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mene Freyheit, nicht nur seine unbilligen Richter, sondern auch das ganze menschliche Geschlecht auszulachen, und sich für so klug, so weise, so gelehrt, und so vortrefflich zu halten, als es ihn immer gut deucht. Dieses wehret ihm niemand, und er kann versichert seyn, daß es immer einige Narren geben wird, die ihn, trotz allen Spöttern, hochschäßen.

Da nun die Urtheile, die über eine Schrift gefällt werden, dem Verfasser derselben nicht einmal diejenige Ehre, die er in der gelehrten Welt hat, gänzlich rauben können: so sehe ich nicht, wie es möglich, daß auch die schärfste Censur eines Buches dem Scribenten, der es verfertigt hat, an seinem guten Leumund, und an derjenigen Ehre nachtheilig seyn könne, die man in der bürgerlichen Gesellschaft haben muß, wo man mit einigem Vergnügen in der Welt leben will. Es bedeutet also nichts, wenn einige gar zu mitleidige Personen sagen: „Es sey zwar nicht zu leugnen, daß den Gelehrten das Recht zustehe, über die Schriften ihrer Brüder zu urtheilen, und die darinn enthaltenen Fehler und Irrthümer anzuzeigen und zu widerlegen; allein man müsse es doch so machen, daß derjenige, den man tadelt und widerlegt, bey Ehren bleibe."

Beispiel 2.

Aus: die Vortrefflichkeit und Nothwendigkeit der elenden Scribenten.

a. In den Schriften der elenden Scribenten ist keine Vernunft." Tb. III. S. 24.

Ich bekenne aufrichtig, daß die elenden Scribenten ohne Vernunft schreiben. Dieses ist das schwere Gebrechen, welches uns in den Augen unsrer Feinde so lächerlich und verächtlich macht. Aber eben das Geschrey, so die Verächter elender Schriften darüber erregen, daß die elenden Scribenten ihre Vernunft nicht gebrauchen, beweiset die Unbilligkeit dieser Leute. Ich bitte meine Leser unpartevisch zu urtheilen: Ob es billig sey, uns elende Scribenten um eines Fehlers willen auszuhöhnen, den wir nicht nur mit unsern Feinden, sondern mit dem ganzen menschlichen Geschlechte, gemein haben? Lassen sich die Menschen in ihren Handlungen wohl von der Vernunft regieren? Folgen sie nicht allemal den thörichten Begierden ihres Herzens? Sie wollen glücklich seyn: Sie wollen vergnügt und lange leben: Sie wissen es auch gar wohl, wie sie es anfangen müssen, wenn sie diesen Zweck erlangen wollen. Aber dennoch machen sie sich vorseßlich selbst unglücklich, verkürzen ihr Leben, und sind ihnen selbst die fruchtbarste Quelle alles Mißvergnügens, welches ihnen dasselbe saur machet. Man kann also, ohne Verletzung der Wahrheit, sagen, daß die Menschen ihre Vernunft nicht gebrauchen. Dieses ist ein Saß, den die Thorheiten, die Eitelkeiten, die Laster, und der Aberglaube, worinn das menschliche Ge

Die Schriften der Geschichts

schlecht verfallen ist, hinlänglich beweisen. schreiber, Poeten, und Weltweisen, sind voll Klagen über dieses Verderben: Und man hat schon lange angemerket, daß, wer recht vernünftig handeln wolle, gerade das Gegentheil von demjenigen thun müsse, was der größte Haufe vornimmt. Der Vorschlag ist gegründet; aber es haben sich doch zu allen Zeiten wenige gefunden, die Lust gehabt hätten, demselben zu folgen. Ich wundere mich darüber eben nicht; denn es wird dazu ein Eigensinn erfordert, den wenig Leute haben. Man muß sehr wunderlich feyn, und eine unerträgliche Einbildung von sich selbst haben, wenn man sich der ganzen Welt entgegensetzen, und sich bereden will, man sen alleine flug, und der Rest des menschlichen Geschlechts rase.

b. Aus dem Beweise der Nothwendigkeit der elenden Scribenten, Tb. III. S. 124.

Es wird mir etwas gar leichtes seyn, die Nohtwendigkeit der elenden Scribenten, meinem Versprechen gemäß, eben so gründlich, als ihre Vortrefflichkeit, zu behaupten. Ich will es mit wenigem thun, und frage unsere Feinde: Ob die Buchhandlung und Druckerey nicht ehrliche, und dem gemeinen Wesen nüßliche Handthierungen sind? Sie können nicht anders als Ja antworten. Sie müssen also auch gestehen, daß diejenigen, welche eine so nüßliche Profeßion treiben, Leute sind, die verdienen, daß man ihnen alles Gute gönne, und ihre Nahrung befördere. Ich möchte aber gerne wissen, was die armen Buchführer und Buchdrucker wohl anfangen wollten, wenn keine elende Scribenten in der Welt wären? Wir sind diejenigen, die ihnen am meisten zu verdienen geben: von uns leben fie, und müßten also betteln gehen, wenn wir aufhören sollten zu schreiben. Von den Werken der guten Scribenten würden sie das liebe Brodt nicht haben. Ich will sehen, es find in Deutschland nur 6000 Personen, die von der Druckerey und Buchhandlung leben. Nun nehme man die Verzeichnisse der neuen Bücher, die alle Messe herauskommen, nur von 10 Jahren her, und mache den Ueberschlag, wie viel gute darunter sind. Ich habe es gethan, und, nach einer genauen Ausrechnung, gefunden, daß, ein Jahr ins andere gerechnet, ohngefähr drey gute Bücher des Jahrs zum Vorschein kommen. Was ist das aber unter so viele? Und würde also nicht eine grosse Menge ehrlicher Leute Hungers sterben müssen, wenn die elenden Scribenten, nach dem Wunsche unserer Feinde, vom Erdboden vertilget wären?

Den Tag sollen sie nimmer erleben: Aber man siehet doch daraus, was unsere Verfolger vor böse, schädliche Leute, und wie lieblos sie gegen ihren Nächsten sind. Doch wie kann man von den guten Scribenten verlangen, daß sie ihren Nächsten lieben sollen, da sie sich selbst nicht lieben? Sie kennen ihren eigenen Vortheil nicht. Sie wollen uns ausrotten.

Allein wie übel würden sie nicht daran seyn, wenn sie ihren boshaften Zweck erreichen sollten? Wir machen ihnen durch unsere Schriften so manche fröhliche Stunde; woran wollten sie sich dann wohl belustigen, wenn wir nicht schrieben? Das Vergnügen, dessen sie in dieser Welt gez nießen, haben sie einzig und allein uns zu danken. Ja sie würden nicht seyn, was sie sind, wenn wir nicht wären. Man nennet sie jeßzund gute Scribenten: Aber müßten sie diesen Ehrentitel nicht fahren lassen, wenn es keine schlechte gäbe? Dieses wäre schon arg genug, aber der Untergang der elenden und lächerlichen Schreiber würde noch weit mehr Böses nach sich ziehen.

Unfre Feinde find reich an lustigen und sinnreichen Einfällen. Sie spotten gerne, und wir sind diejenigen, die ihnen Gelegenheit geben, ihre Einfälle an den Mann zu bringen, und ihre Tadelsucht zu vergnügen. Wie würde es demnach um ihre Gesundheit stehen, wenn sie uns nicht hätten? Wo wollten sie mit ihren Einfällen hin? Sie dürfen nicht denken, ich scherze: denn es ist kein Kinderspiel mit einem verhaltenen Spaß. Er verursachet viele Qual, und ein verhaltener Wind ist nicht so gefährlich. Es ist mir die Zeit meines Lebens nur ein einziges mal begegnet, daß ich einen Einfall hatte, der für den Einfall eines bösen Scribenten noch so ziemlich sinnreich war; aber ich mußte ihn bey mir behalten: und da weiß ich, wie mir zu Muhte gewesen. Ich wollte meinem ärgßten Feinde die Schmerzen nicht gönnen. Da nun ein einziger Spaß, den ich nicht zur rechten Zeit los wurde, mir so viel Ungemach verursachen konnte; was würden denn die guten Scribenten, die so fruchtbar an artigen Einfällen sind, nicht für Quaal empfinden, wenn wir ihnen nicht Gelegenheit gäben, sich zu erleichtern. Ihre Einfälle brennen ihnen auf dem Herzen, und Ennius soll schon zu seiner Zeit gesagt haben, daß ein weiser Mann eher Feuer im Maul halten als einen sinnreichen Einfall verschweigen könnte: flammam a Sapiente facilius ore in ardente opprimi, quam bona dicta teneat. Unsere Feinde würden also ganz gewiß bersten, wenn wir nicht wären. Warum wünschen sie denn unsern Untergang, mit welchein der ihrige so genau verknüpft ist?

Gesetzt aber, es wäre möglich, daß sie uns überlebten: so würde doch die gelehrte Welt wenig Gutes mehr von ihnen haben. Denn wir sind eben diejenigen, welche die sinnreichsten und artigsten Schriften, an welchen sich die Welt so sehr belustiget, von ihnen heraus locken. Wo wollten aber so viele stattliche Satyren herkommen, wenn unsere Feinde niemand hätten, über den sie spotten könnten? Und was würde also die kluge Welt nicht an uns verlieren? Es ist wahr, wir können ihr mit guten Schriften nicht aufwarten; aber die Alten haben schon angemerket, daß, obgleich der

1. Cicero de Oratore. lib. IJ.

Esel eben nicht die beste Stimme habe, und zur Musik ganz ungeschickt sen, man doch aus seinen Knochen die schönsten Flöten machen könne.' Und unsere Schriften, wie elend sie auch sind, geben doch Anlaß zu vies len gründlichen Widerlegungen und sinnreichen Spottschriften, deren die gelehrte Welt nohtwendig entbehren müßte, wenn niemand wäre, der elend und lächerlich schriebe.

9. Dramatiker.

a. Heinrich Wilhelm von Gerstenberg. 1737-1823. Heinrich Wilhelm von Gerstenberg wurde am 3. Januar 1737 zu Tondern in Schleswig geboren. Bis zu seinem 18. Jahre blieb er in Altona auf Schulen und studirte dann auf der Universität Jena. Nach seiner Rückkehr trat er in die Kriegsdienste seines Vaterlandes, wurde Dragoner - Lieutenant in Schleswig und stieg in dem unblutigen Feldzuge gegen Rußland unter dem Grafen von St. Germain bis zum Rittmeister. Nach Friedrichs V. Tode trat Gerstenberg in den Civilstand und wurde vom Staatsminister Grafen von Bernstorf 1768 als Mitglied der wöchentlichen Kanzleisessionen in die deutsche Kanzlei verseßt, wurde 1771 Geheimer Konferenzsecretair, 1773 Kommittirter der Rentkammer in Kopenhagen. Im Jahre 1775 erhielt er die Anstellung als Königl. Dänischer Resident und Consul bei der freien Stadt Lübeck, in welchem Amte er bis 1783 blieb, wo er seine erste Gattinn durch den Tod verlor. Er lebte nun einige Jahre in Eutin bei seinem Freunde Voss und wurde dann Mitdirector und nachher Director des Lottojustizwesens in Altona. Im Jahre 1796 verheirathete er sich zum zweitenmal mit einer Engländerinn. Er trat 1812 in den Privatstand zurück und starb in hohem Alter am 1. Novbr. 1823 zu Altona.

Gerstenberg hat sich als Dichter, Kritiker, Philosoph und Literator bekannt gemacht. Als Dichter ist er vornehmlich durch sein Trauerspiel Ugolino Gherardeska bekannt geworden und wird auch deshalb haupts sächlich als Dramatiker genannt, doch ist er eben so als Bardendichter und überhaupt als Lyriker zu nennen. Sein erstes Werk war ein Trauers spiel Turnus, was Weiße sehr günstig beurtheilte, aber von Gerstenberg zurückgelegt und niemals gedruckt worden ist. Durch seine leichten, scherzhaften Lieder,,,Tändeleien" genannt, welche Weiße 1759 zum Druck beförderte, wurde er ein Liebling des Publikums. Darauf schrieb er pro saische Gedichte, Altona 1759, woraus seine Dithyramben ent standen, auch dichtete er ein Kriegslied eines dänischen Grenadiers.

1. Plutarch. in Convivio ex verf. Xylandri.

Im Umgange mit Klopstock, Cramer, Resewitz, H. Schlegel, Sturz u. a dichtete er in Kopenhagen seine Ariadne auf Naxos, eine tragische Cantate (1767). Gedicht eines Skalden, Kopenh. Odensee u. Leipz. 1766. 4. und andre Lieder. Er überseßte „die Braut" nach Beaumont und Fletcher, Kopenh. u. Leipz. 1765 sehr gelungen und sein berühmter Ugolino, Trauerspiel in 5 Acten, erschien Hamburg 1768. Auch auf der Bühne, obschon nicht eigentlich für sie gedichtet, erhielt er großen Beifall. In Eutin dichtete Gerstenberg das große Drama Minona oder die Angelsachsen, ein tragisches Melodrama in 4 Acten, 1785, dessen Schauplatz Britannien ist, wo in der Mitte des fünften Jahrhunderts Römer, Britten, Angelsachsen und Picten auftreten, doch tritt das Stück, trotz mancher einzelnen Schönheiten, sehr gegen Ugolino zurück und ist zur theatralischen Aufführung wenig geeignet Außerdem gab Gerstenberg die holsteinische Wochenschrift der Hypochondrift," Schlesw. u. Lpz. 1763 (2. Aufl. 1772) heraus, wozu er satirische, moralische und literarische Aufsätze lieferte, wie er sich durch seine Briefe über die Merkwürdigkeiten der Literatur, 4 Th. Schlesw. u. Leipz. 1766, 67 u. 70, wozu auch Sturz, Resewitz, Klopstock u. a. beitrugen, welche neben Herders Fragmenten und den. Berliner Briefen, die neueste Literatur betreffend, einen bedeutenden Platz einnahmen, um diesen Zweig der Gelehrsamkeit große Verdienste erworben hat. Noch im späten Alter sammelte er seine Gedichte unter dem Titel:

Gerftenbergs vermifchte Schriften von ihm felbft gesammelt und mit Verbefferungen und Zufätzen herausgegeben in drei Bänden. Erft. Bd. Altona Hammerich 1815. Zw. Bd. daf. 1815. Dritt. Bd. daf. 1816. 8.

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In dieser Ausgabe sind enthalten: Band I. 1. Zwei Schreiben an Herrn Conferenzrath Gähler in Altona über die Herausgabe seiner Schriften, worin besonders über die Minona ein strenges Urtheil vorkommt. 2. Minona oder die Angelsachsen. Ein Melodrama 1785. -3. Anmerkungen zur Minona. 4. Ugolino. Eine Tragödie. 1768. -5. Zwei Fragmente aus frühern Ausgaben der Minona und des Ugolino. Band II 1. Tändeleien, 1759. (Lyrische Erzählungen in Prosa und Versen.) 2. Ariadne auf Naxos. Eine Kantate. 1765. 3. Der Skalde. 1766. (An J. A. Cramer, bei dessen Landsīhz Sandholm die Scene des Gedichts ist.) -4. Poetisches Wäldchen. (Vermischte Gedichte.) — Band III. 1. Philosophie. a. Gemeinschaftliches Prinzip der theoretischen und praktischen Philosophie. b. Theorie der Kategorieen. - c. Über die erste und zweite Substanz des Aristoteles. 2. Literatur. a. Etwas über Shakspeare. - b. Über Recitativ und Arie in der italienischen Sing- Komposition. c. Schreiben eines Freundes durch den vorstehenden Aufsatz veranlaßt.

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