Beispiel 7. Klaglied der Amazone nach dem Abzuge ihres Geliebten. (Aus den Amazonenliedern, Kl. lyr. Gedichte. Zw. Bd. S. 32.) Nun ist er fort! und alles ift Wüst, öde, todt umher! Ja Jüngling! wo du nicht mehr bist, Da ist die Welt mir leer Wie leer! die blühende Natur Verwelft mir ohne dich! Ein Lied voll bangen Schmerz! Die Finsterniß iht deckt. Wenn du aus Blut und Thränen einst Dein glänzend Haupt erhebsì, Nicht mehr um Freunde Thränen weinst, Nicht für den Tod mehr lebst; Und nun mit Siegeszeichen ganz Behangen wiederkehrst, Bon jedem blutbegoßnen Kranz Mich die Geschichte lehrst: Die ist den Feind verzehrt, Die meinen Kummer nährt: Der Schöpfung mich erfreun, Und der der Völker Schrecken war, Mir Stolz und Wonne seyn. Beispiel 8. Thränen der Amazone über dem Grabe ihres Helden. Heil mir! willkomm'ne Thränenflut! Mein aufgeschwollen Herz Lust Ift Staub, sein Haus ein Grab. Thrän'volle Blicke? nie? Schön ohne Zwang und Müh! Schön, wie des Krieges ernster Gott, Der Sphären Harmonie! Der Thau des Mergens früh! Naht eine Schaar allhier Von meines Helden Kriegern sich Und Mengen folgen ihr. Ah! die versengten Wangen glühn Von Schmerzen tiefer Art, Und dicke, dicke Tropfen fliehn Auf ihren finstern Bart. - : Helden! o was traget Ihr In diesem Mantel her? Kein Wort? ihr schluchzt? wehe mir! Er ifts! mein Jüngling! Er! Weg, weg, misgünstiges Gewand! Ich will, ich muß ihn sehn! Mein ist er und dem Vaterland! O Jüngling! o wie schön! Ach! laß mich Dich umarmen, Held! Mein Kuß erwärme Dich! Dich, dessen Anblick eine Welt Erwärmen fonnt' und mich! Nicht weiter klopft dieß Herz, o Freund, Von Lieb und Ruhmbegier! Nicht mehr troßt dieser Blick den Feind, Und lächelt sanft nach mir! Nicht mehr hebt dieser tapfre Arm Um meinen Nacken sich! Zerfällt in Staub dahin? Halt! sagen mir nicht, wer er war, Die Wunden, die hier glühn? Laßt mich sie sehn! - Triumph und Ehr' Und Preis und Sieg ist hier! Wie tief! ihn schmerzen sie nicht mehr! Mein Vaterland, doch Dir! Der Ruhm drückt deinem Lebenslauf, Der sich so rühmlich schloß, Jim Blut die letzten Siegel auf, Das aus den Wunden floß. Sie schlucken meine Thränen ein, Und die versiegen hier! Du willst nicht mehr beweinet seyn: Dein Ruhm gebeut es mir! Er hebt mich stolz aus deinem Grab! Mein Herz erweitert sich, Und fleugt Dir nach: Zu sehr hinab Zog Lieb' und Sehnsucht mich! Heil mir! daß Du gefallen bist So glorreich, Ehrenvoll! Und auch so fallen foll! Dem weiblichen Gebein Und stürzt in Deinen Leichnam sich Um groß wie Du zu seyn! Wie wollt ich dann mit tapfrer Hand Dich rächen, und mit Muth Für dich auch kämpfen, Vaterland! Nicht schonen Gut noch Blut: Und für Dich sterben: Welch ein Tod! Ach! für das Vaterland Zu sterben, welch ein stolzer Tod Und dann von einer Helden Schaar -- Und thürmt von Feinde Schedelu hier Ein hohes Denkmal auf, Die er erbeutet, drauf! Ihm meine Seufzer weihn. Und Vaterland! den heil'gen Hayn Soll deine Thränenflut Beispiel 9. Scene aus: Die Befreiung Thebens. Kallifrates O! täusche dich Nicht durch das Schreckenbild, das ihr2 die Furcht Und wann nun Theben stolz sein Haupt erhebt 1. Kallikrates ist Sohn des Charon, eines Hauptes der Verschwörung der Thebaner gegen die Spartaner. Die Mutter Arete ist bange für den Sohn und möchte ihn gern nach Athen senden bis der Kampf vorüber ist. Aspasia ist die Braut des Kallikrates. 2. Der Arete, der Mutter. Erpreßt, da sehn, welch große That geschehn, Aspasia. Laß sehn! dein Ruhm? ja, diesen lieb' ich auch: Dein Leben? aber ist es ohne Ruhm Noch unsrer Sorge werth? Du lebst für mich: - - Doch nur für mich? Ah! warum machst du mich Ach! warum fragst du mich? Kallifrates Glück! o Stolz, wie steigt mein Muth empor! Soll dieser Name seyn, und Hymen soll Im Tempel, den uns bald auf Spartas Schutte Beispiel 10. Scene aus: Romeo und Julie. (Erst. Aufz. Dritt. Auft. Trsp. IV. S. 118.) Julie. Bist du es? Romeo (Im Hereintreten). Ich bin's! Julie (fällt ihn um den Hals). O Romeo! Romeo. O Julie! (Sie sehen einander beide schweigen an und weinen.) Julie (nach einer ziemlich langen Pause). Du bist Romeo, und willst mich verlassen? Romeo. Ach! meine Julie! gleich nach Anbruche des Tages wird man mich auf das Gerücht, daß ich noch in Verona sey, aufsuchen lassen. Julie. Gleich nach Anbruch des Tages? Ach! möchte sie ewig währen, diese Nacht! ben dir bedarf ich keines Tages. Ohne dich habe scheinen! du es sehen! Julien Julien soll ich verlaffen? Romeo. Glaubst du, daß mein Herz weniger blutet? Ach! könntest doch nein, nein! du mußt meinen Gram nicht halb wissen! ! in diesen Worten liegt alles! Julie. Aber ich will dich nicht verlassen. (Nachsinnend) Romeo! den Gedanken gab mir der Gott der Liebe ein ich will mit dir gehn! Romeo. Was sagst du? - Nein, Julie, unmöglich! Julie. Unmöglich, Romeo? und du liebst mich? hat die Liebe nicht weit unmöglichere Dinge möglich gemacht? ich will mein Geschlecht in Mannskleidern verbergen, diese langen Haare abschneiden und dir überall folgen; meine zärtliche Sorgfalt soll dir deine Flucht versüßen; in der Hiße des Tages will ich dir kühlende Tränke bereiten und vor der kältenden Nacht sollen dich meine Umarmungen schützen; die rauhesten Wege sollen mir in deiner Gesellschaft lieblich seyn, und die spißigsten Dornen mich nicht stechen. D, mein Geliebter! mein Gemahl! mein Romeo! kann ich bey dir unglücklich seyn? und werde ich, ohne dich, glücklich seyn? Romeo. Ja, du wirst bey mir, du mußt mit mir unglücklich seyn. Laß nach, laß nach mit dieser herzrührenden Bitte! du verwundest mich noch mehr, weil ich dir deine zärtlichste Bitte nicht gewähren kann. Julie. Und warum nicht? Kann Romeo auch grausam seyn? Ach! nun sehe ich, daß du ein Sohn des Montecchio bist. Romeo. Und ich sehe, daß dir deinen Vorwurf die Liebe eingiebt. Nicht wahr, du liebest mich? - o ja! du liebst mich, wie ich dich, unaussprechlich; und würdest du nicht unglücklich seyn, wenn du mich unglücklich machtest? Julie. Also würde ich dich unglücklich machen, wenn ich dich begleitete? Romeo. Bedenke deinen Stand! In einer solchen Verkleidung!! Julie. Stille! Romeo schäme dich! Ift der Stand einer geprüften Zärtlichkeit nicht die höchste Würde einer liebenden Frau? Romeo. Ja, unsre Verbindung aber weiß niemand als der Himmel und unsere Herzen. Doch ich will nicht vom Stande reden; be denke die Gefahr. Julie. Die Gefahr, Romeo? Biete alle Pfeile des Unglücks wider dich auf, und sieh, ob ich sie nicht alle mit dieser Brust auffangen, und dazu lächeln will. Romeo. Nicht die Gefahr des Todes schrecket mich, meine Julie; tausendmal will ich mein Leben für das deinige hingeben, und immer noch fragen, ob ich dir nicht noch zehntausend Leben zu schenken habe; aber die Gefahr einer ewigen Trennung hier, liebste Julie, hier liegt das Schreckliche. |