Sie suchen alle Schutz, wo keiner zu finden, Unten kehrt man Bank und Sessel um, Sich gegen den Regen zu bergen, Alles murrt und zankt, Niemand weiss weswegen, Und der geliebte Werther Muss im Monologe Der Leidenschaft gebieten und inne halten, Das Stück bleibt stehn, So lange das Gewitter des Himmels spielt. Mancher schleicht fort, Und der durchnässten Versammlung Wird in der Finsterniss Bei wenigen Lichtern, Gegen die die Fledermäuse fliegen, Das Schauspiel geendigt, Und Werther gerettet, Doch war er nicht froh mehr, So schien es, seines Lebens. 10 AUGUST WILHELM V. Schlegel. [Scherer, D. 634, E. II. 250.] Geboren 1767 zu Hannover, studierte in Göttingen; 1798 Professor in 20 Jena, 1801 nach Berlin, wo er Vorlesungen über schöne Literatur und Kunst hielt, 1804-1818 viel auf Reisen und meist in Begleitung der Frau von Staël, 1813 Secretär bei Bernadotte, dem damaligen Kronprinzen von Schweden; geadelt. Nach dem Krieg lebte er auf dem Landgute der Frau von Staël am Genfer See; 1818 Professor der Kunstgeschichte und Literatur in Bonn ; wiederholt in Frankreich und England, um indische Studien zu betreiben. Er starb 1845. Von seinen Werken sind besonders hervorzuheben: 'Shakespeares dramatische Werke übersetzt' 1797-1810; 'Spanisches Theater' 1803-1809; 'Vorlesungen über dramatische Kunst und Literatur' 18091811. Eine Ausgabe seiner Sämmtlichen Werke' besorgte Böcking, 30 12 Bde. (Leipzig 1846-47); ihr schlossen sich an die 'Oeuvres écrites en français', 3 Bde. (Leipzig 1846) und die 'Opuscula latina' (Leipzig 1848). I. DIE WARNUNG. ROMANZE. Es tritt ein Wandersmann herfür An eines Dorfes Schenke, Er setzt sich vor des Hauses Thür Im Schatten auf die Bänke ; Legt sein Bündel neben sich, Da zechen an dem nächsten Tisch Heda, Herr Wirth! und gebt uns frisch: Heute von Morgens früh gelärmt! Ha, Bruder, war das nicht ein Spass, Es geht mir nichts darüber. Und lieb' ich schon das volle Glas, Hab' ich doch Unfug lieber. Da draussen erst den Nepomuk Alsdann hinunter längs dem Thal ΤΟ 20 30 Die dreizehn Steine allzumal Mit Christi Passionen, So beschmiert, verziert auf's Fest, Dass das Lachen kein Einz'ger lässt, Wenn sie zum Beten da knieen. Der Andre sprach: Wenn's Prahlen gilt, Der Schnurrbart am Marienbild, Dort auf dem Fels am hohen Kreuz, Statt Christi leid'ger Fratze, Hängt nun-o in der Seel' erfreut's! Des Nachbars todte Katze. Wenn sie nun auf ihrer Bahn Der Wandersmann sagt nicht ein Wort, Und schaut nur unbeweglich, Ihr mögt kein Haar mir kränken. Und lasst bei Zeiten euch warnen. Sonst schliesst ihr einen Bund der Treu Mit Judas falscher Rotte: Den Heiland kreuzigt ihr auf's neu Mit solchem kecken Spotte. Ja doch, da geschäh' ihm recht, Weil sich der einfältige Knecht Das erstemal kreuzigen lassen. Ich weiss gewiss, ihr sprächt nicht so, Ihr hättet nicht, der Qualen froh, Wie aus bittern Wunden quoll, Wie um ihn, ewig hoffnungslos, Die Freund' und Mutter standen, Und er im Busen trug ihr Looss, Bei grimmen Todesbanden; Neigt sein Haupt in Finsterniss, Durch die Himmel geschieht ein Riss, Ei seht, der macht uns glauben gar, Er wär dabei gewesen. Was er erzählt, kann man fürwahr In alten Tröstern lesen. Sagt uns doch, wie alt ihr seid, Dass ihr sah't, was vor ew'ger Zeit Und nimmer vielleicht ist geschehen ?— ΤΟ 20 30 Ich bin nicht alt, ich bin nicht jung, Wie rastlos kreiss't der Sonnen Schwung, Nicht gerunzelter mein Gesicht, Ich war wie ihr von frechem Muth In meinen ersten Tagen. An mir that keine Lehre gut, Kein Warnen half noch Sagen. Als der Hohenpriester Amt Heuchlerisch nun den Christ verdammt, Da wollt' ich mein Müthchen auch kühlen. Und als mit schwerer Kreuzeslast Geh, rief ich, Jesus! fort mit dir! Und warten, bis ich komme. Diess Wort, diess Wort, diess Eine Wort War Heil mir und Verderben. Es schirmt mich vor der Seele Mord, Doch wehrt's mein leiblich Sterben. ΤΟ 20 30 |