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ihn zuweilen mit nassen Augen an und war auch stille. So sassen sie alle bis Abends neun Uhr. Da bemerkte Cathrine zuerst, dass ihres Vaters Odem still stand. Sie rief ängstlich: Mein Vater stirbt !-Alle fielen mit ihrem Angesicht auf das Bette, schluchsten und weinten. Henrich stund da, ergriff seinem Grossvater beide Füsse und weinte bitterlich. Vater Stilling hohlte alle Minuten tief Odem, wie einer der tief seufzet, und von einem Seufzer zum andern war der Odem ganz stille; an seinem ganzen Leibe regte und bewegte sich nichts als der Unterkiefer, der sich bei jedem Seufzer ein wenig vorwärts schob.

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Margrethe Stillings hatte bis dahin bei all ihrer Traurigkeit noch nicht geweint; so bald sie aber Catharinen rufen hörte, stund sie auf, ging ans Bett, und sah ihrem sterbenden Manne ins Gesicht ; nun fielen einige Thränen die Wangen herunter; sie dehnte sich aus (denn sie war vom Alter ein wenig gebückt), richtete ihre Augen auf und reckte die Hände gen Himmel, und betete mit dem feurigsten Herzen; sie holte jedesmal aus tiefster Brust Odem, und den verzehrte sie in einem brünstigen Seufzer. Sie sprach die Worte plattdeutsch nach ihrer Gewohnheit aus, aber sie waren alle voll Geist und Leben. Der Inhalt ihrer Worte war, dass ihr 20 Gott und Erlöser ihres lieben Mannes Seele gnädig aufnehmen, und zu sich in die ewige Freude nehmen möge. Wie sie anfieng zu beten, sahen alle ihre Kinder auf, erstaunten, sunken am Bett auf die Knie und beteten in der Stille mit. Nun kam der letzte Herzensstoss; der ganze Körper zog sich; er stiess einen Schrei aus ; nun war er verschieden. Margrethe hörte auf zu beten, fasste dem entseelten Manne seine rechte Hand an, schüttelte sie und sagte: Leb wohl, Eberhard! in dem schönen Himmel! bald sehen wir uns wieder! So wie sie das sagte, sank sie nieder auf ihre Knie; alle ihre Kinder fielen um sie herum. Nun weinte auch 30 Margrethe die bittersten Thränen und klagte sehr.

Die Nachbarn kamen indessen, um den Entseelten anzukleiden. Die Kinder stunden auf, und die Mutter hohlte das Todtenkleid. Bis den folgenden Montag lag er auf der Baare; da führte man ihn nach Florenburg, um ihn zu begraben.

Herr Pastor Stollbein ist aus dieser Geschichte als ein störrischer wunderlicher Mann bekannt, allein ausser dieser Laune war er gut

und weichherzig. Wie Stilling ins Grab gesenkt wurde, weinte er helle Thränen; und auf der Kanzel waren unter beständigem Weinen seine Worte: Es ist mir leid um dich, mein Bruder Jonathan! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben! und der Text zur Leichenrede war: Ei du frommer und getreuer Knecht! du bist über weniges getreu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude!

Sollte einer meiner Leser nach Florenburg kommen, gegen der Kirchthür über, da wo der Kirchhof am höchsten ist, da schläft Vater Stilling auf dem Hügel. Sein Grab bedeckt kein prächtiger 10 Leichstein; aber oft fliegen im Frühling ein Paar Täubchen einsam hin, girren und liebkosen sich zwischen dem Gras und Blumen, die aus Vater Stillings Moder hervorgrünen.

MATTHIAS CLAUDIUS.

[Scherer D. 512, E. 126.]

Geboren 1740 im Holsteinischen, studierte in Jena, trat mit den Dichtern des Göttinger Bundes in Verbindung, zog sich später nach Wandsbeck bei Altona zurück, wo er unter dem Namen Asmus eine populäre Wochenschrift, den Wandsbecker Boten, herausgab. Er starb 1815. Eine Anzahl seiner Lieder ist volksthümlich geworden. Er gab eine Sammlung seiner 20 Werke unter dem Titil 'Asmus omnia sua secum portans, oder Sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen' heraus 8 Thle. (Hamburg 1775-1812). Neue Ausgabe von Redlich. (Gotha 1871 u. ö.)

I.

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DIE GESCHICHTE VON GOLIATH UND David, in Reime

BRACHT.

I.

VOL. II.

War einst ein Riese Goliath,

Gar ein gefährlich Mann !

Er hatte Tressen auf dem Hut

Mit einem Klunker dran,

Und einen Rock von Drap d'argent
Und alles so nach advenant.

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So kam er alle Tage her,

Und sprach Israel Hohn.

'Wer ist der Mann? wer wagt's mit mir?

Sei Vater oder Sohn,

Er komme her der Lumpenhund,

Ich bax 'n nieder auf den Grund.'

5.

Da kam in seinem Schäferrock

Ein Jüngling zart und fein;
Er hatte nichts als seinen Stock,

Als Schleuder und den Stein,

Und sprach: 'Du hast viel Stolz und Wehr,

Ich komm' im Namen Gottes her.'

6.

Und damit schleudert' er auf ihn,

Und traf die Stirne gar; Da fiel der grosse Esel hin

So lang und dick er war.

Und David haut' in guter Ruh'
Ihm nun den Kopf noch ab dazu.

20

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Gott, lass uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,

Nicht Eitelkeit uns freun!
Lass uns einfältig werden,

Und vor dir hier auf Erden

Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Wollst endlich sonder Grämen

Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!
Und, wenn du uns genommen,
Lass uns in Himmel kommen,

Du unser Herr und unser Gott!

So legt euch denn, ihr Brüder,

In Gottes Namen nieder;

Kalt ist der Abendhauch.

Verschon uns, Gott! mit Strafen,

Und lass uns ruhig schlafen!

Und unsern kranken Nachbar auch !

3.

RHEINWEINLIED.

Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher,

Und trinkt ihn fröhlich leer.

In ganz Europia, ihr Herren Zecher !

Ist solch ein Wein nicht mehr.

Er kommt nicht her aus Hungarn noch aus Polen,
Noch wo man Franzmänn'sch spricht;

Da mag Sankt Veit, der Ritter, Wein sich holen,

Wir holen ihn da nicht.

Ihn bringt das Vaterland aus seiner Fülle;

Wie wär' er sonst so gut!

Wie wär' er sonst so edel, wäre stille

Und doch voll Kraft und Muth!

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