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es muß etwas ihm Zusagendes in dem seyn, was man von ihr aufgenommen wiffen will; ein dunkler Instinct für das Gute ist keiner Creatur versagt, und damit fühlt sich leicht, was gut und gedeihlich, was schädlich und giftig ift, heraus, und kråstig, und ohne sich zu besinnen, stößt die Menge alles ab, vor dem dieser dunkle Trieb sie warnt. Und wenn auch einzelne Irrun= gen unterlaufen, wenn das Schlechte, das Kraftlose augenblid= lichen Eingang findet, bald erwacht der innere Eckel und Überdruß, und die Zeit fpült in ihrem Strome alles wieder weg, und gleicht alle Fehler wieder aus. Was aber diese Probe_bc= steht, was Allen zusagt, Individuen und Geschlechtern, was Allen, eine widerhaltende, kråftige Nahrung gibt, wie Brod, das muß nothwendig Brodeskraft in sich besigen, und lebensftår= kend seyn. Wenn daher auch der Zufall bei der Wahl diefer Schriften gewaltet zu haben scheint, indem man dem Volke sic geboten, bei der Aufnahme hat er keineswegs vorgeherrscht; ein großes fortdauerndes Bedürfniß muß im Volk bestehen, dem jede Einzelne für sich zusagt, und das daher fortdauernd sie erhålt: nur gerade das Schlechte mag durch den Zufall oben schwimmend eine Weile erhalten werden, muß aber nothwen= dig auch über lang oder kurz von ihm zerrieben werden. Und dies Bedürfniß ist gerade das unvertilgbar der menschlichen Natur cingepflanzte Streben, zu fåttigen den Geist mit Ge= danken, und mit Empfindungen das Gemüth; ein Etreben, das gerade am überraschendsten auf dieser Stufe fiegreich sich offen= bart, wo es scheinen follte, als ob der dunkle finnliche Trieb, und die Luft, die mit seiner glücklichen Befriedigung verbunden ift, alle die Kräfte fefselu müßte, deren Spielraum in Regio= nen fållt, wo das körperliche Bedürfniß nichts zu suchen hat. Aber durchbrechend durch die sefte Corallenrinde, in der das Leben gegen die unfreundliche Natur sich wahren muß, drångt

der innere verschloffene Geift die Fühlhörner hinaus in die weite freie Umgebung, und es ist rührend zu sehen, wie er um fich tastend, und Alles umher begreifend, und nach allen Rich= tungen fich windend, nach Weltanschauung ringt, und auch sich ergößen möchte in dem freundlichen Strahl, der die Seele aller Creaturen ist. Es ist daher ein anderer Hunger und ein anderer Durst, ́àls jener blos finnliche, der hier sich im Volke regt; nicht nach körperlicher. Speise sehnt er sich, damit er in Leibliches sie wandle, fondern nach dem höheren Geiste lüftert iha, den der Genius ausgegoffen aus seiner Schaale in die rohe Materie, und der als ihre Seele sie sich nun zugestaltet hat. In die Tiefe zieht das Thier im Menschen die Leibesnahrung zu sich nieder, und wiederkåuend und afsimilirend die Lebenslymphe erstarkt es, und gewinnt Breite und Raum auf Erden; aber der Gott im Menschen mag nur den feinsten Wohlgeruch der Dinge, den zarten Duft, der aus ihnen unbegreiflich und unsichtbar athmet, er nåhrt sich nur mit den Lebensgeistern, die im Innersten der Wesen verborgen wohnen, die er dann cinsaugt mit allen Nerven, und sich aneignet als eines höheren Himmels Speise, und in der Aneignung selbst verklårt. Dieser Geist muß sich vom Thiere losgerungen haben, zum Centauren muß das rein Thierische sich hinaufgefteigert haben, in dem das Menschliche siegreich das Animalische überragt und båndigt, wenn irgend der Drang nach jener feineru Nahrung in ihm lebendig werden soll. Daß aber im Volke jener Drang und die Mittel zu seiner Befriedigung fich finden, beweist eben, daß in ihm långft schon jene Umwandlung vorgegangen ist; daß cs långst schon die Region der dumpfen Stupiditåt verlassen hat, in die seine Verhältniffe es unlösbar gefeffelt zu haben scheinen ; daß nun in den untersten Elaffen der Gesellschaft das Beffere fiegreich sich offenbart, und daß oben auf dem durch und durch finnlichen Körper ein menschlich Antlig entsproffen ist, das über

die wagrechte Thierlinie sich erhebend hinaufstrebt zum Himmel, und Anderes denn das Irdische schon sucht und kennt.

Görres..

Einfluß der Bibel auf die Litteratur.

Betrachten wir die Bibel nach dem großen Einfluß, welchen fie auf die gesammte Litteratur und Poesie des Mittelalters und der neuern Zeit wirklich gehabt hat, oder auch nach den Wirkungen, welche sie als ein Buch, und in Rücksicht der åuffern Form auf Sprache, Kunst und Geift der Darstellung haben mußte, und an sich haben könnte, so find vorzüglich zwei Eigenschaften daran auffallend. Die erfle ist die Einfalt des Ausdrucks, die Entfernung von aller Kimstelei. Indem alle diese Schriften vorzüglich oder fast ausschließend von Gott und von dem innern Menschen handeln, ist der Ausdruck doch überall durchaus lebendig, es findet sich nirgends, was man eigentlich Metaphysik nennen könnte, jene 3ergliederungen und Gegenfäße, todten Begriffe und leeren Abstraktionen, von denen die Philosophie aller Völker, von den Indiern und Griechen biz auf die neuern Europåer, sich niemals frei erhalten konnte, fo eft sie es unternahm, jene höchsten Gegenstände alles Nachden= kens, Gott und den Menschen, mit ihren eignen Kråften cr= greifen und darstellen zu wollen. Sie konnte dem angeerbten Übel unauflöslicher Verwirrung, und eines stets mit sich selbst streitenden Denkens und der Verstandes-Künftelei auch dann nicht entgehen, wenn sie, um ihm zu entfliehen, jenen hohen Fragen und Gegenståuden entsagend, sich ganz in die SinnenBelt zurückwarf, oder in das Bekenntniß der Unwissenheit einhüllte. Dieselbe Einfalt und Entfernung von Künftelei zeichnet auch den poetischen Theil der heiligen Schrift aus, so reich die

dichterischen Bücher deffelben auch an schönen und besonders an erhabenen Zügen find. In Rücksicht auf die kunstreiche Form und Entfaltung kann die Einfalt dieser heiligen Poesie der He= bråer auf keine Weise mit dem Reichthum der griechischen Dar= stellungen verglichen werden. Dagegen grånzt in diesen an die vollkommenste Blüthe der Schönheit fast immer unmittelbar schon die Entartung, und der höchsten Vollendung der Kunst folgt nicht selten, ja meistentheils ein üppiger und ausschwei= fender Geschmack, der sich in überflüffigem Schmuck, in Überladungen und in Künfteleien gefällt. Es liegen viele Gründe in der Einbildungskraft des Menschen, in feiner ganzen Sinnesart, und in dem Gange seiner Neigungen und Gefühle, um diese allgemeine Erscheinung in der Kunstgeschichte herbeizu= führen und zu erklåren; viele Einflüffe, welche auf die zarte Blume der Schönheit, wenn sie kaum entfaltet ist, verderblich einwirken und sie im Innersten vergiften, und welche den edlen Ausdruck, wo er auch schon wirklich erreicht war, sofort wieder verfäischen und in Künftelei verkehren. Daher sind auch die chriftlichen Dichter der neuern Zeit, welche die Poesie der hei= ligen Schrift für ihre Dichtung benußt, oder zum Vorbild ge= nommen haben: Dante, Taffo, Milton und Klopstock, ihrem Vorbilde weit mehr durch einzelne Züge von Erhabenheit åhn= lich, als daß sie ihm in Rücksicht jener edlen Einfalt und Entfernung von aller Künftelei durchaus gleich kåmen.

Eine zweite unterscheidende Eigenschaft der Schrift in Rücksicht auf die äußere Form und Darstellungsweise, welche den grösten Einfluß auf unsere neue Sprache und Poesie gehabt hat, ist die durchgehende Bildlichkeit und Sinnbildlichkeit, die nicht bloß in den dichterischen, sondern auch in den lehrenden und geschichtlichen Büchern und Abschriften herrscht. Bei den Hebråern kann man sie zum Theil als cine nationale Eigen= schaft betrachten, welche mehreren orientalischen Völkern, wie

den nächsten Stammverwandten der Hebråer, den Arabern, mit ihnen gemein ist. Das Verbot einer finnlichen Abbildung der Gottheit, konnte bei den Hebråern dazu beigetragen haben, diesen Hang zu verftårken, weil die Einbildungskraft auf der einen Seite beschrånkt, desto mehr auf der andern einen freien Ausweg sucht. Eben dieselbe Wirkung hat das Verbot bildlicher Darstellung bei den neuern Mahomedanern hervorgebracht. Bo aber auch die orientalische Bildlichkeit und eigentliche Poesie viel weniger oder gar nicht Statt findet, wie in den chriftlichen Büchern der Schrift, da ist gleichwohl ein sinnbildlicher, fym= bolischer Geist herrschend. Dieser hat seinen Einfluß tief ein= greifend und allgemein über die ganze Denkart und Geiftesbildung aller Völker verbreitet. Durch diesen symbolischen Geist und den daher erzeugten Hang zur Allegorie, ist die Bibel für die Poesie und bildende Kunst des Mittelalters, ja auch der neueren Zeit auf andere Weise daffelbe geworden, was Homer für das Alterthum: Quelle, Norm, und Ziel aller bildlichen Ansichten und Dichtungen. Freilich, wo der tiefere Sinn jenec finnbildlichen Geheimnisse nicht vollkommen verstanden ward, oder wo der Zweck und Gedanke, welchem das Symbol diente, nicht mehr so eruft und heilig blieb, entartete dieser Hang sehr oft in eine bloß willkürliche, mit Begriffen spielende und Zu= halts-leere Allegoric, weil finnreicher Schmuck leichter ist, als edle Einfalt, und auch die glänzendfte Kunft ungleich gewöhn= licher, als die Tiefe der Wahrheit..

Gothe.

F. v. Schlegel.

Der Charakter der åfthetischen Bildung unseres Zeitalters in unserer Nation verråth sich selbst durch ein merkwürdiges und großes Symptom. Göthe's Poesie ist die Morgenröthe åch

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