tungen ist wie die Liederwonne des Frühlings nie eine Geschichte der Erde gewesen, sondern eine Erinnerung derer die im Geist erwachten von den Träumen, die sie hinüber geleiteten, ein Leitfaden für die unruhig schlafenden Erdbewohner von heilig treuer Liebe dargereicht. Dichtungen sind nicht Wahrheit, wie wir sie von der Geschichte und dem Verkehr mit Zeitgenossen fordern, sie wären nicht das, was wir suchen, was uns sucht, wenn sie der Erde in Wirklichkeit ganz gehören könnten, denn sie alle führen die irdisch entfremdete Welt zu ewiger Gemeinschaft zurück. Nennen wir die heiligen Dichter auch Seher und ist das Dichten ein Sehen 10 höherer Art zu nennen, so lässt sich die Geschichte mit der Kristallkugel im Auge zusammenstellen, die nicht selbst sieht, aber dem Auge nothwendig ist, um die Lichtwirkung zu sammeln und zu vereinen; ihr Wesen ist Klarheit, Reinheit und Farbenlosigkeit. Wer diese in der Geschichte verletzt, der verdirbt auch Dichtung, die aus ihr hervorgehen soll, wer die Geschichte zur Wahrheit läutert, schafft auch der Dichtung einen sichern Verkehr mit der Welt. Nur darum werden die eignen unbedeutenden Lebensereignisse gern ein Anlass der Dichtung, weil wir sie mit mehr Wahrheit angeschaut haben, als uns an den grössern Weltbegebenheiten 20 gemeinhin vergönnt ist. Das Mitthätige und Selbstergriffene daran ist gewiss mehr hemmend als aufmunternd, denn Heftigkeit des Gefühls unterdrückt sogar die Stimme, weil diese sie zum Maass der Zeit zwingt, wie viel weniger mag sie mit der trägen Pflugschaar des Dichters, mit Schreibfeder zurecht kommen. Die Leidenschaft gewährt nur, das ursprünglich wahre menschliche Herz, gleichsam den wilden Gesang des Menschen zu vernehmen, und darum mag es wohl keinen Dichter ohne Leidenschaft gegeben haben, aber die Leidenschaft macht nicht den Dichter, vielmehr hat wohl noch keiner während ihrer lebendigsten Einwirkung 30 etwas Dauerndes geschaffen und erst nach ihrer Vollendung mag gern jeder in eignem oder fremden Namen und Begebenheit sein Gefühl spiegeln. CLEMENS BRENTANO. [Scherer D. 636, E. II. 268.] Geboren 1778 zu Frankfurt am Main, Enkel der Sophie La Roche und Bruder der Bettina von Arnim. Zuerst zum Kaufmann bestimmt, studierte 1797-1800 in Jena, wo er sich dem Romantikerkreiss anschloss. Dann in Dresden, am Rhein, viel umherreisend und oft seinen Aufenthaltsort wechselnd. Während seines Aufenthalts in Berlin 1815-1818 trat eine Wendung in seinem innern Leben ein, die ihn zu einem streng gläubigen und ascetisch frommen Katholiken machte. Er starb 1842. Von seinen Werken sind ausser Des Knaben Wunderhorn' noch seine Märchen (Gockel, Hinkel 10 und Gackeleia) und seine Bearbeitungen älterer Erzählungen (Wickrams Goldfaden) zu erwähnen. Seine Gesammelten Schriften' erschienen in 9 Banden (Frankfurt 1851-55). Feigen, Ananas, Orangen, 'Lange hab ich dein geharret ; Wo hast du so lang verzogen ?' Und die Jungfrau spricht, sich sammelnd: 'Bald hätt' ich mein Wort gebrochen, Aber lieber mir's erlasse, Denn es sinket schon die Sonne! 'Wer mir bot den guten Abend, Doch dies fühlt nicht Rosablanka. Nimmt die goldne Frucht und danket. 'Mich ernähret wohl mein Garten, Siehst du keinen so gewartet Und so vortheilhaft geordnet. 'Und, verzeih, ich muss es sagen, Also hab ich ihn erzogen In dem heimlichen Verlangen, Dass du drinnen mögest wohnen! 'Wärst du mit hineingegangen, Unter bunten Blumenkronen 10 20 30 Eine Königin empfangen Hätt' ich dich mit dieser Krone!' Und nun setzt er Rosablanken Auf das Haupt die Blumenkrone, Die er in dem Korb bewahret, Und die Jungfrau in Gedanken Pietro aber spricht: 'Dein Vater 'Und an manchem schönen Abend 'Und zur Freundin wirst du haben Stille Gattin; dir gefallen Wird mein Bruder auch, Meliore.' Aber stumm bleibt Rosablanka, 'Da gabst du von deinem Stamme 10 20 30 |