Dir will ich mich ergeben, Laß du mich Gnade finden, Wenn ich in Christo sterbe: Ich will den Kummer wehren, Beispiel 6. Der Schuß der Kirche. (ib. 494.) Wenn Christus seine Kirche So mag die Hölle wüten. Gott sieht die Fürsten auf dem Sich wider ihn empören; Der Frevler mag die Wahrheit Uns kann er sie nicht rauben. Auf, Christen! die ihr ihm vertraut, Bei. Beispiel 7. Trost des ewigen Lebens. (ib. 496.) Nach einer Prüfung kurzer Tage Hier übt die Tugend ihren Fleiß; auf Erden Schon manchen selgen Augenblick; Bald das Geräusche dieser Welt; In Kummer und in Ungeduld. Pein, Hier such ichs nur, dort werd ichs finden; Dort werd ich, heilig und verklärt, Den unaussprechlich großen Werth; Da wird der Vorsicht heilger Wille Mein Will und meine Wohlfahrt seyn; Und lieblich Wesen, Heil die Fülle Da werd ich das im Licht erken Da ruft, o möchte Gott es geben! Die Seele mir gerettet; du! Was send ihr, Leiden dieser Er- Doch gegen jene Herrlichkeit, Ist doch ein Augenblick voll Müh. Der Retter einer Seele seyn! Beispiel 8. S. Aus den moralischen Vorlesungen. (Bd. 4. . 144.) Die Geschichte, wenn wir sie auf eine weise Art studiren, verkürzet den langen und mühsamen Weg, den Menschen und uns selbst kennen zu lernen. Der Mensch ist in allen Weltaltern, nur unter verschiedenen Gestalten, eben derselbe. Seine Neigungen und Gesinnungen lassen sich aus seinen Thaten und Handlungen bestimmen, und diese aus jenen erklären. Aber wie oft erlernen wir die Geschichte nur für das Gedächtniß; höchstens zum Gebrauche des Verstandes und zur Zierde der Beredsamkeit! Wie selten für unser Herz! Wie selten von der Seite, wo sie der Spie gel der göttlichen Vorsehung und die Auslegerinn alles dessen ist, was uns die Religion von der Beschaffenheit des menschlichen Herzens lehret! Wie zuträglich würde es zu dieser Absicht seyn, wenn wir viel umständliche und mit Einsicht geschriebene Lebensbeschreibungen, nicht allein der Großen, sondern auch der merkwürdigen Personen des mittlern, und der tugendhaften des niedrigen Standes, lesen könnten! Aber diese Lebensbeschreibungen müßten uns die Großen nicht bloß auf ihren glänzenden Thronen, nicht bloß in ihren ersiegten Lorberkränzen; die Staatsmänner nicht bloß in ihren Studirstuben zeigen, wie sie sich den Wissenschaften auf: opfern. Sie müßten sie uns auch, um uns ihren sittlichen Charakter kennen zu lehren, in den Angelegenheiten ihres Hauses und Herzens, in dem `vertrauten Umgange mit ihren Freunden und mit ihrer Familie, in dem Verhalten gegen ihre Untergebenen, in den geheimen Rollen, die sie frey von aller Verstellung im Glücke und Unglücke gespielt, in den Lieblingsfehlern sehen lassen, die sie bald glücklich, bald unglücklich bestritten haben. Wir müßten sie darinnen, ohne rednerische Vergrößerungen ihrer guten Eigenschaften, in so aufrichtigen Gemälden erblicken, als uns die heilige Schrift von ihren großen Männern macht, die bey aller ihrer Frömmigkeit immer noch Menschen sind, unvollkommene und doch im Guten nachahmungswürdige Beyspiele. Solche Nachrichten würden nüßlich seyn, uns die Kenntniß des Menschen erleichtern und uns unser eigenes Bild in Andern sehen lassen. Wenn große und rechtschaffene Männer aufrichtige Anekdoten ihres geheimen Lebens aufsetzten und sie den Händen ihrer Freunde überließen, aus denen sie zu der Zeit, da es die Klugheit erlaubte, der Nachwelt mitgetheilt würden; wie lehrreich würden sie nicht dem denkenden Leser, und wie demüthigend oft für ihn seyn! Wie glänzend ist Ludwig, der Große, wenn ihn uns die Geschichte von ferne auf dem Throne, in seinen Eroberungen und auf dem Theater königlicher Anstalten zeigt! Wie glücklich scheint er zu feyn! Und doch wie sehr ein Mensch, wie klein, wie unglücklich wird er uns, wenn wir ihn in der Nähe, auf seinem Zimmer, in der Gewalt verstellter Lieblinge, an der Seite unglücklicher Kinder, un ter der Last seiner Leidenschaften, in den Fesseln der Wollust, unter den Zurufungen der Schmeichler, unter der Unruhe seiner leeren Stunden, und endlich an der Hand einer Maintenon voller Scham über seine Vergehungen erblicken, und, um den Herrn aller Herrn zu seinem Freunde zu ma chen, ihn, in der falschen Meynung die Religion zu beschüßen, gegen ihre aufrichtigsten Bekenner mit einem blutdürftigen Schwerdte wüten sehen! Ihn von der ersten Seite kennen, heißt ihn nur nach einem betrüglichen Schein kennen; ihn von der andern Seite kennen, muß einen Prinzen Weisheit und Kenntniß seiner selbst lehren. Einen Racine, einen Addison nur als Dichter kennen, ist wenig; ihn als Freund, als Vater, als Clienten, ihn als Jüngling, als Mann bey Hofe, ihn als einen Christen, ihn im Tode kennen, dieses ist Kenntniß für das Herz. Wenn der Jüng ling in dem Leben des Addison liest: „Als Addison die Aerzte und alle Hoffnung des Lebens aufgegeben, ließ er einen jungen nahen Anverwand,,ten, dem er noch sterbend nüßen wollte, zu sich rufen. Anfangs schwieg „der sterbende Addison. Nach einer bescheidnen und anständigen Pause „sagte der Jüngling: Theuerster Herr, Sie haben mich rufen lassen. Ich „glaube und hoffe, daß Sie mir etwas befehlen wollen. Ich werde Ihre „Befehle heilig beobachten. Darauf ergriff Addison des Jünglings Hand, „drückte sie und sprach sanft zu ihm: Siehe, in welchem Frieden. ein Christ sterben kann! Er sprachs mit Mühe aus und starb bald darauf." Wenn ein Jüngling diese Nachricht liest, sollte sie nicht den Wunsch in seinem Herzen erwecken, auch einst so glückselig und lehrreich zu sterben, und täglich so zu leben, damit er einst auf diese Art sterben könne? Lassen Sie diese Erzählung einen tiefen Eindruck auf Ihr Herz machen, theuerste Commilitonen. In diesem Frieden sterben können, das ist die wahre Hoheit des Menschen und Christen, das ist Ruhm und Seligfeit. Beispiel 9. 75. An den Grafen **** (Briefe Bd. 5. S. 130.) Leipzig den 3. April 1775. Ich bin außer mir, und ich muß es Ihnen sagen, daß ichs bin, ob ich gleich erst gestern an Sie geschrieben habe. Gestern war ich noch nicht mit dem 5ten Theile des Grandison zu Ende. Ich las zwar bis des Nachts um 12 Uhr ein Fehler, den ich seit der Clarissa nicht begangen. Ich schlief, wie Sie leicht denken können, die ganze Nacht wenig — elend. Kaum hatte ich heute morgen nach 6 Uhr in der Bibel gelesen, so ergriff ich den Grandison, um ihn statt einer Rede aus dem ** zu le sen. Ich las, ich kam auf den Abschied des Grandison und der Clementine. Ach Graf, lieber Graf! Nun habe ich wieder das größte Vergnügen des Lebens geschmeckt, das ich schmeckte, als ich den letzten Theil der Clarissa las. Seit so vielen Jahren habe ich weder über Natur, noch Nachahmung (einige bittre Thränen der Traurigkeit ausgenommen) weinen können nicht weinen können, um alle Wunder der Natur nicht, so hart, so verschlossen ist mein Herz gewesen! und heute, diesen Morgen den 3. April zwischen 7 und 10 Uhr (gesegneter Tag -) habe ich geweinet, theurer Graf, mein Buch mein Pult mein Gesicht mein Schnupftuch durch durchgeweinet, lautgeweinet, mit unendlichen Freuden geschluchzet, als wäre ich in Bologna, als wäre ich Er, als wäre ich Sie, als wäre ich das seelige Gemische von Glück und Unglück, von Liebe und Schmerz, von Tugend und Schwachheit gewesen, und kein Mensch hat mich gestöret. -Gott was ist in diesem Buche! Nun begreife ich, wie die Tragödien der Alten haben so gewaltsame und unglückliche (unglaubliche?) Wirkungen thun können. Ja, Graf, in den Augenblicken nicht fort lesen — nicht mehr fühlen sollen dort auf der Rasenbank hier in der Cle: mentine Zimmer lieber hätte ich alle mein Vermögen verloren. Kann denn Richardson zaubern? Ja, ihm steht alles, was nur rühren be stürmen, alles was hinreißen, und zur Trunkenheit entzücken kann, zu Ge bote, und seine Landsleute zweifeln noch einen Augenblick daran? Aber er muß sterben; Er soll sterben! und alsdann wird man ihm Gerechtig keit wiederfahren lassen. Haben sie den Gay einiger Fabeln wegen in die Gräber der Könige gelegt: so werden sie einen Richardson — unsterblicher Name! Ehre des menschlichen Geschlechts und Fürst der Romandichter! Glücklicher Tyrann aller unsrer Leidenschaften! Dich sollten sie nicht in die Gräber der Könige, nicht zur Asche des Milton, und wenn noch ein ehrwürdigerer Ort ist, nicht dahin legen? Schreib, aber das ist über die Kräfte der Menschheit, schreib noch einen Grandison, und dann 1. Vermuthlich an den Grafen Moriß von Brühl. |