Imágenes de páginas
PDF
EPUB

rensten Buhlerinnen. Alles, was der Weise sagte, war so schön, so erha ben, so wunderbar! erhob den Geist so weit über sich selbst! warf Strahlen von so göttlichem Licht in das Dunkel der Seele! In der That konnte es nicht anders seyn, da die gemeinsten Ideen der Filosofie für Dionysen den frischesten Reiß der Neuheit hatten. Und nehmen wir zu allen diesem noch, daß er das wenigste recht verstand, (ob er gleich, wie viele andere seines gleichen, zu eitel war es merken zu lassen) noch alles verstehen konnte, weil der begeisterte Plato sich in der That zuweilen selbst nicht allzu wohl verstand; bedenken wir die erstaunliche Gewalt, die ein in schimmernde Bilder, eingekleidetes mystisches Räthsel über die Unwissenden zu haben pflegt: so werden wir begreifen, daß niemals etwas natürlicher war, als der außerordentliche Geschmack, welchen Dionyfius an dem Gott der Filosofen (wie ihn Cicero betitelt) fand; zumahl da er noch überdieß ein feiner stattlicher Mann war, und sehr wohl zu le ben wußte.

Ohne daß sich die Ueberredungskraft des göttlichen Plato, oder die Kontagion der filosofischen Schwärmeren darein mischte, theilte sich die plötzliche Wissensbegierde des Dionyfius, so bald man sah, daß es ihm Ernst war, allen seinen Höflingen mit. Nicht, als ob ihnen viel daran gelegen gewesen wäre, ihre kleinen Affenseelen nach dem göttlichen Mo. dell der Ideen umzubilden, oder als ob sie sich darum bekümmert hätten, was in den überhimmlischen Räumen zu sehen sey. Aber sie thaten doch dergleichen. Der Ton der Filosofie war nun einmahl Mode. Man mußte Metafysik in geometrischen Ausdrücken reden, um sich dem Fürsten angenehm zu machen. Man trug also am ganzen Hofe keine andre als filosofische Mäntel; alle Sähle des Palasts waren, nach Art der Gymnasien, mit Sande bestreut, um mit allen den Dreyecken, Vierecken, Pyramiden, Achtecken und Zwanzigecken überschrieben zu werden, aus welchen Plato feinen Gott diese schöne Welt zusammen sehen läßt; alle Leute, bis auf die Köche, sprachen Filosofie, hatten ihr Gesicht in irgend eine geometrische Figur verzogen, und disputierten über Materie und Form, über das was ist und was nicht ist, über die beiden Enden des Guten und Bösen, und über die beste Republik.

Alles dies machte freylich ein ziemlich seltsames Aussehen, und konnte den Verdacht erwecken, als ob Plato an dem Syrakusischen Hofe vielmehr die Rolle eines aufgeblasenen Pedanten unter einem Haufen unbärtiger Schüler, als die Rolle eines Weisen gespielt habe, der sich einen großen Zweck vorgesetzt hat, und die Mittel dazu nach den Umständen des Orts, der Zeit und der Personen klüglich zu bestimmen weiß. Aber man würde sich irren. Er hatte an den lächerlichen Ausschweifungen der Hofleute wenig Antheil; ob er gleich ganz gern sah, daß diese unnüßen Humneln, welche er nicht auf einmahl austreiben konnte, auf solche Spielwerke ver

fielen, die doch immer als eine Art von Vorübungen angesehen werden konnten, wodurch sie unvermerkt von ihren vorigen Gewohnheiten abgezo gen, und durch den Geschmack an Wissenschaft zu der allgemeinen Verbesserung, welche er zu bewirken hoffte, vorbereitet wurden. Allein seine eignen hauptsächlichsten Bemühungen bezogen sich unmittelbar auf den Dios nysius selbst; und indem er ihn durch die Reizungen seines Umgangs und seiner Beredsamkeit zu humanisieren und an sich zu gewöhnen suchte, trachtete er, ohne es allzu deutlich zu erkennen zu geben, dahin, ihm die Verachtung seines vorigen Zustandes, die Liebe der Tugend, Begierden nach ruhmwürdigen Thaten, kurz, solche Gesinnungen einzuflößen, welche ihn, durch unmerkliche Grade, von sich selbst auf die Gedanken bringen würden, ein unrechtmäßiges Diadem von sich zu werfen, und sich an der Ehre, der Erste unter seines gleichen zu seyn, genügen zu lassen.

Beispiel 5.

Aus den Abderiten. (Bd. 20. S 3.)

Der Prozeß um des Esels Schatten.

Viertes Buch. 1. Kapitel.

Veranlassung des Prozesses und Facti Species.

Kaum hatten sich die guten Abderiten von dem wunderbaren Theaterfieber, womit sie des ehrlichen, arglosen Euripides Götter und Menschenherrscher Amor heimgesucht hatte,' wieder ein wenig erhohlt; kaum sprachen die Bürger wieder in Prosa mit einander auf den Straßen, kaum verkauften die Drogisten wieder ihren Niesewurz, schmiedeten die Waffenschmiede wieder ihre Rappiere und Transchiermesser, machten sich die Abderitinnen wieder keusch und emfig an ihr Purpurgewebe, und warfen die Abderiten ihr leidiges Haberrohr weg, um ihren verschiednen Berufsarbeiten wieder mit ihrem gewöhnlichen guten Verstande obzuliegen: als die Schicksalsgöttinnen ganz insgeheim, aus dem schalsten, dünnsten, unhaltbarsten Stoffe, der jemahls von Göttern oder Menschen versponnen worden ist, ein so verworrenes Gespinnst von Abenteuern, Händeln, Ver: bitterungen, Verheßungen, Kabalen, Parteyen, und anderm Unrath heraus zogen, daß endlich ganz Abdera davon umwickelt wurde, und, da das heil

1. Es war die Andromeda des Euripides aufgeführt worden und hatte die Abderiten so über die Maßen entzückt, daß Alles was Odem hatte sprach, sang, trällerte, leierte und pfiff, wachend und schlafend, viele Tage lang nichts als Stellen aus der Andromeda des Euripides. Wo man hinkam hörte man die große Arie du, der Götter und der Menschen Herrscher, Amor u. f. f.

lose Zeug durch die unbesonnene Hiße der Helfer und Helfershelfer nun gar in Flammen gerieth, diese berühmte Republik darüber beynahe, und vielleicht gänzlich, zu Grunde gegangen wäre, wofern sie nach des Schicksals Schluß durch eine geringere Ursache als Frösche und Ratten hätte vertilgt werden können.

Die Sache fing sich (wie alle große Weltbegebenheiten) mit einer sehr geringfügigen Veranlassung an. Ein gewisser Zahnarzt, Nahmens Struthion, von Geburt und Vorältern aus Megara gebürtig, hatte sich schon seit vielen Jahren in Abdera häuslich niedergelassen; und weil er vielleicht im ganzen Lande der einzige von seiner Profession war, so er: streckte sich seine Kundschaft über einen ansehnlichen Theil des mittäglichen Thracien. Seine gewöhnliche Weise, denselben in Kontribuzion zu sehen, war, daß er die Jahrmärkte aller kleinen Städte und Flecken auf mehr als dreyßig Meilen in der Runde bereiste, wo er, neben seinem Zahnpulver und seinen Zahntinkturen, gelegentlich auch verschiedene Arkana wider Milz und Mutterbeschwerungen, Engbrüstigkeit, böse Flüsse u. s. w. mit ziemlichem Vortheil abseßte. Er hatte zu diesem Ende eine wohlbeleibte Eselin im Stalle, welche bey solchen Gelegenheiten zugleich mit seiner eignen kurz dicken Person, und mit einem großen Quersack voll Arzneyen und Lebensmittel beladen wurde.

Nun begab sichs einsmahls, da er den Jahrmarkt zu Gerania besuchen sollte, daß seine Eselin Abends zuvor ein Füllen geworfen hatte, folglich nicht im Stande war, die Reise mitzumachen. Struthion miethete sich also einen andern Esel, bis zu dem Orte, wo er sein erstes Nachtlager nehmen wollte, und der Eigenthümer begleitete ihn zu Fuße, um das lastbare Thier zu besorgen und wieder nach Hause zu reiten. Der Weg ging über eine große Haide. Es war mitten im Sommer und die Hiße des Tages sehr groß. Der Zahnarzt, dem sie unerträglich zu werden anfing, sah sich lechzend nach einem schattigen Platz um, wo er einen Aus genblick absteigen und etwa frische Luft schöpfen könnte. Aber da war weit und breit weder Baum noch Staude, noch irgend ein andrer Schatten gebender Gegenstand zu sehen. Endlich, als er seinem Leibe keinen Rath wußte, machte er Halt, stieg ab, und setzte sich in den Schatten des Esels.

Nu, Herr, was macht ihr da, sagte der Eseltreiber, was soll das? Ich sehe mich ein wenig in den Schatten, versehte Struthion, denn die Sonne prallt mir ganz unleidlich auf den Schädel.

Nä, mein guter Herr, erwiederte der andre, so haben wir nicht ge handelt! Ich vermiethete euch den Esel, aber des Schattens wurde mit feinem Worte dabey gedacht.

Ihr spaßt, guter Freund, sagte der Zahnarzt lachend; der Schatten geht mit dem Esel, das versteht sich.

[ocr errors][ocr errors]

En, beym Jason! das versteht sich nicht, rief der Eselmann ganz trohig; ein andres ist der Esel, ein andres ist des Esels Schatten. Ihr habt mir den Esel um so und so viel abgemiethet. Hättet ihr den Schat. ten auch dazu miethen wollen, so hättet ihrs sagen müssen. Mit Einem Wort, Herr, steht auf und seßt eure Reise fort, oder bezahlt mir für des Esels Schatten was billig ist.

Was? schrie der Zahnarzt, ich habe für den Esel bezahlt, und soll jetzt auch noch für seinen Schatten bezahlen? Nennt mich selbst einen dreyfachen Esel, wenn ich das thue! Der Esel ist einmahl für diesen Tag mein, und ich will mich in seinen Schatten seßen so oft mirs beliebt, und darin fißen bleiben so lange mirs beliebt, darauf könnt ihr euch verlassen! Ist das in Ernst eure Meinung? fragte der andre mit der ganzen Kaltblütigkeit eines Abderitischen Efeltreibers.

Im ganzen Ernste, verseßte Struthion.

So komme der Herr nur gleich stehenden Fußes wieder zurück nach Abdera vor die Obrigkeit, sagte jener, da wollen wir sehen, wer von uns beiden Recht behalten wird. So wahr Priapus mir und meinem Esel gnädig sen, ich will sehen, wer mir den Schatten meines Esels wider meinen Willen abtroßen soll!

Der Zahnarzt hatte große Lust, deih Eseltreiber durch die Stärke seines Arms zur Gebühr zu weisen. Schon ballte er seine Faust zusammen, schon hob sich sein kurzer Arm; aber als er seinen Mann genauer ins Auge faßte, fand er für besser den erhobnen Arm allmählich wieder sinken zu lassen, und es noch einmahl mit gelindern Vorstellungen zu versuchen. Aber er verlor seinen Athem dabey. Der ungeschlachte Mensch bestand darauf, daß er für den Schatten seines Esels bezahlt seyn wollte; und da Struthion eben so hartnäckig dabey blieb, nicht bezahlen zu wollen, so war kein andrer Weg übrig, als nach Abdera zurückzukehren, und die Sache bey dem Stadtrichter anhängig zu machen.

Beispiel 6.

Gandalin oder Liebe um Liebe.

Ein Gedicht in acht Büchern. 1776. (Vb. 21. S. 45.)

Erstes Buch.

Vor alter Zeit war ein Fräulein, der aller Herzen unterthänig. Das Fräulein, Sonnemon genannt, war Erbinn des Grafen von Brabant und viele Knappen und edle Herrn ihres Hofes warben um sie; aber die Schelminn hatte ihre Freude mit ihnen zu spielen und sie mit ihren Launen zu quälen; doch auch ihr Zorn und Schmollen zog, wenn einer laufen wollte, den armen Flüchtling wieder zurück. In diesem kläglichen Zustand lag auch der hübsche Ritter Herr Gandalin schon Jahr und

Tag, und der giftige Stich des Liebeswurms war ihm tief ins Herz gegangen. Ein ganzes unendliches Jahr hatte er sich so hingehalten, da, als der Frühling wieder kam, wusste er sein Leiden nicht länger zu bestehn, warf sich Sonnemon zu Füßen hin, welche sein spottete und ihm die flüchtige Art der Männer vorwarf. Er betheuert

„O Sonnemon, wie wenig, wie weuig
Kennst du mein Herz und deine Macht!
Und sollte mir eine einzige Nacht,
Mit einer Göttin zugebracht

Das Glück erkaufen, der erste König

[blocks in formation]

Sie unterbricht ihn, sagt, zur Strafe seiner Vermessenheit sollte sie ihn beim Worte halten. Das solle sie sogleich.

Herr Gandalin,

-

Ich glaubte dich nicht so waglich kühn;
Doch, der Erfolg?,,Den überlasse
Der Liebe!" Du wagest alles, Freund!
Denn Sonnemon, so leicht sie scheint,
Ift schwerer zu täuschen, als man meint;
Drey Jahre sind lang!,,Und wären's sieben,
Um dich find's sieben Tage nur!"

Und keine andre Kreatur

Noch Göttin in dieser Zeit zu lieben?

Und mir zu schwören den heiligsten Schwur,
Kommst du zurück, mir nichts zu schweigen,
Dein ganzes Herz offen zu zeigen,

Um keine Sylbe die Wahrheit zu beugen?
Getraust du dir's?,,Und Sonnemon
Verspricht mir dafür der Minne Lohn?"
Ihr Herz mit allen Zubehören!

Hier bin ich, bereit dir zuzuschwören
Was du verlangst! Drey Tag' allein
Vergönne mir noch hier zu seyn,
Von deinen Blicken meine Seele
Durchstrahlen zu lassen!" Herzlich gern!
Doch merke, was ich dir befehle!
Man muß sich vorsehn mit euch Herr'n.
Du könntest dich in eine Höhle

Drey Jahre verkriechen. Dieß wäre List
Herr Gandalin! Die Meinung ist,
Auf Abenteuer auszuziehen,

« AnteriorContinuar »