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Es wird vielleicht sonderbar scheinen, dass ich die Theorie der Dichtungsarten, wovon ich hier einen nur so unvollkommnen Anfang liefere, nicht lieber aus Griechischen und Römischen, als aus Deutschen, Mustern habe entwickeln wollen. Denn jene Muster sind doch immer die frühern, und werden einhellig von allen Nationen als vortrefflich erkannt; auch ist das was wieder unter ihnen das Vortrefflichste ist, schon so ausgesondert, dafs ich mir

fast alle Mühe des Sammelns und Auswählens hätte ersparen können. In der That hätte ich mir diese Mühe äusserst

gern erspart; denn Werke der DichtA kunst, wenn ich die vortrefflichen eines Wieland und weniger Andern ausnehme, haben schon lange aufgehört meine Lieblingslectüre zu seyn.

Allein die Veranlassung dieses Werks, die ich kürzlich erzählen will, liefs mir in diesem Stücke keine Wahl übrig: ich musste mich allein auf deutsche Dichter einschränken. Ich erhielt nehmlich den Auftrag, aufser dem philosophischen Unterricht, der mir zugetheilt war, auch eine Anleitung zur geschmackvollen Lesung der besten vaterländischen Dichter zu geben; denn man erkannte sehr wohl, wie wichtig

die Bildung des Geistes und Ge schmacks durch Werke der Muttersprache sei; da die künftige Nützlichkeit des Studirenden für sein Vater→ land hauptsächlich davon abhängt, wie richtig und kräftig und fein er in der Sprache seines eigenen Volkes denkt und sich ausdrückt. Ich sah mich also nach einer Sammlung von auserlesenen Stücken aus deutschen Dichtern

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um; allein ich fand keine, die mir zu meiner Absicht gefallen hätte. Einige der Sammler hatten sich blofs auf gewisse Gattungen der Dichtkunst, oder auch auf gewisse Zeiten und Provinzen eingeschränkt; Andre hatten blofs für Kinder, wieder Andre nicht mit genug, oder auch mit zu viel Geschmack gesammelt. Denn ich wünschte eine

Sammlung nicht bloss von Beispielen des Guten, die ich loben, sondern auch des Schlechten, die ich tadeln könnte. Ich erinnerte mich des Ismenias von Theben, der seine Schüler nicht immer nur vortreffliche, sondern mitunter auch schlechte Flötenspieler hören liefs, um sie für die Schönheit des Vortrags durch das Fehlerhafte desto empfindlicher zu machen, und wenn er ihnen gesagt hatte: So mufs man spielen! ihnen auch sagen zu können: So muss man nicht spielen! *)

Mein erster Gedanke war also blofs, eine eigne Sammlung herauszugeben, die meinen Absichten mehr als die schon vorhandenen entspräche. Die

* Man s. Plutarch im Leben des Demetrius, zu Anfange.

Ordnung, nach welcher ich die gewählten Stücke reihen wollte, war

leicht gefunden: ich beschlofs, sie nach den verschiednen Dichtungsarten zu

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reihen. Aber, aufser dem Ekel den

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ich bald bei dieser Arbeit empfand, ward es mir, während des Sammelns, immer einleuchtender: wie unphilosophisch man bisher bei Bestimmung der Dichtungsarten verfahren; wie man ganz verschiedne Gründe der Eintheilung durch einander geworfen, zufällige für wesentliche gegriffen, sich bei Bestimmung der Gattungen blofs auf das eingeschränkt wovon man bei den Alten Beispiele fand, Manieren einzelner Dichter zu Regeln gemacht, nirgend bis zu allgemeinen deutlichen Begriffen hinaufgestiegen, wichtige Un

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