Imágenes de páginas
PDF
EPUB

mel, der milde wie das Aug` eines himmlischen Geistes zwischen die Gipfel hereinblickte. Da kam ein weicherer Schmerz in die Brust. Er dachte an den Schwur der Befferung, den der Tod zerriffen hatte; und nun sank er langsam auf die Knice, und blickte zum Stern hinauf, und sagte: «O Vater! Vater! » und die Wehmuth unterdrüďte lange die Stimme, « hier liegt dein armeg Kind an deinem Grabe, und schwört dir. Ja, reiner, frommer Geist, ich werde anders werden! Nimm mich wieder an! Ach! könntest du ein Zeichen geben, daß du mich gehört haft! » — Es rauschte um ihn; eine langfame Gestalt schlug um die Zweige zurück, und sagte : « Ich habe dich gehört; und ich hoffe wieder. » — Es war sein Vater. Das Mittelding zwischen Tod und Schlaf, die Schwester des Todes, die Ohn= macht hatte wie ein gesunder, tiefer Schlummer ihm das' Leben wieder bescheert, und er war dem Hode wieder entgangen. Guter Vater! und hätte der Tod dich in den Glanz der zweiten Welt getragen, dein Herz håtte nicht froher zittern und süßer überströmen können, als in dieser Auferfichungs-Minute, wo dein vom schårfften Schmerz umgeånderter Sohn mit dem bes= seren an Deines sank, und Dir die schöne Hoffnung eines Va= ters wiederbrachte!

Aber indem der Vorhang dieser kurzen Scene fållt, so frag' ich euch, geliebte junge Leser : Habt ihr Eltern, denen ihr die schönste Hoffnung noch nicht gegeben habt? O dann erinnere ich euch wie ein Gewiffen daran, daß einmal ein Tag kommen wird, wo ihr keinen Troft habt, und wo ihr ausruft : Ach, fie haben mich am meisten geliebt, aber ich ließ sie ohne Hoffnung fterben, und ich war ihr legter Schmerz!

I. P. F. Richter.

Die Neujahrsnacht eines Unglücklichen.

Ein alter Mensch ftand in der Neujahrs-Mitternacht am Fenster, und schaute mit dem Blick einer langen Verzweiflung auf zum unbeweglichen, ewig blühenden Himmel, und herab auf die stille, reine, weiße Erde, worauf jezt Niemand so freu den- und schlaflos war als er. Denn sein Grab ftand nahe an ihm; es war bloß vom Schnee des Alters, nicht vom Grün der Jugend verdeckt; und er brachte Nichts mit aus dem ganzen reichen Leben, Nichts mit als Irrthümer, Sünden und Krankheit, einen verhcerten Körper, eine verödete Seele, die Bruft voll Gift, und ein Alter voll Reue. Seine schöne Jugendtage wandten sich heute als Gespenster um, und zegen ihn wieder vor den hellen Morgen hin, wo ihn sein Vater zuerst auf den Scheideweg des Lebens gestellt, der rechts auf der Sonnenbahn der Tugend in ein weites, ruhiges Land voll Licht und Ernten und voll Engel bringt, und welcher links in die Maulwurfs= Gånge des Lafters hinabzieht, in eine schwarze Höhle, voll heruntertropfenden Giftes, voll zielender Schlangen und finftrer, schwüler Dämpfe. Ach! die Schlangen hingen um seine Bruft, und die Gifttropfen auf seiner 3unge, und er wußte nun, wo er war. Sinnlos und mit unaussprechlichem Grame rief er zum Himmel hinauf: « Gib mir die Jugend wieder! O Vater! stelle mich auf den Scheideweg wieder, damit ich anders wåhle.» Aber sein Vater und seine Jugend waren långst dahin. Er sah Irrlichter auf Sümpfen tanzen, und auf dem Gottesacker erlóschen; und er sagte : « Es sind meine thörichten Tage! » Er sah einen Stern aus dem Himmel fliehen, und im Falle schim= mern, und auf der Erde zerrinnen. « Das bin ich!» fagte sein blutendes Herz; und die Schlangenzähne der Reue gruben darin in den Wunden weiter. Die loderude Phantasie zeigte ihm

schleichende Nachtwandler auf den Dächern; und die Windmühle hob ihre Arme drohend zum Zerschlagen auf; und eine im leeren Todtenhaus zurückgebliebene Larve xahm allmåhlig seine Büge an. —

Mitten in diesem Krampf floß plößlich die Musik für das Neujahr vom Thurm hernieder, wie ferner Kirchengefang. Er wurde fanfter bewegt. Er schaute um den Horizont herum, und über die weite Erde, und er dachte an seine Jugendfreunde, die nun glücklicher und beffer als er, Lehrer der Erde, Våter glücklicher Kinder und gesegnete Menschen waren, und sagte : « O ich kënnte auch wie ihr diese erste Nacht mit trocknen Augen verschlummern, wenn ich gewollt håtte; ach! ich könnte glücklich seyn, ihr theuren Eltern, wenn ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt håtte! Im fieberhaften Erin= nern an feine Jünglingszeit kam es ihm vor, als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Todtenhause auf. Endlich wurde sie durch den Aberglauben, der in der Neujahrsnacht Geifter und Zukunft erblickt, zu einem lebendigen Jüngling, der in der Stellung des schönen Jünglings vom Kapitol sich einen Dorn auszieht, und seine vorige blühende Gestalt wurde ihm bitter vorgegaukelt. Er konnte es nicht mehr sehen; er verhüllte das Auge. Tausend heiße Thrånen strömten versiegend in den Schnee. Er feufzte nur noch leise, troftlos und sinnlos : «Kom= me nur wieder, Jugend! komme wieder! »

Und sie fam wieder; denn er hatte nur in der Neujahrsnacht fo fürchterlich geträumt. Er war noch ein Jüngling; nur seine Verirrungen waren kein Traum gewesen. Aber er dankte Gott, daß er noch jung in den schmußigen Gången des Lafters um= kehren, und sich auf die Sonnenbahn zurückbegeben konnte, die ins reine Land der Ernten leitete.

Kehre mit ihm, junger Leser, um, wenn du auf seinem Srrweg stehst! Dieser schreckende Traum wird künftig dein Rich

ter werden. Aber wenn du einst jammervoll rufen würdest : Komme wieder, schöne Jugend! so würde sie nicht wiederkommen.

Derselbe.

Jugend und Alter.

Wie der Uhren Schlag mir die Stunden, der Sonne Lauf mir die Jahre zuzåhlt, so leb' ich — ich weiß es immer nåher dem Tode entgegen. Aber dem Alter auch? dem schwa= chen stumpferen Alter, worüber alle se bitter klagen, wenn unvermerkt ihnen verschwunden ist die Luft der frohen Jugend, und der innern Gesundheit und Fülle übermüthiges Gefühl ? Warum laffen sie verschwinden die goldene Zeit, und beugen dem selbst gewählten Joch seufzend den Nacken? Auch ich glaubte fchon einft, daß nicht länger dem Manne geziemten die Rechte der Jugend; leiser und bedächtig wollte ich einhergehn, und durch der Entsagung weisen Entschluß mich bereiten. zur trüberen Zeit. Aber es wollten nicht dem Geist die engeren Gränzen genügen, und es gereute mich bald des verkümmerten nüchter= nen Lebens. Da kehrte auf den ersten Ruf die freundliche Iugend zurück, und hålt mich immer seitdem umfaßt mit schüßenden Armen. Jezt, wenn ich wüßte, daß sie mir entflöhe wie die Zeiten entfliehen, ich stürzte mich lieber bald dem Tode freiwillig entgegen, damit nicht die Furcht vor dem sicheren Übel mir jegliches Gute bitter vergålle, bis ich mir endlich doch durch unfähiges Daseyn ein schlechteres Ende verdient.

Doch ich weiß, daß es nicht also seyn kann: denn es soll nicht. Wie? es müßte das geistige Leben, das freie, das un= gemeßne mir eher verrinnen als das irdische, welches beim er= ften Schlage des Herzens schon die Keime des Todes enthielt? Nicht immer sollte mir mit der vollen gewohnten Kraft aufs

Schöne gerichtet die Phantasie seyn? nicht immer so leicht der heitre Sinn und so rasch zum Guten bewegt und liebevoll das Gemüth? Bange sollt ich horchen den Wellen der Zeit, und sehen müssen, wie sie mich abschliffen und aushöhlten, bis ich endlich zerfiele? Sprich doch Herz, wie viele Male dürft' ich, bis das Alles kåme, noch zählen die Zeit, die mir jezt eben ver= ging bei dem Jammergedanken? Gleich wenig wären mir, wenn ich's abzählen könnte, Tausende oder eins. Daß du ein Thor warest zu weißsagen aus der Zeit auf die Kraft des Gei= ftes, dessen Maaß jene nimmer feyn kann! Durchwandeln doch die Geftirne nicht in gleicher Zeit daffelbe von ihrer Bahn, sondern ein höheres Maaß mußt du suchen um ihren Lauf zu verstehen: und der Geist sollte dürftigern Gefeßen folgen als sie? Auch folgt er nicht. Frühe suchte Manchen das Alter heim, das mürrische, dürftige, hoffnungslose, und ein feindli= cher Geift bricht ihm ab die Blüthe der Jugend, wenn sie kauni sich aufgethan; lange bleibt Andern der Muth, und das weiße Haupt hebt noch und schmückt Feuer des Auges und des Mundes freundliches Lächeln. Warum soll ich nicht länger noch), als der am långsten da stand in der Fülle des Lebens, mic im glücklichen Kampf abwehren den verborgenen Tod? Warum nicht ohne die Jahre zu zählen und des Körpers Verwittern zu sehen, durch des Willens Kraft fest halten bis an den leßten Athemzug die geliebte Göttin der Jugend? Was denn soll diefen Unterschied machen, wenn es der Wille nicht ist? Hat etwa der Geist sein bestimmtes Maaß und Größe, daß er sich aus= geben kann und erschöpfen? Nußt sich ab seine Kraft durch die That, und verliert etwas bei jeder Bewegung? Die des Lebens fich lange freuen, sind es nur die Geizigen, welche wenig ge= handelt haben? Dann treffe Schande und Verachtung jedes frohe und frische Alter: denn Verachtung verdient wer Geiz übt in der Jugend.

« AnteriorContinuar »