Imágenes de páginas
PDF
EPUB

wo nicht ein braver Mann liegen sollte, der für sein Vaterland gestorben ist. Die Wälder erwecken ihr Andenken bey uns:

Die Wälder, wo ihr Ruhm noch ist
Um die bemooßten Eichen schwebet;
We, als ihr Staal vereint geblizt,

Ihr ehrner Arm gesiegt, und Latium gebebet.

[ocr errors]

Wie heilig müssen nicht unsern Nachkommen die Felder von Zorndorf und Kunersdorf seyn! Zitternde Wehmuth und ehrfurchtsvoller Schauer müssen sie durchwandeln, wenn ihr Fuß auf die schon tief eingefallene Grabstätten tritt, unter welchen Epaminonden liegen. Und wenn ich auf dem einsamen Spaziergange, mitten unter dem lärmenden und unachtsamen Pöbel, an deinem Grab, unsterblicher Kleist, an deinem Grabe vorübergehe: dann müsse ich deine fürs Vaterland empfangene Wunden überzählen, deine Entschlieffung, ihm die schon erschöpften Kräfte vollends zu weyhen, fühlend bewundern, und dir den Dank zollen, welchen wir den für unsre Sicherheit sich aufopfernden Patrioten schuldig sind. Wie weit läßt, aus diesem Gesichtspunct betrachtet, der sterbende Krieger den unsterblichen Dichter hinter sich! Seine Werke dienen jezt als Lors beern, die er um sein Grab pflanzt: aber wenn dieses Grab nicht den Patrioten einschlösse: würden diese Lorbeern wol so schön grünen?

4. Christian Garve. 1742-1798.

Christian Garve, am 7. Jan. 1742 zu Breslau geboren, war der Sohn eines Schönfärbers, welcher früh starb und die Erziehung des einzigen Kindes der trefflichen Mutter überließ. Garve wurde von Hauslehrern erzogen und zur Theologie bestimmt, studirte eifrig die Alten, besonders die Römer und neigte sich zur Mathematif. Er ging 1763 nach Frankfurt, wo noch kurze Zeit Alexander Baumgarten und dann Töllner seine Lehrer waren, ging dann nach Halle und studirte auch hier hauptsächlich Philosophie und unter v. Segner Mathematik; erhielt hier auch die Magisterwürde. Nach Halle besuchte er noch die Universität Leipzig, wohnte bei Gellert und wurde mit Weiße, Reiz, Zollikofer und Ernesti bekannt, weshalb eine Professur in Leipzig schon jetzt sein Wunsch wurde. Er ging indessen auf Verlangen seiner Mutter nach Breslau zurück, zog sich aber durch vieles Sißen und Schreiben hypochondrische Leiden zu. Nach Gellerts Tode, dem er eine Denkschrift geschrieben, wurde er zum außerordentlichen Professor der Philosophie in Leipzig ernannt, habilitirte sich durch eine Abhandlung: de ratione scribendi historiam philosophiae und las einige Jahre lang über Mathematik, Logik und ciceronianische Schriften. Weil aber seine Gesundheit zu schwach war, fah er sich mit Schmerzen genöthigt sein Amt aufzugeben, von seinen

Leipziger Freunden sich zu trennen und nach Breslau zurück zu gehen. Hier lebte er unter der Pflege der Seinigen, hielt sich oft auf dem Lande auf, vorzüglich in dem schönen Gebirgsorte Charlottenbrunn, wo sein Lieblingsplätzchen noch den Namen Garve's Ruh führt. Er beschäff. tigte sich nun fortwährend mit gelehrten Arbeiten, wurde durch seinen Freund von Paczensky Friedrich dem Großen empfohlen und hatte mehrere Unterredungen mit dem Könige. Auf Friedrichs Veranlassung unternahm Garve die Übersetzung der ciceronianischen Schrift de officiis mit Anmerkungen und zeigte durch dieses Werk, welches er 1783 vollendete, wie fruchtbar Schriften des Alterthums auch für jetzige Leser gemacht werden können. Friedrich gab Garve eine jährliche Pension von 200 Ntlr. und die Berliner Akademie der Wissenschaften nahm ihn unter ihre Mitglieder auf. Leider musste sich Garve immer mehr der Gesellschaft entziehen, da ein krebsartiger Schade unter dem einen Auge so schrecklich zunahm, daß er dies Auge mit dem Backen verlor und auch der Verlust des zweiten Auges besorgt wurde. Er blieb indessen fortwähreud für die Wissenschafs ten thätig, diftirte, als es ihm zu schwer wurde zu schreiben, und trug sein schweres Leiden mit großer Geduld und Gottergebenheit. Noch we nige Stunden vor seinem Tode beschäfftigte er sich mit seinem Werke: über Gesellschaft und Einsamkeit und musste beim Abschnitte: „Einsamkeit des Kranken" aufhören. Er entschlummerte ganz sauft am 1. Decbr. 1798 im 56. Lebensjahre.

Garve ist mehr ein erfahrungsreicher und klarer als origineller und kühner Denker, mehr populairer als speculativer Philosoph. Sein Stil ist klar, einfach, belehrend, doch wenig lebendig und oft zu weit ausgesponnen, als Übersetzer sucht er sein Original aufs deutlichste darzustellen, als Briefsteller ist er von besonderem Interesse.

Zu seinen Schriften, eignen und übersehungen, welche er selbst oder seine Freunde nach seinem Tode herausgegeben, gehören:

1. Sammlung einiger Abhandlungen aus der Neuen Bi bliothek der schönen Wissenschaften und freien Künste von Chr. Garve. Lpz. 1779, 8. Neue mit 7 Auffäßen verm. Aufl. v. Manso. 2 Th. Lpz. 1802. 8. (Unter den einzelnen Abhandlungen sind besonders zu erwähnen: 3. üb. Gellerts Moral, Schriften und Charakter. - 9. üb. Lessings Laokoon. 10. üb, die natürlichen Neigungen. 11. Einige allgemeine Betrachtungen über Sprachverbesserungen.)

2. Ueber den Charakter Zollikofers an Hrn. Kreissteuereinnehmer Weiß in Leipzig von E. Garve. Leipz. 1788. 8.

3. Versuche über verschiedene Gegenstände aus der Moral, der Literatur und dem gesellschaftlichen Leben von Christ. Garve. Fünf Theile. (Th. 4 u. 5 v. Manso u. Schneider herausg) Brest. 1792-1802. 8. Hierin ist auch seine Abh. üb. Gesellsch. u. Einsamkeit in 5 Abschn.

4. Einige Züge aus dem Leben und Charakter des Herrn E. J. Paczensky von Tenczien aus dem Hause Schleibit, entworfen von Christ. Garve. Breslau 1793. 8. (Eine vortreffliche Biographie.)

5. Vermischte Auffäße, welche einzeln oder in Zeitschriften erschienen sind. Neu herausg. u. verb. v. Chr. Garve. Erst. Th. Brest. 1796. 8. Zw. Th. (von Manso u. Schneider) 1800. 8. (Auszuzeich nen find Th. I.: Über die Lage Schlesïens in verschiedenen Zeitpuncten, und: Übersetzung und Erläuterung der Rede Kleons, eines athenischen Demagogen. 1794; in Th. II.: Über einige Schönheiten der Gebirgsgegenden.)

6. Fragmente zur Schilderung des Geistes, des Charakters und der Regierung Friedrich des Zweiten, von Christ. Garve. Breslau 1798. 8. Zw. Aufl. 1801.

7. Chr. Garve's vertraute Briefe an eine Freundin. Leipz. 1801. 8. (vom Mai 1767 bis Ostern 1768.)

8. Briefe von Christian Garve an Chr. Felix Weiße und einige andere Freunde. Zw. Th. herausg. von Manso u. Schneider. Bresl. 1803. 8. (worin auch Hauptgegenstände der Liter. besprochen sind.) 9. Briefwechsel zwischen Chr. Garve und Georg Joachim Zollikofer, nebst einigen Briefen des erstern an andere Freunde. Breslau 1804. 8.

Zu Garve's Übersehungen gehören:

1. Burke's Philosophische Untersuchungen über den Ursprung unfrer Begriffe vom Erhabenen u. Schönen. A. d. Engl. Riga 1773. gr. 8. 2. Adam Fergusons Grundsähe der Moralphilosophie. Übers. und mit einigen Anm. versehen v. Chr. Garve. Lpz. 1772. gr. 8.

3. Versuch üb. d. Genie von Alex. Gerard, Dr. u. Prof. zu Aberdeen. A. d. Engl. v. Chr. Garve. Lpz. 1776. 8.

4. Abhandlung über die menschlichen Pflichten in drei Büchern, a. d. Lat. des M. Tullius Cicero übers. von Chr. Garve. N. A. Brest. u. Lpz. 1801. 8. u. Philosophische Anmerkungen und Ab handlungen zu Cicero's Büchern von den Pflichten v. Chr. Garve in 3 Bdn. Fünfte Aufl. m. e. Abh. über die Verbindung der Moral mit der Politik. Brest u. Lpz. 1801. 8. — (Diese Hauptschrift Garve's erlebte von 1783 bis 1801 fünf Aufl.)

5. Die Ethik des Aristoteles, übers. u. erläut. v. Chr. Garve. Erst. Bd. nebst e. Abh. üb. die verschiedenen Principe der Sittenlehre v. Aristoteles bis auf unsre Zeiten. Brest. 1799. 8. Zw. Bd. 1801. 8.

6. Die Politik des Aristoteles, überf. v. Chr. Garve, herausg. u. m. Anm. begleitet v. G. G. Fülleborn. 2 Bde. Bresl. 1799, 1800. 8.

Beispiel 1.

Aus den Briefen an Christ. Felix Weiße. (Th. I. S. 86.)

23.

Breslau, den 19. Nov. 1774.

Ich habe die Leiben des jungen Werther gelesen; und sie haben auf mich den größten Eindruck gemacht, den irgend ein Buch dieser Art seit Langer Zeit gemacht hat. Dieses Einzige ist schon ein großes Verdienst des Werkes in meinen Augen, weil ich so lange fast durch keine andere Leiden, als durch meine eignen, stark gerührt worden bin; und weil diese Rührung bey fremder Noth etwas so angenehmes und befriedigendes für die Seele ist. Ich habe also bisher noch gar nicht daran gedacht, was dieses Buch auf andre Gemüther für Wirkung thun könne. Auf mich hat es diese gethan: erßlich, daß ich von wirklicher Hochachtung, Liebe und Mitleiden gegen den jungen Menschen eingenommen worden bin, der eine fo edle Seele, eine so lebhafte Einbildungskraft, und einen so tiefbringenden Verstand ganz in einen einzigen Gegenstand versenkte, und in demselben verzehrte. Sodann bin ich mit ihm in seine Lotte verlicht worden, so wenig ich auch noch von ihr weiß. Aber das Wenige ist etwas schr gutes, und seine Leidenschaft steckt an. Endlich habe ich, bey der Voraussetzung, daß der Fond der Geschichte wahr sey, mich damit getrösket, daß nicht bloß Wuth und Gottesvergessenheit, sondern Liebe gegen ein anderes Geschöpf, mit zu heftiger Begierde nach einer höhern Vollkom menheit verbunden, seinen leßten ausschweifenden Schritt hervorgebracht hat. Sie sagen, Sie wünschten, daß jemand in Wilhelms Nahmen ihn widerlegt, und seine Briefe beantwortet hätte. Aber es kommen nur wenig Gründe für den Selbstmord darin vor; am meisten redet bloß die Leidenschaft. Das wäre nun zwar sehr leicht, jene Gründe zu beantworten, und diese Leidenschaft zu bestreiten. Bey gesunder Vernunft läßt sich ganz deutlich zeigen, daß Werther sich irrt, wenn er glaubt, es gebe kein Frauenzimmer mehr, mit welchem er glücklich seyn würde, als Lotten; daß diese Concentration aller Begriffe und Begierden auf ein Object, unsrer Natur, der Natur der Dinge, der Wahrheit und der Pflicht entgegen sey. -Aber das ist unendlich schwer, selbst in der Leidenschaft zu seyn, oder sich in dieselbe zu versetzen und doch dabey den Ausweg zu solchen Ideen zu finden, die schon eine Abkühlung des Affects voraussehen. Das beste, was man einem solchen Menschen sagen kann, sagt ihm wirklich Lotte. ,,Sie haben, sagt sie, seit geraumer Zeit, keinen andern Menschen besucht, als uns; das hat Sie eingeschränkt und unthätig gemacht. Gehen Sie wieder in die Welt und unter die Menschen. Sie werden dort gewiß würdige Frauenzimmer finden, die Ihnen gefallen. Wählen Sie eins; und dann kommen Sie zu uns zurück, und wir wollen als Freunde leben."

Ich würde noch einen andern Rath benfügen, der sich auf das ganze Temperament des Werther bezöge. Sein Hauptfehler ist nähmlich: er fällt immer mit ganzer Seele nur über einen oder einige wenige Gegenstände. Diese liebt und verehrt er bis zur Ausschweifung; alle andern verachtet und haßt er. Deßwegen klagen ihn seine Neider des Stolzes an; und den hatte der junge J. wirklich, wofern Werther ihn vorstellen soll. Er schäßt sich selbst seiner übertriebenen Empfindlichkeit wegen so hoch, daß, eben, indem er glaubt durch dieselbe sich bis zum Gräschen und zum Insekt herablassen, und diese alle mit seiner Liebe umfassen zu können, er darüber gute Menschen, seines Gleichen, die aber ruhiger und kälter, oder auch vielleicht nur nicht vornehm oder angesehen genug sind, von sich stößt, und von seinem Wohlwollen ausschließt. Ueber den Menschen ist hin und wieder sehr wahr philosophirt. Aber wenn das alles endlich da hinausläuft, daß dies Leben wirklich ein frivoles, unbedeutendes Leben für einen nach Erkenntniß und Vollkommenheit strebenden Geist sey; und wenn man doch daben das Daseyn eines immer lebenden vollkommensten Geistes annimmt: so muß dadurch eben die Idee eines uns unbekannten, unbegreiflichen Plans desto stärker werden, den die höchste Weisheit mit uns ausführen will, und den wir, eben weil wir ihn nicht kennen, so wenig stören müssen, als uns möglich ist.

Mit dem Ausdrucke, mit einigen einzeln zu weit und zu künstlich ausgemahlten Bildern, mit einigen gar zu weit getriebenen, und unnatürlichen Ausbrüchen der Leidenschaft bin ich weniger zufrieden. Daß in dem Verfasser kein gemeiner Geist wohnt: das erkenne ich, wie ich glaube, mit Gewißheit. Und von einem solchen wird unser Vaterland mit der Zeit immer mehr reise und genießbare Früchte zu erwarten haben.

Möchte doch auch Engel endlich seine Bestimmung finden. Ich sehe ihn gern in Gotha, da der beste meiner hiesigen Freunde, ein Mann aus unserm Adel, liebenswürdig und geliebt, aber kränklich, diesen Winter auch dort ist.3

Ich hätte noch vielerley zu sagen. Aber der Brief ist ohnedieß zu lang. Also behüte Sie der liebe Gott; und lassen Sie wieder einmahl etwas von sich hören.

1. Jerusalem, der Sohn des unten unter den Rednern zu erwähnenden Abtes Jerusalem in Braunschweig, wurde für das Original des Werther gehalten und hatte sich in Weßlar erschossen. S. unten bei Jerusalem: IV. Rhetorische Prosa. 3. 2. v. Paczensky. 3. Es fehlen einige Privatangelegenheiten.

[ocr errors]
[ocr errors]
« AnteriorContinuar »