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Druck von Kastner & Callwey, München

Ger, Curr, Haus. 8-18-25

145141

LESSING

,,Ich befinde mich hier in Frankreich. Man spricht nur unsere Sprache. Das Deutsche ist für die Soldaten und für die Pferde." So schrieb Voltaire im Jahre 1780 von Potsdam nach Paris. Eine deutsche Kultur gab es schon lange nicht mehr. Es gab Höfe und Hofstaaten, Untertanen, Geistliche und Beamte, es gab Offiziere und verarmte, rechtlose Bürger. Die Quellen der Dichtkunst flossen spärlich. Durch Gründung von Dichtergesellschaften und moralischen und ästhetischen Wochenschriften suchte man vergeblich, den Mangel an Schöpferkraft auszugleichen.

Der große Krieg hatte die Menschen taub gemacht. Es gibt einen Grad des Leidens, der zu stark ist, um noch literarische Formen annehmen zu können. Wo aber das Genie dann dennoch zum Durchbruch drängt, hat es eine innere Gewalt, der das Wort nur in seltensten Fällen gewachsen ist, weit eher schon die Musik. Bachs Kunst war das herrliche,,Und doch!" des deutschen Menschen. Schlüters Berliner Schloßbau sprach in Quadern und Säulen eine ähnlich gewaltige Sprache. Wo die Feder aus der gewaltigen Erregtheit der Zeit heraus Lebendiges schildern wollte, ward rohe Hauptund Staatsaktion draus oder brünstig-bombastisches Erotikon mit wahl- und zahllos eingestreuten mythologischen Scheinquadern. Bücher wie Grimmelshausens ,,Simplizissimus" waren unerhörte Seltenheiten und blieben im späteren siebenzehnten wie im achtzehnten Jahrhundert ohne Nachfolge. Die Dichtung versiegte so

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