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Sechster Zeitraum.

Von Wiederaufblühn der Sprache in der ersten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, von Haller, Hagedorn und dem Kampf der Schweizer und Leipziger, oder von Klopstocks Messias bis zur höheren Blüthe der Literatur durch Klopstock und Lessing und Herder's und Göthe's Auftreten. In der Poesie Klopstocksches Zeitalter.

Von 1720 (1740. 1748) bis etwa 1770.

(Nationalliteratur aus dem Kampfe mit französischem Geschmack hervorgehend.)

A. Poesie.

1. Erste Morgenröthe des Bessern und Kampf der Leipziger und Schweizer.' (Übergangsgruppe bis 1740.)

1. Albrecht von Haller. 1708-1777. (§. 111. des Leitfadens.)

Albrecht von Haller, geb. den 16. Oct. 1708, war der jüngste Sohn des reichen und angesehenen Patriciers und Advocaten Niklas Emanuel Haller in Bern. Früh kränklich und von fröhlichen Spielen ausgeschlossen zeigte sich doch große Wissbegierde und Fleiß bei ihm. Schon im sechsten Jahre lernte er lateinisch), im neunten griechisch und hebräisch und verfertigte, durch Bayles Wörterbuch angeregt, über tausend kleine Le bensbeschreibungen. Vom zehnten Jahre an besuchte er die Schule in Bern und fing hier, wo er Lohnsteins Gedichte kennen lernte, schon an Verse zu machen, welche er späterhin vernichtete. Nach des Vaters Tode

1. Zu vergleichen Manso im 8. Bd. der Nachträge zu Sulzers Theorie u. f. f.

Pischon Denkm. IV.

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bezog er das Gymnasium zu Biel, wo er, von den trocknen Vorlesungen über Cartesianische Philosophie abgeschreckt, sich mehr Privatstudien hingab und unglaublich viel las, excerpirte und sammelte. Das Lesen der Dichter und die Reize der Natur um seinen Wohnsitz erweckten seinen Dichtergeist immer mehr und er entwarf, als Nachahmer Homers, ein Epos über den Ursprung des Schweizerbundes in 4000 Versen. Auch Trauerspiele, Hirtenspiele und Übersetzungen beschäfftigten ihn. Sein Aufenthalt bei einem Arzte in Biel entschied seine Vorliebe für medicinische Studien und er ging, schon im funfzehnten Jahre seines Alters, nach Tübingen um Arzneikunde zu studiren. Anatomie und Botanik zogen ihn vornehmlich an, und 1725 vertheidigte er eine medicinische Abhandlung seines Lehrers Du Vernoy. Um sich manchem ihn drückenden und zu mancherlei Thorheiten verleitenden Umgange zu entziehen ging er von Tübingen nach Leiden, welches durch seine ärztlichen Lehrer Boerhaave und Albinus ausge zeichnet war, und wo auch Haller den Hauptgrund seines umfangreichen medicinischen Wissens legte. Auch den Anatomiker Ruysch in Amsterdam besuchte er und gab sich bis zur Zerrüttung seiner Gesundheit den Studien hin. Er wurde 1727 im neunzehnten Jahre seines Alters Doctor der Medicin in Leiden und reiste nun, wie er schon früher Deutschland gesehen hatte, nach England und Frankreich, worauf er in Basel unter dem berühmten Mathematiker Bernouilli aufs eifrigste höhere Mathematik studirte und sich dann mit allem Eifer auf Botanik legte und mit seinem Freunde Joh. Geßner eine botanische Reise von mehr als zweihundert Meilen durch die Schweizergebirge unternahm, welche seine „Beschreibung der Schweizerpflanzen" und sein Gedicht „die Alpen" veranlasste. Als er sich nun als praktischer Arzt 1729 in Bern niederließ, wo er sich mit der liebenswürdigen und edlen Mariane Wyß am 19. Febr. 1731 verheirathete, fand er hier nicht die verdiente Anerkennung, und obwohl die Gesellschaft der Wissenschaften zu Upsala ihn 1713 zu ihrem Mitgliede ernannte, blieb er in Bern fünf Jahr lang ohne öffentliches Amt, bis er 1735 als Arzt bei einem Hospital und als Bibliothekar angestellt wurde. Bald aber eröffnete sich ihm ein größerer Schauplatz seiner Wirksamkeit, als er nach manchem Kampfe mit seiner Liebe zur Heimath, dem Rufe zur Professur der Arzneikunde, Anatomie und Botanik in Göttingen folgte und die rechte Zierde dieser jungen Hochschule wurde. Sehr tief und schmerzlich beugte ihn aber der Tod seiner geliebten Gattinn (am 30. Oct. 1786), wie davon die schöne Trauer: Ode bei ihrem Absterben Zeugniss giebt. Er gab sich nun ganz der Wissenschaft hin und bewürkte die Anlegung eines anatomischen Theaters und eines botanischen Gartens, so wie einer Hebammenschule. Als er sich bei einer Reise nach

1. An demselben Tage am Morgen dichtete er das Gedicht: Morgengedanken, f. Beispiel 1.

seinem Vaterlande 1739 zum zweitenmal mit Elisabeth Bucher, Tochter eines Rathsherren zu Bern vermählt hatte, wurde ihm auch diese Gattinn schon im Februar 1741 wieder durch den Tod entrissen. Eine dritte Ehe war glücklicher und seine Gemahlinn, die Tochter eines Hofraths zu Weimar, blieb seine Begleiterinn durchs Leben. Göttingen wurde nun der Schauplatz seis ner großen Thätigkeit. Unter 86 Schriften, welche er herausgab sind seine Flora der Schweiz in 2 Foliobänden und seine Physiologie besonders zu nennen. An der Herausgabe der Göttingfichen gelehrten Zeithgen nahm er lebhaften Antheil und wurde 1751 der Mitstifter der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften und beständiger Präsident derselben. Auch wurde er der Gründer der reformirten Kirche in Göttingen. Sein Ruf er füllte Europa und er wurde Mitglied der gelehrten Gesellschaften zu Leipzig, London, Stockholm, Wien, Bologna, der chirurgischen und der Akademie der Wissenschaften in Paris und 1749 der in Berlin. Ebenso ernannte ihn der König von Großbritanien 1739 zum Leibarzt, 1743 zum Hofrath, feine Baterstadt Bern 1745 zum Mitglied bes großen hohen Raths, der König Georg 1749 zum Staatsrath und Kaiser Franz I. erhob ihn mit seinen Nachkommen in den Reichsadelstand. Indessen sehnte er sich doch nach seinem Vaterlande und in die Ruhe zurück, wie ihm auch sein Aufenthalt in Göttingen durch mancherlei Kabalen und Feindseligkeiten verbite tert wurde. So vertauschte er 1753 Göttingen mit Bern, wurde dort Ammann und nachher Director der Salzwerke zu Ber und Aigle, welche Stelle er bis an seinen Tod bekleidete und alle Anträge zu bedeutenden Ämtern, wie den Ruf zur Canzlerstelle in Halle 1756 und zu Göttingen 1770 ausschlug. Auch für sein Vaterland machte er sich vielfach verdient, war für die Akademie zu Lausanne thätig und vermittelte die Grenzstreitigkeiten zwischen Bern und Wallis. Seine literairische Thätigkeit war auch noch in seinem Alter sehr lebendig, wie er wohl den ausgebreitesten Briefwechsel unter allen Gelehrten des achtzehnten Jahrhunderts führte. In den lehtern Jahren seines Lebens stimmte ihn sein kränklicher Zustand sehr trübe, wie er überhaupt zur Hypochondrie hinneigte. Er starb am 12. Dezember 1777 im 70. Jahre seines reichen und verdienstvollen Lebens.

Unstreitig gehört Haller zu den allerbedeutendsten Gelehrten und auch dies hat seiner Dichtkunst einen Glanz gegeben, wie er auch zuerst als phi losophischer Dichter der Deutschen auftritt, den Engländer Pope sich als Mu"ster wählend," aber sonst als empfindender Dichter an Lohenstein, wenigstens in früherer Zeit, und Brockes sich anlehnend. Er, wie sein Freund Drollinger, schließen sich auch immer dem Religiösen an, wie es Haller die höchste Beleidigung war, daß der freigeisterische La Mettrie in seiner Bosheit ihm sein irreligiöses Machwerk: l'homme Machine zueignen konnte, und er in den Briefen über die wichtigsten Wahrheiten der Offenbarung" den Glauben gegen Voltaire vertheidigte. Seinem ganzen Wesen nach dem

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Ernste und der tiefen Empfindung sich hingebend, spricht sich uns auch dieser Character überall in seinen Dichtungen aus, während er als Dichter des Verstandes auch immer an den eignen Productionen zu tadeln und zu feilen weiß und zuleßt nicht dreißig seiner Gedichte der Erhaltung würdig schätzt.

Seine Gedichte:,,Versuch Schweizerischer Gedichte" erschie nen bei seinem Leben zuerst 1732 zu Bern und zuleht 1777 als elfte Ausgabe und haben mancherlei Verbesserungen und Veränderungen erhalten. Sie sind ins Französische, Italienische und Englische übersetzt wor den. Noch 1828 erschien eine zwölfte Auflage. -Ferner erschienen von ihm drei Romane:

1. Usong, eine morgenländische Geschichte in vier Büchern, durch den Verf. des Versuchs Schweizerischer Gedichte. Bern 1771. 8. (Noch 4 Aufl. bis 1778.)

2. Alfred König der Angelsachsen, von Albrecht von Haller. Göttingen und Bern. 1773. fl. S.

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3. Fabius und Kato, ein Stück der römischen Geschichte. Bern und Göttingen. 1774. fl. 8.

welche die Vorzüge der unumschränkten Monarchie, der einges schränkten und der Aristokratie darstellen sollen, und unter denen der erste als der ausgezeichnetere gilt. Noch wären zu nennen außer seinen 12,000 Recensionen in den Göttingischen Blättern:

1. Sammlung kleiner hallerischer Schriften. 3 Th. Bern 1772. 8. (3w. Aufl. Erste erschien 1756.)

2. A. von Haller . Tagebuch seiner Beobachtungen über Schriftsteller und über sich selbst. 2 Th. (Herausg. von J. G. Heinzmann.) Bern 1787. 8.

Über ihn find zu vergleichen: Manso in Sulzers Beitr. Bd. 1. Stück 1. S. 118–140. und Bd. 8. St. 1. S. 105 fl., „Leben des Herrn von Haller von J. G. Zimmermann, Stadtphys. in Brugg. Zürich 1755. 8." (Nur bis 1754 reichend) und die Lobreden auf Haller von Balthasar, V. B. Tscharner (Auszug im deutschen Merkur 1778, Junius) und Senebier. Daß Haller im Usong S. 227 bis 233. unter dem Del fu sich selbst verstehen und einen Theil seiner Lebensgeschichte erzählen sollte, scheint nicht sehr wahrscheinlich.

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1. Gervinus sagt: Neuere Gesch. der poet. Nat. Literat. Th. I. Lpz. 1840. S. 43. „während Haller das Seinige gleichgültig liegen ließ." Die Angaben der frühern Lesarten in den späteren Ausgaben seiner Gedichte zeigen doch das Gegentheil.

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