Es war ein Glück bei der Gefahr, Mit umgekehrtem Eigensinn Und baut' in niedriges Gesträuche; So scheu macht' ihn der Fall der Eiche! Doch Staub und Würmer zwangen ihn, Da baut' er sich das dritte Haus, Der Fuchs und der Adler. Es lebt' aus Reinekens Geschlechte Ein jung' und eitler Abkömmling, Da lag er nun vor seinem Loche, Sagt, rief er, Höfe, Wiesen, Ställe, A Wer stiehlt, wie ich? Wer sieht so helle? Vertieft in solchen Wunderdingen, O könnt' ich fliegen, wie die Vögel! Mit Lust gäb' ich ein Ohr darum. Itzt legt ein Schufs den Adler nieder, Der Fuchs nimmt es mit Schrecken wahr; Zu fliegen wünscht er nimmer wieder. Je höher Stand, je mehr Gefahr. Liegt dieser Satz wirklich in der Fabel? Oder, mögte ich fragen, liegt irgend ein ein Satz in ihr, wie sie da ist? Bei einer andern Bearbeitung hätte vielleicht eine nützliche Wahrheit hineingebracht werden können; diese nehmlich: dafs man beim aufmerksamen Gebrauch geringerer Vortheile sich besser befinde, als beim nachlässigen Gebrauche der grössern. i mi Damit aber die Wahrheit aus der Geschichte deutlich hervorscheine: so mufs man besonders auf die Einheit der Fabel sehen. Und diese Einheit wird durch den Zweck der Fabel, durch die Eine Wahrheit bestimmt. Alles Fremde, nicht Hingehörige muss vermieden werden; alle einzelnen Theile müssen zur Erreichung des Zweckes mitwirken; alle müssen, so gestellt und verbunden seyn, dass der wahre Gesichtspunct, aus welchem man die Geschichte ansehen soll, niemal verrückt werde. Ist die Fabel zusammengesetzt, Engels Schriften XI. 6 so müssen Bild und Gegenbild in der genauesten Übereinstimmung stehen. Vielleicht fehlt diese genaueste Übereinstimmung in folgender kleinen Fabel...! Ich Ein Esel vermals sich, mit einem Jagdpferde in die Wette zu laufen. Die Probe fiel erbärmlich aus, und der Esel ward ausgelacht. merke nun wohl, sagte der Esel, woran es ge legen hat: ich trat mir vor einigen Monaten einen Dorn in den Fuss, und der schmerzt mich noch. Entschuldigen Sie mich, sagte der Kanzelredner Liederhold, wenn meine heutige Predigt so gründlich und erbaulich nicht gewesen, als man sie von dem glücklichen Nachahmer eines Mosheim erwartet hätte. Ich habe, wie Sie hören, einen heisern Hals, und den schon seit acht Tagen. LESSING. In die Kritik des Einzelnen wollen weit wir uns nicht einlassen, um nicht zu läuftig zu werden. Man lese die sämmtlichen angeführten Stücke noch einmal, und beantworte sich im Lesen folgende Fragen: Hat der Dichter nie zu weit ausgeholt? nie die Erzählung mit unnützen Umständen erweitert? hat er sie nie mit falschem Schmuck überladen? Hat er überall den kürzesten, treffendsten, eigentlichsten Ausdruck gewählt? Ist seine Sprache nirgend zu kostbar? oder zu niedrig? zu poetisch, oder zu matt? Hat er den Charakter getroffen? Ist er nirgend durch Zweideutigkeiten, oder durch unrichtige Verbindungen, oder durch verwickelte Wortfügungen dunkel geworden? - Am besten thut man, wenn man sich in der Kritik üben will, man nehme den Lichtwehr zur Hand. Statt hier Beispiele von Fehlern zu häufen, die man nur allzuhäufig antrifft, |