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wiffen allgegenwärtigen Fülle der Bruft wird jener Roman mit dem Werther nicht zu vergleichen seyn. Dabei ist freilich nicht zu übersehen, daß der Verfaffer des Werther etwas zu tief in dem Erufte des Lebens befangen ist, der Verfasser des Meister hingegen sich etwas zu muthwillig spielend über das Leben erhoben hat; daß jener etwas berauscht unter, dieser etwas allzunüchtern über dem Niveau des ruhigen Lebens steht; daß der Verfasser des Werther etwas zu tief im Räthsel des Lebens verstrickt ist, während der Verfasser des Meister etwas zu keck dem Schicksale seino Neße nachzuftricken unternimmt. Es ist nicht zu übersehn, daß Göthe im Werther vielmehr Redner als Dichter ist, obwohl er die Gegenparthei seines Helden und seiner Liebe etwas unrhetorisch in den Schatten ftellt, und Albert und die Gesellschaft von Regensburg und die Gefeße der bürgerlichen Ordnung, und alles was in die Schwårmereien des Helden einzugehen strebt, etwas hart behandelt; nicht zu übersehen, daß Göthe im Meister vielmehr Dichter als Redner ist. Aber wir wollen absehn von der Gesinnung des Dichters. Mir scheint es, daß in der Schreibart des Werther und des W. Meister ein Unterschied sey, wie zwischen 3. 3. Rousseau und Diderot: niemand wird denselben Kothurn, dieselbe Getragenheit und gehaltene Würde im Rousseau wie im Werther, dagegen etwas dem W. Meister nahe verwandtes, gefälliges, leichtes, bewegliches, beluftigendes in der Schreibart des Diderot verkennen. Man muß Deutscher seyn, um die Schreibart des Meister, Franzose, um die Schreibart des Diderot zu empfinden und zu würdigen : indeß jeder gebildete. Bürger unsers Welttheils empfänglich ist für Werther und Rousseau, und eines wahren Urtheils darüber fähig. Diesen wichtigen Unterschied drücken wir folgendergestalt aus: es gibt zweierlei Federu, die eine Feder, welche fich geflügelt bequemt in allen Wechsel der Zeiten und Gestalten, welche, ohne sich

grade zu verwandelu, nach Art des Proteus, dennoch nach Maßgabe des Gegenstandes ernst, leicht, außerordentlich, ge= wöhnlich, tief und oberflächlich, kurz, in gewiffem Sinne alles das wird, was sie darstellt — diese Feder waltet im W. Meister und im Diderot: die andre Feder, die vielmehr wie ein eiser= ner Stift, wie der Stilus der Alten geführt wird, der ewige Gefühle und Gedanken, vor allen Dingen aber die ernsthafte Gesinnung des Autors eingraben soll, wie in Wachs oder in Holz mehr ihr Gesez erhålt von den Dingen, den Umstånden, von der Natur, also vom Auge des Menschen, so ist es viel= mehr die Gesinnung, es ist das Herz, welches die Hand führt, die mit jener zweiten eisernen Feder schreibt.

A. Müller.

Griechische und gothische Baukunft.

Von Schönheit in der Baukunft hab' ich wenig Begriff, weil sie mir ganz außer der lebendigen Natur zu seyn scheint; höch= ftens entspringt ihr Reiz bloß aus der Metaphyfik davon, wenn ich das Wort hier brauchen darf, und nicht aus Wirklichkeit : deswegen ihre Verschiedenheit bei allen Völkern, die sich einan= der nicht nachahmen. Eine ftrenge Theorie davon verliert sich in das Dunkel der Schöpfung. Schönheit ist was Vergnügen wirkt; was bloß Schmerz ftillen und verhüten soll, braucht ei= gentlich keine Schönheit an und für sich zu haben. So gehts mit den Gebäuden; sie halten bloß Ungemach ab. So bald das Wetter gut ist, mag ich in keinem bleiben, und will ins freie Feld. Alles muß auf Ungemach, Krankheit, Feindseligkeit, und Bedürfniß von Zusammenkünften berechnet werden; dies bestimmt hernach ihre Vollkommenheit. Harmonie, Ebenmaaß, Übereinstimmung mit Jedes Zweck macht deffen Schönheit,

wenn man das, was nichts Lebendiges nachahmt, so nennen will; was sollen uns alle die überflüffigen, unbedeutenden Zierrathen? Ein Gebäude ist ein Kleid, das Menschen und Thiere vor bösem Wetter schüßt, und muß darnach beurtheilt werden. Geht man in die Wildheit zurück: so findet man Grotten und Waldung, und durchgerißne Felsen, um über Abgründe von Strömen zu gelangen. Dies hat zwar der sittliche Mensch zuerst nachgebildet, und noch jezt sind die Spuren da unter tausend gemachten Bedürfniffen; wir ahmen die ursprünglichen Formen nach, von Fels und Baum in demselben Gebäude durchaus von Stein. Dieser ist inzwischen ungelenk, und wer ihn allzusehr zu leichtem Holze schnißelt, besonders am Boden, wo er gerade vor Augen liegt, wird abgeschmackt und lächerlich. Holz hat seine natürliche Form in Stamm und Zweigen : woher die Säulen und zum Theil die Gewölbe. Je weniger man von der natürlichen Form abnimmt: desto reiner ihre Schönheit; so übertrifft eine Säule immer einen Pilaster. Das meiste aber bezieht sich auf Zweck, und hat mit Nachahmung der Natur wenig zu schaffen. Die Schönheit der Maffen muß aus cinem glücklichen geheimen Gefühl hervorkommen, das sich an der Harmonie der Theile des Menschen, des Großen in der Natur, und überhaupt alles Lebendigen lange geweidet hat; und wieder mit einem solchen Sinn genoffen werden. Hier laffen sich, was Erfindung betrifft, keine bestimmte Regeln ge= ben; ein ganz anders ist, wenn man bloß nachahmt, was Grie= chen und Römern gefiel.

Wenn der Erdboden durchaus gleiches Klima håtte wie die Gegenden, welche sie bewohnten; die Menschen überall dieselben Bedürfniffe, dieselben Sitten und Gebräuche, die gleiche Idee von Glückseligkeit, diefelben Feste und Spiele! Und überhaupt will der Mensch Neues; er hat ohne dies zu viel vom Gesez zu leiden, das er nicht abwerfen kann; warum

von freien Stücken sich eins auf den Nacken legen, das ihm nicht gefällt?

Ein Umstand allein verändert oft das Ganze. Bei den Grie= chen und Römern zum Beispiel war ein Tempel meistens nur für Einen ihrer vielen Götter; eine unendliche Wohnung für denselben abgepast gewissermaßen, wann er vom Olymp hernieder in die Gegend kam, wie ein König aus seiner Residenz in ein Schloß einer seiner Provinzen.

Die Form desselben war also nicht groß, und die Såulen= gånge behielten die Schönheit menschlicher Proporzion; welche verschwindet, wenn sie ins Ungeheure getrieben werken. Jeder Bürger opferte entweder einzelu; oder war allgemeines Fest: se ging der Priester oder die Priesterin hinein, und das Volk stand innen und außen herum. Gleiche Bewandniß hat es bei ihren Drakelsprüchen.

Unfre Kirchen hingegen sind große Versammlungsplåge, wo oft die Einwohner einer ganzen Stadt Stunden lang sich auf= halten sollen. Ein feierlicher gothischer Dom mit seinem freien ungeheuren Raume, von vernünftigen Barbaren entworfen, wo die Stimme des Priesters Tonner wird, und der Choral des Volks ein Meersturm, der den Vater des Weltalls preist und den kühnsten Ungläubigen erschüttert, indeß der Tirann der Musik, die Orgel, wie ein Orkau darein raft und tiefe Fluthen wälzt wird immer das kleinliche Gemächt im Großen, seys nach dem niedlichsten Venustempel von dem geschmackvoll= ften Athenienfer! bei einem Manne von unverfälschtem Sinn zu Schanden machen.

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Heinse.

Dichten und Darstellen.

Ich nehme hier das Wort nicht in feinem ganzen Umfange, in welchem es Gedichte machen heißt und das Darstellen mit in sich faßt. Ich bezeichne nur mit diesem Worte den Zustanddes Dichters,

wenn schon die Seelen werdender Lieder ihm
das Haupt umschweben, ch' das nachahmende
Gewand der Sprache sie umfaffet.

Dichten ist füßer als Darstellen. Groß und hehr umschweben den Dichtenden ftrahlende Göttererscheinungen; sobald er darstellt, ftrahlen sie nicht mehr; sie schweben nicht mehr, aber sie wandeln, leicht als schwebten sie, in dem schimmernden Gewande, in welches der Dichter sie kleidet.

Gleich den unsterblichen Göttern, welche sich zu Sterblichen herunterließen, bald als Pilger moosige Hütten besuchten und nicht verschmähten ein ländliches Mahl, das frohe Einfalt, des hohen Glücks unbewußt, aber werth, ihnen vorsezte; bald, lå= chelnd und reizvoll, mit halbverhüllter Gottheit, ihren Günft= lingen erschienen; bald, Heere zu entflammen, oder zu vertil= gen, in die Vorderreihen der Schlacht sich mischten, Sieg in der Rechten bringend und Tod: so mannigfaltig sind auch die Göttererscheinungen der Begeisterten.

Aber, warum kleidet sie der Dichter, wenn auch die schön= ften Gewande höhere Schönheiten verbergen? Sein Geist muß finken, so oft die Gekleideten sich fenken; warum schwebt er nicht lieber mit den åtherischen Erscheinungen in der höheren Luft umher? Das thut er oft. Dann scheint er sich ganz Geift, in Gesellschaft von Geistern, seinen Brüdern, zu seyn. Weil er aber nicht ganz Geist ist, so cutsinkt er der Höhe, auf welche

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