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SEP 30 1914
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Die Schwierigkeiten, welche die Interpretation und die Uebersetzung des Justinianeischen Codex hat, sind zum grössten Theil von ganz anderer Art als die der Pandecten, und obwohl vielleicht zahlreicher und mannigfaltiger, doch nicht in den einzelnen Fällen so gross und von solcher Bedeutung, wie in diesen. Den Unterschied kann man richtig so bezeichnen, dass die Uebersetzung der Pandecten schwerer, die des Codex aber mühseliger ist. In den Pandecten ist die Interpretation, das richtige Verständniss jeder Stelle und jedes Fragments, bei weitem die Hauptsache, und mit dieser die Uebersetzung in der Regel so vorbereitet, dass dieselbe nichts Erhebliches weiter darbietet; allein im Codex fängt sehr oft die Schwierigkeit erst mit der Uebersetzung an, wenn auch für die Interpretation keine Dunkelheiten oder Zweifel mehr vorhanden sind. Der Grund davon liegt sowohl in dem Inhalt, als in der Sprache. Es leuchtet von selbst ein, inwiefern ersterer, da die Pandecten aus Fragmenten solcher Werke bestehen, welche das Römische Recht wissenschaftlich behandeln, und sowohl Lehrsätze als interpretatorische,

historische und besonders dogmatische Ausführungen enthalten, deren Verfasser zum Theil zwei von einander in ihren Ansichten abweichenden Schulen angehörten, und welche uns das Resultat des Forschens neben tiefen Untersuchungen der Rechtsgelehrten geben, ein ganz anderer sein miisse, als der des Codex, einer Sammlung von kaiserlichen Rescripten und Gesetzen. Sind nämlich die Pandecten-Fragmente, der Beschaffenheit zufolge, in der sie auf uns gekommen, in der Regel nur im Zusammenhange unter einander, wie sie gestellt sind, oder in Verbindung mit andern Fragmenten desselben Schriftstellers aus demselben Werke zu verstehen, wenn man einen ganz richtigen Ueberblick gewinnen will, so ist dies bei den Constitutionen der Kaiser, selbst wenn sie uns nur fragmentarisch vorliegen, fast immer gerade umgekehrt, weil jede ursprünglich ein Ganzes war und einen besondern einzelnen Fall enthielt. Hierzu kommt, dass die Verfasser der Schriften, aus denen die Pandecten zusammengesetzt sind, eben so wenig die Verpflichtung als vielleicht oftmals die Absicht hatten, nach allgemeiner Verständlichkeit zu streben, dahingegen dies doch dein Gesetzgeber, auch wenn er als Regent nur an Einzelne Resolutionen erlässt, gerade als eine der ersten Pflichten obliegt, und man muss in dieser Beziehung den Constitutionen die vollständigste Gerechtigkeit widerfahren lassen. Es entsteht ferner aus dem gedachten Unterschiede die so sehr wichtige Folge, dass, da die jüngere Constitution nothwendiger Weise die ältere aufhebt, sich vorkommende Widersprüche vom historischen Standpunkte aus auf das allerbefriedigendste lösen lassen; gerade von diesem aus aber dergleichen in den Pandecten auszugleichen, hat meistens seine besondern Schwierigkeiten und verlangt grosse Vor

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geringen Theil wirkliche dogmatische Ausführungen und weitläuftige und verwickelte Widerlegungen entgegenstehender Ansichten; die völlige Einsicht und das Verstehen dieser erschwert ausserdem die bekannte Gestalt und Eigenthümlichheit der Zusammensetzung derselben in bedeutendem Grade. Alles dieses fällt im Codex fast durchaus weg, da er nur Entscheidungen enthält, eine Entscheidung aber begreiflich leichter zu verstehen ist, als eine rechtliche Deduction. Man könnte diese Parallele leicht noch viel weiter fortsetzen in welcher Rücksicht ich nur noch daran erinnern will, dass sämmtliche aufgenommene Constitutionen zur Zeit der Promulgation des Codex bekannte und praktische rechtliche Verhältnisse betreffen, die in demselben ineist eine genügende Aufklärung finden, die Pandecten hingegen viel antiquarisches Recht enthalten, dessen Sichtung mit besonderer Vorsicht behandelt sein will, allein das bisher Gesagte wird schön die wesentlichsten Merkmale erkennen lassen, weshalb die Interpretation der Pandecten ungleich schwieriger ist, als die des Codex. Ziehen wir nun die Sprache der Pandecten und des Codex in Betracht und zur Vergleichung, so kann es zwar nicht in meinem Plane liegen, oft Gesagtes und Bekanntes über den Styl der Pandecten zu wiederholen, da hier vielmehr eben sowohl wie über den der Constitutionen ein allgemeines Urtheil der Natur der Sache nach nicht gefasst werden kann, sondern jeder Jurist und jedes Kaisers Constitutionen besonders betrachtet und beurtheilt werden müssen; allein die allgemein umfassende Schlussfolge kann man, alles Uebrige bei Seite gesetzt, doch ziehen, dass, da die jüngsten derjenigen Juristen, aus welchen Fragmente in die Pandecten aufge

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nommen worden sind, in der Zeit lebten, aus welcher, den ́ Styl anlangend, gerade die besten Constitutionen im Codex gefunden werden, erst nach den Zeiten der Pandectenjuristen das völlige Sinken der Sprache Roms eintrat, indem gerade die letzten unter ihnen dasselbe noch einige Zeit aufhielten, oder wenigstens sich vor ihren Zeitgenossen merklich auszeichneten, wofür die Gründe ebenfalls bekannt genug sind. In sofern nun die Juristen den classischen Schriftstellern schon der Zeit nach viel näher stehen und zum Theil Genossen der goldenen Zeit der Sprache Roms waren, ist auch ihr Styl dem jener ungleich ähnlicher und gilt theilweise als Muster reiner Latinität. Der Rechtsgelehrte, welcher daher, durch das Studium der classischen Schriftsteller vorbereitet, das der Pandecten beginnt, wird sich immer noch im bekannten Lande der classischen lateinischen Sprache zu befinden und nicht selten ciceronianische Rede zu vernehmen glauben. Allein wenn er sich den Grenzen des Codex nahet, so ziehen Wolken und Nebel nebst allen Truggebilden des Dämmerlichts an dem bisher reinen Himmel herauf, die zwar die Gegenstände so eben noch erkennen lassen, indessen oft in ganz anderer als der natürlichen Färbung, mit verzerrten Umrissen, trügerischen Schnörkeln und Auswüchsen, und oft erst, nachdem er sie zwei- und dreimal genauer besehen.

Cramer) hat die Gründe des Verfalls der Sprache eben so vorzüglich auseinander gesetzt, als inhaltsreiche Winke zu einer ausführlichern Abhandlung über den Styl des Codex ge

*) In der Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft, Bd. Il. S. 289 u. ff.

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