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für die Sonntage und Feste des ganzen Jahrs u. a. m., auch Andachtsschriften, zwei Theile herausgegeben.

Beispiel 1.

I. Brief. (Th. I. S. 1.)

Enthält die Veranlassung zu Sophiens Reise nach Sachsen.

Die Wittwe E. an die Majorinn v. F. ihre Tochter.

Memmel, den 11. May 1761.

Wenn du, meine innigftgeliebte Tochter, auch dieses lehte Blatt nicht beantwortest, (denn nun werden meine zitternden Hände wohl nicht mehr schreiben!) so geh' ich mit der allerbekümmerndsten Ungewisheit aus der Welt. Mein Herz, dem alles entrissen worden ist, hängt fest an dir; bedenke selbst, ob dies Herz sich nur einigermaßen trösten kann, so lange ich auch nicht einmal das erfahren kann, ob du lebst? Doch ich will dir, mein liebstes Kind, keine Vorwürfe machen: es wird mir immer gewisser, daß deine oder meine Briefe verloren gegangen sind. Hättest du nur Eis nen bekommen: o gewiß du hättest mir geantwortet. Freylich können die Verwüstungen dieses entseßlichen Krieges dich sehr entschuldigen: aber daß du mich, seitdem du vor beinahe zwey Jahren als Braut aus meinen Armen geführt wurdest, nicht durch Eine Zeile erfreut hast, das können Verwüstungen, wenn sie auch noch unmenschlicher wären, so wenig entschuldigen, daß ich auch die zärtlichsten Verweise aus meinen Briefen, wo du fie je bekommst, zurücknehmen und glauben will, daß alle unsre Briefe verloren sind. O! wenn ein Monarch nur Eine Wunde meines Mutterherzens fühlen sollte: ich weiß er würde, wenns möglich wäre, dem Blutvergiessen steuren. Wenn meine schwachen Augen nicht diese Finsternis des Alters empfänden: so würde ich dir sehr viel schreiben; aber ich bin nah an der Gruft. Und überdem drängt sich mein großer Kummer und die Menge meiner Wünsche für dich, so sehr in meinem Gemüth, daß ich die Feder hinlegen würde, wenn ich auch nur so lange 50 Jahr überlebt hätte, als ich schon 70 zurückgelegt habe.

Meine treue Sophie, deren Jugend ich erzog, um eine Stüße meines Alters zu haben, wagt es in Gesellschaft ihres Bruders, der gestern hier angekommen ist, und zur Armee geht, diese lange Reise zu thun. Ich erstaune über diesen Muth, schreibe ihn aber eines Theils der Begierde zu, die sie hat, ihren Bruder zu begleiten, den sie seit ihrem vierten Jahre nicht gesehn hat. Sie verspricht mir dieses Blatt und die wichtigen Papiere, die ich dir nun endlich überliefern fann, nur in Deine Hände zu geben. Dein Herz wird dir zwar alles sagen, was ich wünsche: ich muß dich aber doch bitten, für dieses liebe Mädgen alle erfinnliche Sorge zu tragen, und sie mir bald und sicher wieder zu schicken; denn diese Liebe von

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hier bis nach Sachsen zu gehen, wollte ich ihr noch gern persönlich verdanken. Du kannst ihr wohl sagen, daß ich ihr das Erbtheil deines ver lornen Bruders zur Belohnung verschrieben habe; dich mein liebstes Kind hat ja Gott so reich gemacht, daß du ihr diese 18000 fl. gern gönnen wirst und daß Karl todt ist, ach Gott! das ist ja wol nur zu gewiß. Hier sage ich auch mit Young genug mein Herz!" O ich bin eine höchst unglückliche Mutter! Meine Kinder! was sage ich? Kinder? ach! er ist ja nicht mehr auf Erden, dieser theure Sohn! - mein Kind, mein einziges Kind! meine zu sehr geliebte Tochter, o! möchtest du diese zitternden Züge meiner Hand, die dich segnet, noch sehen und möcht ich doch noch auf Erden erfahren, daß du lebst, und um mein seliges Ende betest! Wittwe E.

Beispiel 2.

IV. Brief. (Th. III. S. 24.)

Sophie an Henrietten **, ihre Freundin zu Memmel.

Danzig, den 7. August, Freitags

Der Tag ist kaum angebrochen: aber meine liebste Henriette, ich kann nicht schlafen. Mein Gott, wie zerstört ist mein armes Gemüt! Lesen Sie diesen Brief nur meiner Mutter2 nicht vor: denn ich weis noch nicht was ich schreiben will. Einliegendes Zettelchen können Sie ihr geben, als sei das alles was Sie heute von mir bekommen haben.

Ich gehe wie eine Kranke in meinem Zimmer umher. O Marie (fo heist mein Mädchen) könt ich doch so sanft schlafen als du! Meine Henriette! was wolte ich sagen? Mein Herz ist geprest. Ich will versu chen ob ich ihm Luft machen kan. Aber ich kan nicht schreiben, und hier ist nichts zu meiner Erholung, kein Klavier nicht einmal ein Flügel!

In Bohnsak kam mein Bruder3 mir entgegen. Bald aus seiner Anrede merkte ich, daß seine iezige Gemütsart der Liebe werth war, mit der mein Herz mich drang, mich in seine Arme zu werfen. Vormals hat er Grundsäze gehabt, die mich mit mehr Furcht erfüllten als eine Schwester haben mus. Sie haben ihn nicht gesehn Gewis auf seinem Gesicht herrscht noch der Ausdruk seiner ehemaligen Gemütsart. O Gott der du so oft eine so sanfte Gewalt über Zweifler wirken liesseft: bring meis nen armen Bruder ganz zurük, wenn du ihn, wie ich fürchte, noch nicht ganz gewonnen hast! Er spricht sehr viel vom Christentum: aber ich fürchte daß das kein gutes Zeichen ist. Sein Herz glaubt vielleicht schon fest zu seyn: o! wie bald kan es wieder wanken!

1. 6000 Rthlr. (Anm. des Verf.) 2. Jbrer Pflegemutter in Memel. 3. Dieser angebliche Bruber war ein Betrüger.

Ich habe den gestrigen Morgen damit zugebracht, daß ich ihm einen Theil meiner Lebensgeschichte erzält habe. Ich mußte mit der traurigen Geschichte meines Vaters anfangen, denn er weis nichts von unserm Hause. Er weis nicht einmal daß unsre Eltern adelich waren, und ich habe es, da ich dies durch einen glücklichen Zufall gewar ward, ihm sorgfältig ver schwiegen, um nicht ihn und mich in das Unglük zu stürzen das unzälig mannigfaltig ist, das aber mit Einem Wort verarmter Adel heißt. Mir ist es geglükt das ganz zu vergessen, wenigstens so, daß ich wol in Jahrsfrist nicht daran gedacht habe. Doch läugne ich nicht, schäme mich auch nicht, Ihnen zu bekennen, daß dieser Gedanke, wenn er mir einfällt, ein Gefühl meines Verlusts mit sich bringt! Verschweigen Sie meine Geburt sorgfältig meiner Pflegemutter ... Ach! ich fürchte hier, daß ich hochmütig bin! Mein Bruder soll dies nie erfaren, und wenn wir beide so reich würden als wir iezt arm sind (denn wir sind armo Henriette, ich bin noch nicht Madame Van Vlieten' ... vielleicht sage ich Ihnen davon hernach mehr) Sie wissen, daß wie mein armer Vater zuerst das Ruderergrif, um sein dürftiges Leben zu erhalten, ich sein Pettschaft ins Waffer werfen muste. Ich war fünf Jahr alt: aber ich weis die Worte noch, die er unter Thränen, in denen das Feuer der Abendsonne sich spiegelte, von seinen zitternden Lippen hauchte: Dies Wappen sagte er, war ein Ruf zu hohen Tugenden: aber dies Holz (indem er das Ruder aufhob) ,,dies Holz entferne mich von Menschen die nicht werth sind, daß die Tu„gend sich um sie verdient mache! Du meine Tochter (und o! wie schluchzte „hier der Mann der erst so sanft weinte) du brauchst diesen diplomatischen Ruf zur höhern Tugend nicht. Dein Elend wird dich zur stillen Häus,,lichen Tugend laut genug ruffen. Lebt dein Bruder, und weis er, daß ,,er Ahnen gehabt hat: so sag ihm, daß ich ihm verbiete, iemals an sie ,,zu denken. Ich geh nach Rusland; als Bootsknecht geh ich hin! Ift ,,ie (hier legte er die Hand an das Steuer) ein solches Ruder mein: o „Töchterchen! dann kann ich dich kleiden, dich erziehn“ . . . Lassen Sie mich abbrechen! das Glück, meine Blöffe noch einmal zu befleiden, hat er erlebt: aber sein Gebet ist alles was er für meine Erziehung hat thun können. Und sein leztes Gebet in Ihrem Hafen: ich werde es nie vergessen. Er sah wie er Amen gesagt hatte die Memelschen Kirchen an: „Da wonen ia auch Christen sagte er, indem er mir seine Bibel hinreichte: Nimt dich iemand dort auf: so leiste ihm alle Pflichten die dies Buch von dir fodert" und da war es doch in der That bedenklich, wenig. stens war es seine leßte Freude, daß ich beim Aufblättern dieses Buchs die Stelle fand: „Ich habe daselbst einer Witwe geboten, daß sie dich „verforge.“pell and on

1. Der Schiffsherr Puf van Vlieten warb um ihre Hand.

Ostünde ich noch unter dieser treusten Pflegemutter Vorsorge!

Wohlan, nichts soll mich abhalten in ihrem Dienst weiter zu reisen. Ich kan mich fast nicht enthalten, Ihnen zu sagen was in meinem Herzen vorgeht; und doch ists als würde mein Herz verschlossen, als solte ich alles zerreissen was ich geschrieben ́ habe.

II. Geschichtliche Profa. (§. 123.)
Historisch artistisch.

Johann Joachim Winckelmann. 1717-1768.

Johann Joachim Winckelmann wurde am 9. December 1717 zn Stendal in der Altmark geboren und war der einzige Sohn eines dortigen Schuhmachers. Unter Armuth und Noth brachte er seine Jugend hin. In der Schule seiner Vaterstadt zeichnete er sich bald aus und der Rector Tappert nahm ihn in sein Haus. Als dieser blind wurde, war Winckelmann sein Führer und Vorleser, auch Aufseher der Schulbibliothek und legte so den ersten Grund seiner spätern Kenntnisse. Im Jahre 1735 ging er auf das Cöllnische Gymnasium in Berlin und machte von hier aus eine Fußreise nach Hamburg, um auf der Auction der Bibliothek des berühmten Fabricius Ausgaben der Klassiker zu kaufen, wozu er sich unterweges bei Adligen, Beamten und Predigern Beisteuern sammelte. In Halle, wohin er um 1738 auf die Universität gegangen war, musste er fich fümmerlich durchbringen, wendete aber seinen Fleiß mehr auf die Studien der Literatur und des Alterthums als auf Theologie, besuchte mehr die Bibliotheken als die Hörsäle und uur ein Prof. der juristischen und philosophischen Facultät Gottfr. Sellius scheint ihn angezogen zu haben. Durch das Ordnen der Bibliothek des Canzlers Ludwig ward er mit diesem näher bekannt und durch ihn in die Anfangsgründe des Feudalrechts eingeweiht. Nachdem er Halle verlassen, wollte er nach Paris gehen, woran der Krieg ihn hinderte und brachte dann mehrere Jahre theils als Hauslehrer, theils auf der Univ. Jena zu, wo er medicinische und mathematische Collegia hörte, wie er auch in dieser Zeit Bayles großes Wörterbuch zweimal durchlas und sich Auszüge daraus machte. Das sehr ärmliche Amt eines Conrectors in Seehausen verwaltete er, unter eifrigen Selbststudien der Klassiker und der Geschichte, von 1743 bis 1748, in welchem Jahre der Minister Graf von Bünau ihn auf sein demüthiges Bitten bei seiner Bibliothek in Nöthenig bei Dresden als Secretair mit 80 Thlr. Gehalt anstellte. Hier machte er Auszüge aus Geschichtsschreibern und Chroniken für den Grafen, studirte aber daneben fleißig die Alten, sowie die Kirchenväter. Dresdens Nähe weckte seine Liebe zur

Kunst

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Kunst und alle ihm übrige Zeit weihte er der Gallerie, wo er auch Lipperts und Hagedorns Bekanntschaft machte, vor allem aber den päpstlichen Nuntius Monsignor Achinto kennen lernte, welcher ihm die Aussicht auf eine Anstellung an der Vaticana in Rom machte, wenn er zuk römischen Kirche übergehen wollte. Dies that Winckelmann nach manchem Kampfe im Sommer 1754 und ging nun nach Dresden, wo er bei Deser wohnte und 1755 feine Gedanken über die Nachahmung der griechischen Kunstwerke herausgab, welche er dem König August III. widmete. Im Herbste 1755 reiste er darauf mit einem Jahrgehalte von 200 Thirn. auf zwei Jahre nach Rom ab und fand sich jetzt am Ziel seiner sehnlichften Wünsche. Bald fand er auch Freunde, unter denen Mengs, der erste Mahler des Königs von Polen, die bedeutendste Stelle als Künstler und späterhin die Kardinäle Passionei und Alexander Albani als einflussreiche Gönner einnahmen, die ihm selbst beim Papste Benedict XIV. Audienz und Schuß verschafften. Ganz der Betrachtung der Kunstwerke hingegeben lebte Winckelmann zurückgezogen, schrieb die schönen Beschreis bungen der vorzüglichsten alten Statuen und fasste die Idee einer Geschichte der alten Kunst. Im zweiten Jahre schloss er sich mehr dem Kardinal Archinto, seinem frühern Bekehrer an und führte mit dem Baron von Stosch († 1757) in Florenz einen Briefwechsel. Sein Wunsch, Neapel zu sehen, ging im Frühjahr 1756 in Erfüllung. Er lebte hier fünf Wochen in Portici, aus welchem Aufenthalt die Berichte über die herkulanischen Alterthümer ihren Ursprung nahmen und besuchte auch Pästum. Im September 1758 ging er nach Florenz, um das Stoschische Steinfabinet für den jetzigen Besitzer Muzel-Stosch zu ordnen und blieb neun Monat dort. Nach dem Tode des Papstes Benedict XIV. und des 758.2. Cardinals Archinto wurde Winckelmann Bibliothekar und Aufseher der Alterthümer des Cardinals Albani, welcher auch Bibliothekar der Vaticana geworden war. Mit dem Grafen von Brühl machte er eine zweite Reise nach Neapel 1762 und widmete diesem nachher ein Sendschreiben über die herfulanischen Entdeckungen, schrieb auch Anmerkungen über die Baukunft der Alten und arbeitete an den Monumenti antichi inediti und an der Geschichte der Kunst. Im Jahre 1763 erhielt er neben andern Anträgen die Stelle eines Auffehers aller Alterthümer in und um Rom (Antiquario della Camera Apostolica) und ein Jahrgehalt als Wartegeld bis zur Erle digung eines Scrittorats' an der Vaticana. Indessen erschien auch 1764 in Dresden die Geschichte der Kunst und nach einer dritten Reise nach Neapel mit Heinr. Füßli aus Zürich gab Winckelmann: Nach

1. Wohl schon jezt als würkliche Anwartschaft, wenigstens neunt er sich schon 1763 Scrittore der Vaticanischen Bibliothek.

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