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immer kamen noch neue Gestalten herein, alte Rechtsgelehrten, in verschollenen Trachten, mit weißen Alongeperücken und långft vergeffenen Gesichtern, und sehr erstaunt, daß man sie, die Hochberühmten des verfloffenen Jahrhunderts, nicht sonderlich regardirte; und diese stimmten nun ein, auf ihre Weise, in das allgemeine Schwagen und Schrillen und Schreyen, das, wie Meeresbrandung, immer verwirrter und lauter, die hohe Göttin umrauschte, bis diese die Geduld verlor, und in einem Tone des entseglichsten Riesenschmerzes plöglich aufschrie : Schweigt! schweigt! ich höre die Stimme des theuren Pro= metheus, die höhnende Kraft und die stumme Gewalt schmieden den Schuldlosen an den Marterfelfen, und all Euer Geschwät und Gezånke kann nicht seine Wunden kühlen und seine Feffeln zerbrechen!» So rief die Göttin, und Thrånenbåche stürzten. aus ihren Augen, die ganze Versammlung heulte wie von Todesangst ergriffen, die Decke des Saales krachte, die Bücher taumelten herab von ihren Brettern, vergebens trat der alte Münchhausen aus seinem Rahmen hervor, um Ruhe zu gebie ten, es tobte und kreischte immer wilder,—und fort, aus die= sem drångenden Tollhauslårm rettete ich mich in den historischen Saal, wo die heiligen Bilder des belvederischen Apoll's und der mediceischen Venus neben einander stehen, und ich stürzte zu den Füßen der Schönheitsgöttin, in ihrem Anblick vergaß ich all das wüfte Treiben, dem ich entronnen, meine Augen tranken entzückt das Ebenmaß und die ewige Lieblichkeit ihres Leibes, griechische Ruhe zog durch meine Seele, und über mein Haupt, wie himmlischen Segen, goß seine füßesten Lyraklånge Phobus Apollo.

Derselbe.

Geseßliches Einführen der Aufklärung.

Von einem hohen Gebirge umschloffen, glich das Ländchen mit seinen grünen, duftenden Wåldern, mit seinen blumigen Auen, mit seinen rauschenden Strömen und lustig plåtschern= den Springquellen, zumal da es gar keine Stådte, sondern nur freundliche Dörfer und hin und wieder einzeln stehende Pallåfte darin gab, einem wunderbar herrlichen Garten, in dem die Bewohner wie zu ihrer Luft wandelten, frei von jeder drückenden Bürde des Lebens. Jeder wußte, daß Fürft Demetrius das Land beherrsche; niemand merkte indeffen das mindeste von der Regierung, und alle waren damit gar wohl zufrieden. Personen, die die volle Freiheit in all' ihrem Be= ginnen, eine schöne Gegend, ein mildes Klima liebten, konnten ihren Aufenthalt gar nicht beffer wählen, als in dem Für= ftenthum, und so geschah es denn, daß unter andern auch verschiedene vortreffliche Feen von der guten Art, denen Wärme und Freiheit bekanntlich über alles geht, sich dort angesiedelt hatten. Ihnen mocht es zuzuschreiben seyn, daß sich beinahe in jedem Dorfe, vorzüglich aber in den Wåldern, so oft die an= genehmsten Wunder begaben, und daß jeder, von dem Ent= zücken, von der Wonne dieser Wunder ganz umfloffen, völlig an das Wunderbare glaubte, und ohne es selbst zu wiffen, eben deshalb ein froher, mithin guter Staatsbürger blieb. Die guten Feen, die sich in freier Willkühr ganz Oschinnistanisch eingerichtet, håtten dem vortrefflichen Demetrius gern ein ewiges Leben bereitet. Das stand indeffen nicht in ihrer Macht. De= metrius starb und ihm folgte der junge Paphnutius in der Re= gierung. Paphnutius hatte schon zu Lebzeiten seines Herrn Vaters einen stillen innerlichen Gram darüber genährt, daß Volk und Staat nach seiner Meinung auf die heillosefte Weise

vernachlässigt, verwahrloft wurde. Er beschloß zu regieren, und ernannte sofort seinen Kammerdiener Andres, der ihm einmal, als er im Wirthshause hinter den Bergen seine Börse liegen laffen, sechs Dukaten geborgt und dadurch aus großer Noth geriffen hatte, zum ersten Minister des Reichs. « Ich will regieren, mein Guter! » rief ihm Paphnutius zu. Andres las in den Blicken seines Herrn, was in ihm vorgieng, warf sich ihm zu Füßen und sprach feierlich: Sire! die große Stunde hat geschlagen! durch Sie steigt schimmernd ein Reich aus nåchtigem Chaos empor!

Sire!

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Sire! hier fleht der treueste Va

fall, tausend Stimmen des armen unglücklichen Volks in Bruft und Kehle! führen sie die Aufflårung ein! — Paphnutius fühlte sich durch und durch erschüttert von dem erhabenen Gedanken seines Ministers. Er hob ihn auf, riß ihn ftürmisch an seine Bruft und sprach schluchzend : « Minister — Andres ich bin Dir sechs Dukaten schuldig — noch mehr – mein Glück --- mein Reich! — o treuer, gescheuter Diener! »— Paphnutius wollte sofort ein Edikt mit großen Buchstaben drucken und an allen Eden anschlagen laffen, daß von Stund an die Aufklårung eingeführt sey und ein jeder sich darnach zu richten habe. « Befter Sire! rief indeffen Andres, befter Sire! so geht es nicht! >> Wie geht es denn, mein Guter? sprach Paphnutius, nahm feinen Minister beim Knopfloch und zog ihn hinein in das Kabinett, deffen Thüre er abschloß.

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Sehen Sie, begann Andres, als er seinem Fürsten gegen= über, auf einem kleinen Tabourett Plag genommen, sehen Sie, gnådigfter Herr! — die Wirkung Ihres fürstlichen Edikts wegen der Aufklärung würde vielleicht verstört werden auf håß= liche Weise, wenn wir nicht damit eine Maaßregel verbinden, die zwar hart scheint, die indeffen die Klugheit gebietet. Ehe wir mit der Aufklärung vorschreiten, d. h. ehe wir die Wälder umhauen, den Strom schiffbar machen, Kartoffeln

anbauen, die Dorfschulen verbessern, Akazien und Pappeln anpflanzen, die Jugend ihr Morgen- und Abendlied zweiftim= mig abfingen, Chauffeen anlegen und die Kuhpocken einimpfen laffen, ist es nöthig, alle Leute von gefährlichen Gesinnungen, die keiner Vernunft Gehör geben und das Volk durch lauter Albernheiten verführen, aus dem Staate zu verbannen. Sie haben Tausend und eine Nacht gelesen, bester Fürst? denn ich weiß, daß Ihr seliger Herr Papa, dem der Him= mel eine sanfte Ruhe im Grabe schenken möge, dergleichen fatale Bücher liebte und Ihnen, als Sie sich noch der Steckenpferde bedienten und vergoldete Pfefferkuchen verzehrten, in die Hände gab. Nun also! -Aus jenem völlig konfusen Buche werden Sie, gnådigfter Herr, wohl die sogenannten Feen tennen, gewiß aber nicht ahnen, daß sich verschiedene von diesen gefährlichen Personen in Ihrem eignen lieben Lande hier ganz in der Nähe Ihres Pallastes angesiedelt haben und allerlei Unfug treiben. « Wie? was sagt er? Andres! Minifter! hier in meinem Lande?» So rief der Fürst, indem er ganz erblaßt in der Stullehne zurücksank. Ruhig, mein gnådigfter Herr! fuhr Andres fort, ruhig können wir bleiben, sobald wir mit Klugheit gegen jene Feinde der Aufklärung zu Felde zichen. Ja! — Feinde der Aufflå= rung nenne ich sie, denn nur sie sind, die Güte Ihres seligen Herrn Papa's mißbrauchend, daran Schuld, daß der liebe Staat noch in gänzlicher Finsterniß darnieder liegt. Sie treis ben ein gefährliches Gewerbe mit dem Wunderbaren und scheuen fich nicht, unter dem Namen Poesie, ein heimliches Gift zu verbreiten, das die Leute ganz unfähig macht zum Dienste in der Aufklärung. Dann haben sie solche unleidliche polizeiwidrige Gewohnheiten, daß sie schon deßhalb in keinem kultivirten Staate geduldet werden dürften. So z. B. entblöden sich die Frechen nicht, so wie es ihnen einfällt, in den Lüften spazieren

Feen!

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zu fahren mit vorgespannten Tauben, Schwänen, ja sogar ge= flügelten Pferden. Nun frage ich aber, gnädigster Herr! verlohnt es sich der Mühe, einen gescheuten Accife-Tarif zu ents werfen und einzuführen, wenn es Leute im Staate giebt, die im Stande sind, jedem leichtsinnigen Bürger unversteuerte Waaren in den Schornstein zu werfen, wie sie nur wollen? Darum, gnädigster Herr! so wie die Aufklärung angefündigt wird, fort mit den Feen! Ihre Pallåste werden um= zingelt von der Polizei, man nimmt ihnen ihre gefährliche Habe und schafft sie als Vagabunden fort nach ihrem Vater= lande, welches, wie Sie, gnädigster Herr, aus Tausend und Einer Nacht wissen werden, das Låndchen Dschinnistan ist. « Gehen Posten nach diesem Lande, Andres? » so fragte der Fürft. 3ur 3eit nicht, erwiederte Andres, aber vielleicht läßt sich nach eingeführter Aufklärung eine Journaliere dorthin mit Nugen einrichten. « Aber Andres, fuhr der Fürst fort, wird man unser Verfahren gegen die Feen nicht hart finden? Wird das verwöhnte Volk nicht murren? » –– - Auch dafür, sprach Andres, auch dafür weiß ich ein Mittel. Nicht alle Feen, gnådigster Herr! wollen wir fortschiden nach Dschinnistan, fondern einige im Lande behalten, sie aber nicht allein aller Mittel berauben, der Aufklärung schädlich zu werden, sondern auch zweckdienliche Mittel anwenden, sie zu nüßlichen Mitglie= dern des aufgeklårten Staats umzuschaffen. Wollen sie sich nicht auf solide Heirathen einlaffen, so mögen sie unter strenger Aufsicht irgend ein nügliches Geschäft treiben, Seden ftricken für die Armee, wenn es Krieg giebt, oder fouft. Geben Sie acht, gnädigster Herr, die Leute werden sehr bald an die Feen, wenn sie unter ihnen wandeln, gar nicht mehr glauben, und das ist das Befle. So giebt sich alles etwanige Murren von selbst. Was übrigens die Utensilien der Feen betrifft, so fallen fie der fürstlichen Schaßkammer heim, die Tauben und

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