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noch Latein. Von so viel Wufte die deutsche Sprache, Beredtsamkeit und Dichtkunst zu reinigen, das war ja wohl eine Herkulische Arbeit! Wem dieser Ausdruck zu stolz vorkommt, dem kann ich versichern, daß mein Held noch zu einer andern Arbeit des Herkules, zu der dreyzehnten, stark war.

Durch Satiren, die uns jetzt zum Theil weniger belustigen, weil sie ganz vergessene Gegenstände betreffen, durch Schriften, die für ihre Zeiten keineswegs verwerflich sind, brachte Gottsched es dahin, daß die Deutschen wieder anfingen Deutsch und vernünftig zu schreiben. Ich möchte den unter unsern großen Genies und feinen Geistern sehen, der es in eben den Umständen sogleich viel weiter gebracht hätte. Denn, wie Horaz sagt:

,,Der Weisheit erster Grad ist frey von Thorheit seyn."

Die Thorheit erinnert mich an den Harlekin, oder wie es in unsrer deutschen Uebersetzung lautet, den Hans Wurst. Gottsched verbannte ihn von unsern Schaupläßen, und führte die französische Regelmäßigkeit ein. Darin allein bestehen Gottsched's Verdienste um das deutsche Theater, wie sehr richtig bemerkt wird. Nun kann man aber wohl erwarten, daß Derjenige, der dieses bemerkt hat, das deutsche Theater nach desselben jetziger Verfassung durch seine dramatischen Arbeiten um eben so viel verbessert, um so viel es Gottsched damals verbessert hat.

Von Denen, die Gottsched's Kritische Dichtkunst verächtlich nennen, ohne sie je gelesen zu haben, hätte einer wohl was Bessers zu der Zeit geschrieben, da Hübner's Poetisches Handbuch und Uhsens Wohl informirter Poet klassisch waren? da Neukirch, nachdem er lange als ein Dichter berühmt gewesen war, den man Opißen vorzog, mit Betrübniß ausrief:

Ach grausamer Horaz! was hat dich doch bewegt,

Daß du uns solche Last im Dichten aufgelegt?

Seit dem, daß ich dein Buch mit Nuß und Ernst gelesen,
Ist bei mir alle Lust zum Dichten hin gewesen.

Zu diesen Zeiten war es wirklich ein Beweis von nicht gemeiner Einsicht, und ein Verdienst, den Deutschen zu sagen, daß sie aus den Alten und aus den Franzosen was anders als die Sprache lernen könnten, und ein Buch, das aus diesen Vorgängern gänzlich gesammelt war, und Alles auf den Grundsatz brachte: Poesie sey Nachahmung der Natur, das kann schwerlich den. Geschmack verderbt haben, sonst haben ihn auch Ho= raz und Boileau verderbt. Denn was in beyden zur Kritik der Dichtkunst gehörte, ist in dieses Buch völlig eingerückt.

Aber so vollkommen machte es den Geschmack vielleicht nicht, als er werden konnte. Dieses scheint der Fehler zu seyn, der das Meiste zu

Gottsched's Falle beygetragen hat. Er blieb bey den Einsichten stehen, die er sich in seinen jüngern Jahren erworben hatte. Um 1730, als die Kritische Dichtkunst zuerst herauskam, gaben ihm die Einsichten vielleicht einen Vorzug; allein diesen zu behalten, sollte er sie beständig erweitern, und selbst das nicht aus der Acht lassen, daß es in Künsten, die zum Putz der Gelehrsamkeit gehören, veränderliche Moden geben muß. Diese natürlichen Betrachtungen anzustellen war er so weit entfernt, daß er nicht einmal begreifen konnte, wie seiner Schüler Arbeiten jeßt besser als die seinigen gefielen, da er doch zwanzig Jahre vor seinen Schülern mit allgemeinem Beyfall geschrieben hatte. Er hatte doch im Hagedorn gelesen:

Ein freyes Weib von zwanzig Inhren
Spricht zwar von Vielem unerfahren,
Doch was sie sagt, gefällt:

Gebt ihr noch zwanzig Jahre drüber,
So hört man ihre Tochter lieber,

Das ist der Lauf der Welt.

Diese Nachlässigkeit und Unbiegsamkeit begehre ich nicht zu vertheidigen. Vielleicht ist sie aber auch durch die Art, wie man mit ihm verfahren hat, oft vergrößert worden. Er dachte ohne Zweifel zu vortheilhaft von sich, aber seine Gegner dachten auch viel zu schlecht von ihm; uud wenn man es unpartheiisch beurtheilen will, so war er nur heftig, und sie vielmals grob und ungerecht. Zwischen ihm und seinen ersten Bestreitern, den Zürichern, ward offenbar, aus Seckendorf's Lucan zu reden, der Bund um's Reich getrennt. Bodmer wäre gar zu gern Cäsar gewesen, wenn sich die Deutschen so leicht einen Dictator aufdringen ließen, als die Römer. Dieser Krieg, den einige Historici ganz unrichtig als einen helvetischen Krieg beschreiben, da doch der Canton Bern in der Streitigs keit viel billiger gedacht hat, und die katholischen Eidgenossen gar nicht daran gedacht haben; dieser Krieg, sage ich, entbrannte am heftigsten zu den Zeiten der Belustigungen. Ich habe in dieser Monatsschrift sehr viele Aufsätze einrücken lassen, die Gottscheden höchst mißfällig waren. Ich billige nebst vielen Mitarbeitern die Beyträge dazu gar nicht, in denen über die Züricher gelacht ward, aber bey diesen Gesinnungen konnte ich doch nichts anders sehen, als daß man über sie nur lachte (gerecht oder ungerecht, davon entscheide ich jetzt nichts) und sie dagegen schimpften. In dieser Monatsschrift haben sich Gellert, Rabener, Gärtner, Ebert, Zachariä, die Schlegel, Gieseke, Spalding, Cramer, Schmidt so gewiesen, daß Deutschlands Beyfall sie ermunterte, das zu werden, was sie nachgehends geworden sind. Diese Alle nun, und mehre, nicht sogar verächtliche Schriftsteller, die ein frühzeitiger Tod, oder andere Geschäfte dem deutschen Wige entrissen haben, wie z. E. Pitschel,

Zernih, Mylius, Hommel, Straube, waren nichts weniger, als Gottschedianer; aber weil sie eine periodische Schrift unterstüßten, die den Zürichern verhaßt war, hießen sie so inter celeros: Belustiger. Wenn in den Kritischen Beyträgen von Gottsched oder seinen Gehülfen ein elender Schriftsteller verurtheilt ward, so fand er seine sichere Zuflucht in Zürich. An einem Beyspiel hiervon habe ich selbst Theil gehabt. Ein wißiger Kopf in Dresden hatte aus Neukirch's Telemach eine Tragödie gemacht, und, dieses auszuführen, Neukirch's Verse mit seinen eigenen untermengt, die noch viel! viel! schlechter waren. Ich züchtigte ihn dafür in den kritischen Beyträgen. Der ehrliche Mann forschte nicht nach der Hand, von der die Schrift kam, er hätte es sonst leicht erfahren. Denn ich habe es allemal für niederträchtig gehalten, etwas zu schreiben, dazu ich mich nicht bekennen wollte. Statt dessen schickte er eine Schmähschrift auf Gottsched nach Zürich, und sie ward da mit Beyfall bekannt gemacht. Die Züricher richteten sich in allen solchen Fällen nach den Rechtsgutachten jenes römischen Juristen, der gefragt ward: an nux pinea pomum sit? Er verstand die Absicht und sagte: si in vatinium ieceris. (?)

So viel wird wohl genug seyn, Jemanden vorsichtig zu machen, der Gottsched's Verdienste lediglich aus dem, was die Züricher von ihm gesagt haben, beurtheilen wollte. Jeht sehen die beyderseitigen Streitschriften in den Bücherfälen ruhig beysammen voll Staub.

6. Johann Friedrich Freiherr von Cronegf. 1731-1758.

Johann Friedrich, Freiherr von Cronegf war am 2. September 1731 zu Anspach geboren. Sein Vater war der General - Feldmarschall Lieutenant des Fränkischen Kreises Friedrich Johann Carl von Cronegf. Die Cronegk waren von altem Steyermärkischen - Adel, schon 1400 Baz rone und lange Zeit Erbtruchsesse des Hauses Östreich. Der Zweig, aus welchem der Dichter stammt, war der Religion wegen nach dem Anspach: schen gegangen. Cronegf wurde als einziges Kind seiner Ältern sehr sorg: fältig erzogen und vornehmlich von seiner Mutter, einer Freiinn von Crailsheim, an Herz und Gemüth gebildet. Sein glückliches Gedächtniss und seine leichte Fassungskraft_unterstüßten ihn bei Erwerbung gründlichen Wissens. Erlernte die lateinische, französische, englische, italienische und spanische Sprache, redete sie alle und sammelte sich Kenntnisse aus den besten Schriftstellern Roms und der meisten europäischen Völker, so daß er schon vor seinen Universitätsjahren zu den gelehrtesten Jünglingen zu zählen war. Er bezog 1749 die Universität Halle und 1750 die zu Leip zig, wo auch Gellert sein Lehrer war. Die Kochsche Schauspielergesellschaft lenkte durch ihre Darstellungen seinen Sinn auf die dramatische

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Dichtkunst und sein erskes, bedeutenderes Lustspiel ist der Misstrauische. Nachdem er noch dem Dresdner Hofe, wo der Graf Moritz von Brühl sein Freund wurde, und Braunschweig, wo er Gärtner, Ebert, Giseke und Zachariä kennen lernte, besucht hatte, kehrte er nach Anspach zu sei nem Bater nach dem Orte Hohentrüdingen zurück, wo er sein größeres Gedicht: Einsamkeiten" schrieb. Nachdem er zum Kammerjunker bei dem Markgrafen von Brandenburg-Anspach und zum Hof-Regierungsund Justizrathe ernannt worden war, begab er sich auf Reisen, sah die berühmtesten Städte Italiens und lernte dort mehrere große Gelehrte kennen. Ju Rom wurde er unter die Arcadier aufgenommen und arbeitete hier schon an seinem Codrus. Drauf ging er durch Savoyen und über Lyen nach Paris und lernté das französische Theater durch Anschauung kennen. Nach seiner Rückkehr ins Vaterland arbeitete er seit Januar 1754 im Fürstl. Hofrathscollegium ohne die Wissenschaften und die Dichtkunst hintanzusehen. Jetzt gewann er auch die brittische Bühne sehr lieb und fing mehrere Luftspiele zu dichten an, namentlich den ehrlichen Mann, der sich schämet, es zu seyn, worin er nächst J. H. Schlegel und Brawe zuerst anfing den fünffüßigen Jambus zu gebrauchen; doch vollendete er diese Dramen nicht und widmete sich nun ganz der Tragödie. Er bearbeitete jeht seinen Codrus, um durch ihn nach dem Preise zu ringen, welchen die Verf. der Bibliothek schöner Künste und Wissenschaften in Berlin für das Jahr 1757 auf das beste Trauerspiel ausgesetzt hatten, obschon er den Gewinn der 50 Thlr. verschmähete. Sein Codrus wurde gekrönt; aber die Nachricht seines Sieges fand ihn nicht mehr. Nachdem er 1757 seine geliebte Mutter verloren hatte und 1758 zu einem Besuche bei seinem Vater in Nürnberg war, befielen ihn die Pecken und als man schon seiner baldigen Genesung entgegenjah, machte ein Stickfluss am 31. Decbr. 1758 Abends seinem Leben ein Ende.

Cronegf war ein edler und herziger Mensch, fern von Stolz und Habsucht, ein treuer Freund seiner Freunde, begeistert für Wissenschaft und Kunst und mit reichen Dichtergaben ausgerüket, welche zu entwickeln ihm der Tod nicht Zeit ließ.

Seine Werke sind von seinen Freunden unter folgendem Titel -herausgegeben worden:

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Des Freyherrn Johann Friederich von Cronegk Schriften. Erst. Band. Lpz. 1771. Zw. Bd. Anspach 1773. bei Posch. 8." Im ersten Bande sind enthalten: 1. Die verfolgte Comödie. Ein Vorspiel. 2. Der Mißtrauische. Lustsp. in fünf Aufzügen. 3. Codrus. Trauersp. in fünf Aufzügen. 4. Gedanken über das Trauerspiel Codrus in einem Briefe an H.** 5. Olint und Sophronia. Trauerspiel. — 6. Die Klagen, ein Luftsp. in drey Aufzügen. -7. Les defauts copiés. Comedie en

un Acte. 8. Der ehrliche Mann, der sich schämet, es zu seyn. - 9. Auftritt aus einem Lustspiele, die Nachwelt. 10. Die spanische Bühne. - 11. Über die abgebrochnen Reden im Schauspiele. Im zweiten Bande sind enthalten: 1. Einsamkeiten, in sechs Gesängen. 2. Einsamkeiten, in zwey Gefäns

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gen. 3. Lehrgedichte. 4. Oden und Lieder, Erstes und zweites Buch.-5. Vermischte Gedichte.

Beispiel 1.

Inhalt und Proben aus dem Trauerspiel Codrus.

Elisinde, Prinzessinn vom Geblüte des Theseus, trauert über den Tod ihres Geliebten Medon, wird von Medons Mutter, auch einer Fürstinn aus Theseus Geblüt, getröstet und soll Codrus, dem Könige Athens, vermählt werden. Codrus will ihrer Liebe ohne Gegenliebe entsagen, ist aber eines ahnungsvollen Traums wegen bekümmert und erwartet einen Boten aus Delphi. Die Dorier sind geschlagen und ihr König Artander will in Athen ein Bündniss schließen. Da erscheint Medon plöhlich, der aus Todesgefahr nach Theben entronnen war und nahende Hülfe von dort verkündet. Mit Freuden empfängt ihn Codrus und die Mutter Elisinde, aber diese bereitet ihn nun auf Philaidens Verlust vor. Medon ahnt Schmerzliches und ruft:

Ihr väterlichen Mauern!
Wie freudig war ich nicht, als ich euch wieder sah!
Und meiner Freude war der stärkste Schmerz so nah!
Warum erhielt das Glück mein unglückselig Leben?
Ich hätt es in der Schlacht vergnügter aufgegeben.
Der Ungewißheit Stand ist allzu schreckensvoll!
Entdeckt mir wenigstens, was ich beklagen soll!
Ihr Götter! rührt euch nicht der zärtlichste der Triebe?
Nehmt Ruhm und Glücke hin, verschont nur meine Liebe.

Elisinde will ihn nun da auch Philaidens sterbender Vater sie für Codrus bestimmt hat, zur Entsagung bewegen, was ihr endlich gelingt; doch will Medon noch einmal Philaide sehen. Sie kommt, bekennt ihm ihre unverz änderte Liebe, aber nach schwerem Kampfe und Ermunterung der Mutter reißt sich Medon los und flieht. Philaide will im Tempel an Codrus Seite sich tödten; aber Codrus verschiebt die nahe bräutliche Feier, von dunkeln Ahnungen ergriffen.

Codrus hört bestürzt die Nachricht von Medons Flucht, welcher ihm seinen Kummer nicht entdecken wollte, und sieht Philaide kommen.

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