Beispiel 3. Aus dem Lehrgedichte: Unvollkommnes Gedicht über die Ewigkeit. (S. 168.) Unendlichkeit! wer misset dich? Bei dir sind Welten Tag' und Menschen Augenblicke. Wie eine Uhr, beseelt durch ein Gewicht, Der Sterne stille Majestät, Die uns zum Ziel befestigt steht, Eilt vor dir weg wie Gras an schwülen Sommer-Tagen; Wie Rosen, die am Mittag jung, Und welk sind vor der Dämmerung, Ist gegen dich der Angelstern und Wagen. Als mit dem Unding noch das neue Wesen rung, Und, kaum noch reif, die Welt, sich aus dem Abgrund schwung, Eh als das Schwere noch den Weg zum Fall gelernet, Und auf die Nacht des alten Nichts, Sich goß der erste Strom des Lichts, Warst du, so weit als ißt, von deinem Quell entfernet. Wirst du so jung als jest, von deinem Tod gleich weit, Die schnellen Schwingen der Gedanken Wogegen Zeit, und Schall, und Wind, Und selbst des Lichtes Flügel langsam sind, Ermüden über dir, und hoffen keine Schranken. Gebürge Millionen auf; Ich welze Zeit auf Zeit, und Welt auf Welt zu Hauf; Und wann ich, von der fürchterlichen Höhe, Mit Schwindeln wieder nach dir sehe, Ist alle Macht der Zahl, vermehrt mit tausend Malen, Ich zieh sie ab, und du liegst ganz vor mir. O GOTT! Du bist allein des Alles Grund! Du Sonne, bist das Maaß der ungemeßnen Zeit, Beispiel 4. XVIII. Trauer Ode: beim Absterben seiner geliebten Mariane. ፡ Nov. 1736. Soll ich von deinem Tode fingen? Mariane! welch ein Lied! Und ein Begriff den andern flieht. fräftig, Als daß ich von Dir schweigen soll. Ein zärtlich Abbild unsrer Treu. Nicht Reden, die der Witz gebieret, fan. Ja, meine Seele will ich schildern, (S. 177.) Ich seh Dich noch, wie Du erblaßtest, Seele voll der reinsten Triebe! Wo flieh ich hin? ach! gern zu Dir. Du liesfest sie und wähltest mich. DasDein Verdienst und Blut Dir gab, A Dort in den bittern Abschieds: Stunden, Wie Deine Schwester an Dir hieng, schwunden Sie unserm leßten Blick entgieng; Güte, Die mit gelaßner Wehmuth stritt: Wie fan ich ohne Thränen denken Entzückung lößt mit Wehmuth ab. lieben, Das Schönheit, Stand und Guk Wie bald verliesfest Du die Jugend, Und sorgte nicht für Dein Geschick; Entzückt auf einen frohen Blick. Ach! herzlich hab ich Dich geliebet, Mehr als ich selbst vorhin gedacht, Ja, mein Betrübniß soll noch währen, hemmt, Das Herz kennt audre Arten Zähren, Im dicksten Wald bey finstern Buchen, Wie traurig, wann ich Abschied nahm; Wie freudig, wann ich wieder kam. Auch in des Himmels tiefer Ferne, Und forschen weiter als die Sterne, Ein nie am Eitlen fester Wille, Aus: Usong. Eine morgenländische Geschichte. (S. 146.) Usong ließ seinen Persern durch seine Abgesandten wissen, der Kaiser fordere von ihnen bei seiner Vermählung keine Steuer, und keinen Aufwand. Seine Gemahlin sey zu edel gesinnet, als daß sie Feyerlichkeiten verlangen sollte, wobey sein Volk auch nur die Mittel zu seinem eigenen Vergnügen zuseßte. Aber er würde es als ein Zeichen der Liebe der Pers ser ansehen, wenn sie mit Blumen, mit Gesängen, mit Tänzen und mit den Zeichen einer ungekünstelten Freude ihre künftige Kaiserin empfiengen. Die Perser ergriffen mit Freuden die Gelegenheit, an den Tag zu legen, wie feurig sie ihren Kaiser verehrten. Sobald Liosua die persische sche Gränze betreten hatte, reisete sie durch eine ununterbrochene Reihe von grünen Luftbögen, von belaubten Mayen, und von blühenden Bäumen, durch eine triumphsingende Menge fröhlicher Landleute hin. Die ödesten Berge waren mit dem Zulaufe ihrer Unterthanen bevölkert, die ihr den Ruhm ihres Gemahls zurieffen. Die schönsten Töchter der ländlichen Dörfer traten in glänzende Reihen auf beiden Seiten ihres Palankins, und bestreuten sie mit Blumen. Die leutselige Fürstin rief oft die artigsten zu sich, ließ sich sehen und theilte ihnen chinesische Geschenke aus. Der Kaiser war im Feuer seiner Jahre, sein Herz eilte seiner Ge liebten entgegen; aber er wollte den Sitten ihres Vaterlandes nicht zu nahe treten, die keiner Braut zulassen ihrem Bräutigam sich zu zeigen, eh sie getraut ist. Sie kam endlich, die erwartete Schöne, und der Seder 2 1. Sie war die Tochter eines chinesischen Fürsten, in dessen Gefangenschaft Usong früher gewesen und Liosua aus dem Wasser gerettet hatte. 2. wohl Oberpriester. von Persien verband das edle Paar, dieweil Schiras mit unaufhörlichem Freudenzurufe erschallte. Die sittsame Liosua hob nunmehr den Schleyer auf und zeigte dem Usong die Züge der Anmuth, auf denen die Tugend und die Liebe zugleich herrschten. Sie war in ihrer Blüthe, China hatte nichts schöneres gezeugt, aber die edle Seele, die alle ihre Reize belebte, erhob sie über alle Vergleichung. Sie wollte vor dem Kaiser auf die Knie fallen; er umarmte sie aber aufs zärtlichste. Sey willkommen, sagte er, edelste der Gaben des freygebigen Himmels, herrsche ewig über Persien und über das Herz deines Usong. Der Kaiser hatte Schiras zum Wohnplatze seiner Gemahlin ausersehen. Die milde Luft, die schönen Bäche vom reinsten Wasser, die in den Rosen blühende, und in den edelsten Trauben fruchtbare Natur, die lachen den Gärten, der Ueberfluß des vortrefflichsten Obstes, die königlichen Granatbäume, die güldenen Aepfel machten diese Stadt zur angenehmsten in Persien. Usong hatte sie mit starken Mauern wieder den Anfall der Feinde sicher gesetzt. Liosua dachte nunmehr an die Erfüllung ihres Entwurfes. Sie sorgte, daß an dürren Orten, wo kleine Kiesel kein Gras spriessen ließen, Maulbeerbäume in geraden Zeilen ausgefäet würden, die man unter der Zucht der Schere behielt, und wobei erfahrne Chineser die Perser lehren sollten, den Seidenwurm ohne Pflege sich aushecken, sich füttern und sich einspinnen zu lassen. Sie machte sich ein Vergnügen die Anfängerinnen selber in dem Seidenbaue zu unterrichten, und arbeitete ihnen vor. So hatte die Gemahlin des vergötterten Fohi gelebt. 2. Friedrich von Hagedorn. 1708-1754. Friedrich von Hagedorn war den 23. April 1708 zu Hamburg geboren, wo sein Vater als Dänischer Resident im Niedersächsischen Kreise lebte. Er genoß bei den Glücksumständen seines Vaters eine vortreffliche Erziehung, welche seine glücklichen Anlagen frühzeitig entwickelten, verlor jedoch seinen Vater im funfzehnten Lebensjahre, wodurch zwar die Mittel zu seiner Erziehung beschränkter wurden, aber doch Alles von seiner Mutter geschah das angefangene Werk seiner Bildung fortzusehen. Auf dem Gymnasium zu Hamburg waren Fabricius, Wolf und Richey seine Lehrer, und außerdem gewann Brockes, der Naturdichter, Einfluss auf ihn. Alte und neuere Classiker studirte Hagedorn und gewann besonders die neuern fremden Sprachen lieb, daß er selbst französisch und italienisch dichtete. Er studirte die Rechte in Jena von 1726 bis 1729, ging dann nach London und machte sich hier, als Privatsecretair beim dänischen Gesandten, mit der Sprache und Literatur des Landes bekannt, kehrte dann über Brabant und Holland 1701 nach Hamburg zurück und wurde hier nach einer Zeit |