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Beispiel 1.

Morgen Gedanken.

1725.

(Aus der achten Aufl. der Gedichte. Göttingen 1753. S. 1.)

Der Mond verbirget sich, der Nebel grauer Schleier
Deckt Luft und Erde nicht mehr zu;

Der Sterne Glanz verschwindt, der Sonne reges Feuer
Stöhrt alle Wesen aus der Ruh.

Der Himmel färbet sich mit Purpur und Saphiren,
Die frühe Morgen - Röthe lacht:

Und vor der Rosen Glanz, die ihre Stirne zieren,
Entflieht das blasse Heer der Nacht.

Durchs rothe Morgen-Thor der heitern Sternen-Bühne
Naht das verklärte Licht der Welt;

Die falben Wolken glühn von blißendem Nubine,

Und brennend Gold bedeckt das Feld.

Die Rosen öfnen sich, und spiegeln an der Sonne

Des kühlen Morgens Perley - Thau;

Der Lilgen Ambra-Dampf belebt, zu unsrer Wonne,
Der zarten Blätter Atlasgrau.

Der wache Feld-Mann eilt mit singen in die Felder,
Und treibt vergnügt den schweren Pflug;

Der Vögel rege Schaar erfüllet Luft und Wälder,
Mit ihrer Stimm und frühem Flug.

Schöpfer! was ich seh, sind Deiner Allmacht Werke,

Du bist die Seele der Natur;

Der Sterne Lauf und Licht, der Sonne Glanz und Stärke, Sind deiner Hand Geschöpf und Spur.

Du stekst die Fackel an, die in dem Mond uns leuchtet,

Du giebst den Winden Flügel zu;

Du leyhyt der Nacht den Thau, womit sie uns befeuchtet,

Du theilt der Sterne Lauf und Ruh.

Du hast der Berge Stoff aus Thon und Staub gedrehet

Der Schachten Erzt aus Sand geschmelzt;

Du hast das Firmament an seinen Ort erhöhet,

Der Wolken Kleid darum gewelzt.

Dem Fisch, der Ströme bläßt, und mit dem Schwanze ftürmet, Hast du die Adern ausgehölt;

Du hast den Elefant aus Erden aufgethürmet,
Und seinen Knochen: Berg beseelt.

Des weiten Himmel - Raums saphirene Gewölber
Gegründet auf den leeren Ort,

Die allgemeine Welt, begränzt nur durch dich selber,
Hob aus dem Nichts Dein einzig Wort.

Doch dreymahl grosser GOtt! es sind erschaffne Seelen

Für deine Thaten viel zu klein;

Sie sind unendlich groß, und wer sie will erzählen,
Muß, gleich wie Du, ohn Ende seyn.

Unbegreiflicher! ich bleib in meinen Schranken,
Du Sonne blend'st mein schwaches Licht;

Und wem der Himmel selbst sein Wesen hat zu danken,
Braucht eines Wurmes Lobspruch nicht.

Beispiel 2.

Aus dem Gedichte: Die Alpen. (ib. S. 21.)

Versuchts, ihr Sterbliche, macht euren Zustand besser,
Braucht, was die Kunst erfand, und die Natur euch gab;
Belebt die Blumen Flur mit steigendem Gewässer,
Theilt nach Korinths Gesch gehaune Felsen ab;
Umhängt die Marmor-Wand mit Persischen Tapeten,
Speist Tunkins Neft2 aus Gold, trinkt Perlen aus Smaragd;2
Schlaft ein beym Saitenspiel, erwachet bey Trompeten,
Räumt Klippen aus der Bahn, schließt Länder ein zur Jagd
Wird schon, was ihr gewünscht, das Schicksal unterschreiben,
Ihr werdet arm im Glück, im Purpur elend bleiben.

Nur die Seele macht ihr Glück, fährt der Dichter fort, weist auf das goldne Zeitalter und preist das Volk der Alpenberge glücklich, bei dem noch Einfachheit der Sitten herrsche, die Laster fremd sein, da es noch arm, nur der Natur lebe in Frohsinn und Unschuld, schildert dann ihre Vergnügungen, ihre Sitten, ihr Land, und fährt v. 38 fort

Wann Pöbus helles Licht durch flücht'ge Nebel strahlet,
Und von dem nassen Land der Wolken Thränen wischt,
Wird aller Wesen Glanz mit einem Licht gemahlet,
Das auf den Blättern schwebt, und die Natur erfrischt:

1. Die bekannten gewürzigen Nester der Salanganschwalbe. - 2. Rheinwein aus grünen Römern,

Die Luft erfüllet sich mit lauen Ambra - Dämpfen,
Die Florens bunt Geschlecht gelinden Westen zollt,

Der Blumen scheckigt Heer scheint um den Rang zu kämpfen,
Ein lichtes Himmel - Blau beschämt ein nahes Gold:
Ein ganz Gebürge scheint, gefirnißt von dem Regen,
Ein grünender Tapet, gestickt mit Regenbögen.

Dort ragt das hohe Haupt vom edlen Enziane3
Weit überm niedern Chor der Pöbel Kräuter hin:
Ein ganzes Blumen - Volk dient unter seiner Fahne,
Sein blauer Bruder selbst, bückt sich, und ehret ihn.
Der Blumen helles Gold, in Strahlen umgebogen,
Thürmt sich am Stengel auf, und frönt sein grau Gewand;
Der Blätter glattes Weiß, mit tieffem Grün durchzogen,
Strahlt mit dem bunten Bliß von feuchten Diamant:*
Gerechtestes Gesäß! daß Kraft sich Zier vermähle,
In einem schönen Leib wohnt eine schönre Seele.

Hier kriecht ein niedrig Kraut, gleich einem grauen Nebel,
Dem die Natur sein Blatt im Kreuze hingelegt;
Die holde Blume zeigt die zwey vergöldten Schnäbel,
Die ein von Amethyst gebildter Vogel trägt."
Dort wirft ein glänzend Blat, in Finger ausgekerbet,
Auf eine helle Bach den grünen Wiederschein;
Der Blumen zarten Schnee, den matter Purpur färbet,
Schließt ein gestreifter Stern in weisse Strahlen ein:"
Smaragd und Rosen blühn, auch auf zertretner Heide?
Und Felsen decken sich mit einem Purpur-Kleide.

Allein wohin auch nie die milde Sonne blicket,
Wo ungestörter Frost das öde Thal entlaubt,

8

3. Gentiana floribus rotatis verticillatis. Enum. Helv. p. 478. eines der größten Alpenkräuter und dessen Heilkräfte überall bekannt sind, und der blaue foliis amplexicaulibus floris fauce barbata Enum. kleiner und unansehnlicher ist. (Anm. Hallers.)

4.

Helv. p. 473., der viel
Weil sich auf den großen

p.

624. idem.)

7. Le

und etwas hohlen Blättern der Thau und Regen leicht sammelt, und wegen ihrer Glättigkeit sich in lauter Tropfen bildet. (Anm. Hallers.) 5. Antirrhinum caule procumbeste, foliis verticillatis, floribus congeftis, ib. -6. Aftrantia foliis quinque lobatis lobis tripartitis. ib. 439. id. dum foliis glabris flore tubulofo und Ledum foliis ovatis ciliatis flore tubulofo. ib. 417. und 418. id. 8. Silene acaulis ib. 375., womit oft ganz grosse Felsen, wie mit einem Purpurmantel, weit und breit überzogen sind. id.

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Wird hohler Felsen Gruft mit einer Pracht geschmücket,
Die keine Zeit verschrt, und nie der Winter raubt.
Im nie erhellten Grund von unterird'schen Pfühlen
Wölbt sich der feuchte Leim mit funkelndem Krystall.
Ein Fels von Edelstein, wo tausend Farben spielen,
Blitzt durch die düßtre Luft, und strahlet überall.
O Reichthum der Natur! verkriecht euch, welsche Zwerge, 1°
Europens Diamant11 blüht hier, und wächst zum Berge.

Im Mittel eines Thals vom Himmel-hohem Eise,
Wohin der wilde Nord den kalten Thron gesetzt;12
Entsprießt ein reicher Brun mit siedendem Gebräuse,
Raucht durch das welke Gras, und sänget, was er nett,
Sein lauter Waffer rinnt voll flüßiger Metallen,
Ein heilsam Eisensalz verguldet seinen Lauff:

Ihn wärmt der Erde Gruft, und seine Fluten wallen
Vom innerlichen Streit vermischter Satze auf: 13

Umsonst schlägt Wind und Schnee um seine Flut zusammen,
Sein Wesen selbst ist Feu'r und seine Wellen Flammen.

Dort aber, wo im Schaum der Strudel-reichen Wellen
Ein schneller Avanson'* gestürzte Wälder welzt,
Rinnt der Gebürge Gruft mit unterird'schen Quellen,
Wovon der scharfe Schweiß das Salz der Felsen schmelzt.
Des Berges holer Bauch, gewölbt mit Alabaster,
Schließt zwar dieß kleine Meer in tiefe Schachten ein;
Allein sein ehend Naß zermalmt das Marmor-Pflaster,
Dringt durch der Klippen Fug, und eilt gebraucht zu seyn:
Die Würze der Natur, der Länder reichßer Segen,.
Beut selbst dem Volk sich an, und strömet uns entgegen.

9. Die Krystall-Mine auf der Grimsel, wo Stücke des vollkommensten Krystalls. von stlichen Zentnern gefunden werden, dergleichen man in- andern Landen niemals gesehen hat. Ich habe selbst das gröste, das jemahls gegraben worden, a. 1733 auf den Alpen betrachtet. Es war 695 Pfuud schwer. (Aum, Hallers.) — 10. Ich vergleiche diese vortreffliche Stücke mit den 40 und 50 pfündigen, die zu den Zeiten des Augustus gefunden und für eine ungemeine Seltenheit angesehen worden sind, id, 11. Krystall - Blühte heißt man ́allerley Selenitische Anschüffe, die um die Krystallgruben gemein sind. id. 12. Die von Natur heißen Wallis - Bäder, die in einem so falten Thale liegen, daß das ganze beträchtliche Dorf im Winter verlassen wird und die Einwohner sich herunter in das wärmere Wallis begeben. id. 13. Die Salz-Mine unweit Bevicux, id, 14. Der dabey fließende Waldstrohm, id.

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Aus Furkens kaltem Haupt, wo sich in beyde Seen1s
Europens Wasser-Schatz mit starken Strömen theilt,
Stürzt Nüchtlands Aare sich, die durch beschäumte Höhen,
Mit schreckendem Geräusch und schnellen Fällen eilt;
Der Berge reicher Schacht verguldet ihre Hörner,
Und färbt die weisse Flut mit Königlichem Erzt,

Der Strom fließt schwer von Gold, und wirft gediegne Körner,
Wie sonst nur grauer Sand gemeines Ufer schwärzt:1
Der Hirt sieht diesen Schatz, er rollt zu seinen Füssen,
O Beyspiel für die Welt, er siehts, und läßt ihn fliessen."

17

Der Dichter redet nun die verblendten Sterblichen an, welche nur Erdenreichthümer suchen ohne glücklich zu werden, während ein verachtet Volk bei Müh und Armuth frölich sei, zeigt wie in großen Städten und neben Tyrannen nur Neid und Haß und Wollust und Bangigkeit herrschen und schließt seinen Gesang:

Ben euch, vergnügtes Volk, hat nie in den Gemüthern
Der Laster schwarze Brut den ersten Siß gefaßt,

Euch sättigt die Natur mit ungesuchten Gütern,

Die macht der Wahn nicht schwer, noch der Genuß verhaßt:
Kein innerlicher Feind nagt unter euren Brüsten,

Wo nie die späte Reu mit Blut die Freude zahlt:
Euch überschwemmt kein Strom von wallenden Gelüften,
Dawider die Vernunft mit eiteln Lehren prahlt,
Nichts ist, das euch erdrückt, nichts ist, das euch erhebet,
Ihr lebet immer gleich, und sterbet wie ihr lebet.

O selig! wer wie Ihr mit selbst-gezognen Stieren
Den angestorbnen1o Grund von eignen Aeckern pflügt:
Den reine Wolle deckt, belaubte Kränze zieren,
Und ungewürzte Speis aus süsser Milch vergnügt:
Der sich bey Zephirs Hauch, und kühlen Wasser-Fällen,
In ungesorgtem Schlaf, auf weichen Rasen streckt:
Den nie in hoher See das Brausen wilder Wellen,
Noch der Trompeten Schall in bangen Zelten weckt,
Der seinen Zustand liebt, und niemals wünscht zu bessern,
Gewiß der Himmel kan sein Glücke nicht vergrössern.

15. Der Rhodan und Ticin nach dem Mittelländischen Meere, die Reuß und Aare in den Rhein und die Nord-Sec. id.

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16. Das in der Aare fliessende Gold, Der Sand bestchet sonst meistens aus kleinen Granaten und sicht deswegen fast schwarz aus. id. 17. Ju den Gebürgen wird kein Gold gewaschen. Die Alpen-Leute sind zu reich darzu. Aber unten im Lande beschäfftigen sich die ärmBien Leute um Aarwangen und Baden damit.

18. angeerbt.

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