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diese bräunlichen Äfte mit kühlenden Zweigen deckt, und in herrlichem Schmucke diese einsame Gegend bekleidet, damit der Mensch jene große Wahrheiten vernehme, welche die Natur dem fühlenden Herzen verkündigt. Ja, ich hôre sie, jene måchtige Harmonie, diese untrügliche Stimme; sie redet zu meinem Herzen, und der fanfte Taumel, worein mich der süße Ein= flang ihrer mannigfaltigen Töne wiegt, ist der Verkündiger schönerer Welten.

Ich höre deinen Gesang, du kleiner Bewohner dieser Wipfeln! Komm nåher; denn nur deine Stimme ist würdig, in der feierlichen Stimme dieser Einsamkeit zu ertönen; dein sanf= tes Lied reißt mich ganz in jene Welt der Unschuld hin, die du bewohnft. Mittlerweile dort der sorgenlose Distelfinke auf jenem wankenden Åftchen seine muntern Triller wiederholt, und dem leichten Federvolke seine glüdliche Liebe singt, schlägft du dort, kleine Nachtigall, im Dunkel grüner Blåtter den rührenden Triller Teiner Zärtlichkeit, und wirbelft die hohe Ge= schichte deiner innigen Gluth tief in die feierliche Stille des Hains hinein.

Glückliche Bewohner diefer labyrinthischen Laubpalåste, so fühn und lieblich aus Licht und Schatten in die Luft gewoben. Ihr lebt, unerkannt von dem kurzsichtigen Menschen, der euer Wesen mißversteht, und seyd besser als Er. Oder follte der Thor, der mit seinem Gewäsch die Folter seines Nachbars ift, auf der Stufenleiter der Geschöpfe über euch stehen?

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Arme Menschen, vernehmt die wahre Geschichte, die einft das heilige Lied eines Schattenbewohners meinem lauschenden Ohre entdeckte.

Im Anfange der Dinge, da jedes erschaffene Wesen alles Glück genoß, dessen feine Gattung fähig war, herrschte allge= meine Wonne und allgemeine Vernunft in allen fühlenden We= fen. Da ward das Menschengeschlecht das erfte, das sich zu

verderben begann, stete Wohnungen baute, und bald allen Mitgeschöpfen einen ewigen Krieg ankündigte. Schon hatten die auf Erden wohnenden Götter ihre Gegenwart den Menschen entzogen, und lebten tief im Haine und in heiligen Schatten, wie im Tempel der Natur. Oft wallten die Hirten dahin, ihren Beistand anzuflehen, und nicht selten erhörten sie noch die Gebete, die aus redlichem Herzen floffen. « Heilige Be= wohner dieser nie befleckten feierlichen Einsamkeit, o ihr Götter! » So betete einft ein rechtschaffener Jüngling. «O rettet meine Unschuld! Schon ist jede Tugend meinen Mitmenschen fremd geworden, und täglich fühle auch ich sie in meinem Her= zen hinsterben. Wie wüthende Fluthen überschwemmt das Lafter Thal und Berg, und bedroht alles Menschengeschlecht mit Elend und Tod; kaum bleibt eine Freiftåtte in diesem Haine übrig für den Redlichen, der die Götter ehret. O rettet, rettet mich von dem allgemeinen Untergange! Oder haben denn keine der Wesen, welche ihr gebildet habt, ihre ursprüngliche Schuldlosigkeit beibehalten? Wenn deren noch übrig sind, ach, so ver= gönnet mir mit ihnen in feliger Unschuld zu leben! So wür= den meine Opfer noch reiner, und meine Gelübde euer würdi= ger seyn! »>

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Kaum hatte er ausgeredet, als seine menschliche Hülle in den schönsten gefiederten Sånger des Hains verwandelt war. —— Seit der Zeit hüpfen noch andere zårtliche Seelen in dem leichten Körper eines 3eifigs oder einer Nachtigall in heiligem Schatten herum, und bleiben auf ewig im weiten Tempel der Haine glücklich verborgen. Ihre paradiesischen Empfindungen fließen in harmonischen Tönen, die nur ihnen verständlich und zur gewöhnlichen Sprache geworden find.

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Seliges Völkchen, dem jeder aufwachende Morgen sein Schicksal auf's neue werth, und jede annahende Nacht noch rei= zender bildet! Sobald die Morgensonne den matten Purpur

mit ihrem ersten Strahle entzündet, ruft ihr der glücklichen Gattinn euere Liebe zu, und geheimere Têne wecken ihrer zårt= lichen Träume füße Erinnerungen auf. Wenn dann die Sonne empor steigt, der seelenlose Städter unter seiner Körperlast feufzet, und alle Blumen auf sinkenden Stengeln sich neigen; fo flattert ihr forgenfrei mit den Zephirn durch die kühle Nacht der Wälder. Rückt endlich der Abend mit sanfterem Glanze heran; dann hüpft ihr von 3weig zn 3weig in eure abgekühl= ten Wohnungen heim, immer gepaart und immer verliebter ; und cuer vereintes Schlaflied fingt mir noch das unaussprech= liche Glück der Tugend und Unschuld zu.

v. Bonstetten.

Geschichtliche Aufsätze.

Die Entdeckung von Amerika.

Es war zwei Stunden vor Mitternacht, da Kolumbus, der auf dem Vorderkaftelle stand, in einer gewiffen Entfernung ein Licht zu bemerken glaubte. Er rief darauf einen, auf seinem Schiffe fich befindenden, Edelknaben der Königinn zu sich, und zeigte ihm dasselbe. Auch dieser erblickte das Licht, und zeigte es einem Dritten, der sich ihnen zugesellte. Alle Drei glaubten wahrzunehmen, daß diefes Licht sich von einem Ort zum an= dern bewegte, und schloffen daraus, daß es von einem Reifenden getragen würde.

Ungefähr gegen 2 Uhr nach Mitternacht hörte man von der Pinta her, welche immer voraus war, das jauchzende Freudengeschrei Land! Land! erschallen, und ein freudiger Schauder fuhr Allen dabei durch's Herz. Wie gern håtte das Schiffsvolk sich nun gleich der ausschweifendsten Freude überlaffen; aber es war so oft schon in seiner Erwartung getåuscht worden, daß es die ångftlichen Zweifel, die sich in seine Freude mischten, unmöglich unterdrücken konnte. Zwischen Furcht und Hoffnung erwartete man also den Anbruch des Tages, um sich mit eigenen Augen zu überzeugen, daß die Erfüllung ihres fehnlichsten Wunsches kein Traum gewesen sey.

Trage, wie sie dem schlaflosen Kranken verstreichen, gingen ihnen die noch übrigen Stunden der Nacht vorüber. Jegliche Minute schien ihnen eine Stunde, jegliche Stunde ein ganzer langer Tag zu seyn. Endlich, nach langem Warten und Hoffen, fing der östliche Himmel an ein wenig zu schimmern. Jegt trat die liebliche Morgenröthe hervor; und jezt — jezt stimmte auf ein Mal die Mannschaft der Pinta mit lauter frohlocken= der Stimme das Herr Gott, dich loben wir! an. Auch das Volk der beiden übrigen Schiffe hatte nicht sobald aufge= blickt, als es unter vielen Freudenthrånen, und von heftiger Gemüthsbewegung zitternd, seine Stimme gleichfalls zu einem allgemeinen rührenden Lobliede ertönen ließ. Denn das Land, welches zu entdecken sie so sehnlich gewünscht hatten, lag nun= mehr vor ihren Augen da.

Noch einige Augenblicke stand das hocherfreute Schiffsvolk, und ftaunte mit weitaufgeriffenen Augen den nie gesehenen Welttheil an, der von der aufgehenden Sonne vergoldet, jezt vor ihm da lag. Es konnte sich nicht satt fehen an dem lachenden fruchtbaren Lande, welches mit herrlichen Waldungen be= wachsen und von vielen, den Anblick verschönenden Bächen in reizenden Krümmungen durchschnitten war.

Kolumbus befahl hierauf, die Böte auszusehen; stieg selbst in Eins derselben, und fuhr, von seinen vornehmsten Reisege= fährten und von einer bewaffneten Mannschaft begleitet, mit fliegenden Fahnen, und unter lautschallendem Kriegstonspiele nach der Küste.

Indem sie sich derselben nåherten, zeigte sich ihren Augen eine unzählbare Menge der Eingebornen, die über die wunder= bare, noch nie gesehene Erscheinung europäischer Schiffe er= ftaunt, auf dem Strande zusammenliefen. Ießt erreichte man die Küste, und Kolumbus reich gekleidet, und mit dem bloßen

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