Versart, mit weniger Abwechselung des Sylbenmasses, weniger Schwung, weniger merkbarem Rhythmus geschrieben, als das lyrische mehr sangbare Gedicht. Man vergleiche z. B. die erste Hallersche Stelle mit der zweiten von Uz:

Wohlangebrachte Müh! Gelehrte Sterbliche!

Euch selbst mifskennet Ihr, sonst Alles wifst

Ihr eh.

Ach! eure Wissenschaft ist noch der Weisheit

Kindheit,

Der Klugen Zeitvertreib, ein Trost der stolzen

Blindheit.

Allein, was wahr und falsch, was Tugend, Prah

lerei,

Was falsches Gut, was echt, was Gott und jeder sei:

Das überlegt Ihr nicht; Ihr dreht die feigen Blicke

Vom wahren Gute weg, und sucht ein träumend Glücke.

Mit sonnenrothem Angesichte,

Flieg' ich zur Gottheit auf. Ein Strahl von ihrem Lichte

Glänzt auf mein Saitenspiel, das nie erhabner

klang!

Durch welche Töne wälzt mein heiliger Ge

sang,

Wie eine Fluth von furchtbarn Klippen,

Sich strömend fort, und braust von meinen Lippen?

Sollte denn aber der ganze Unterschied nur hierin, nur in der äussern Einrichtung, liegen? Dann müsste dieser Un

terschied aufhören, sobald man beide Werke, in Ansehung dieser äussern Einrichtung, einander ähnlich machte. Aber wir finden, dafs ein lyrisches Stück und ein Lehrgedicht auch dann noch ihre Namen behalten, wenn in der Versart kein Unterschied mehr zu machen ist. Folgende Stellen sind beide in Hexametern geschrieben; und doch nennt ein Jeder die erste lyrisch, die andre didaktisch. Eva singt beim Kreuze des Messias:

Du, mein Herr und mein Gott! wie kann ich, du Liebe! dir danken? Ewigkeiten, sie sind zu kurz, genug dir zu

danken!

Hier will ich liegen und beten, bis du dein göttliches Haupt nun

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