Imágenes de páginas
PDF
EPUB

fast unglaublich vor, daß ein Mann von solchen Jahren noch einen Vater am Leben haben, und noch unter seiner Bucht ste= hen soll. Als er ihn aber nach der Ursache der Ohrfeige fragte, so sagte der Sechziger : Drum habe er den Großvater schier fallen laffen, als er ihm habe sollen in's Bett helfen. Als das der Fremde hörte, ließ er sich von dem Mann ins Haus führen, ob es auch so sey, wie er sagte. Ja, es war so. Der Bube war 62 Jahr alt, der Vater 96, und der Großvater 130Und der Fremde sagte nachher, als er es wieder erzählte, es werde einem ganz curios zu Muthe, wenn man so 288 unter drei Hüten beieinander sehe. Hebel.

Talbot.

[ocr errors]

Durch die Jungfrau von Orleans find wir gewöhnt worden, mit dem Nahmen Talbot ein Bild von rauher Größe zu verbinden; es gab aber einft in England einen Mann, der durch Sanftmuth, Rechtschaffenheit, Weisheit und Wohlthätigkeit diesem Nahmen den höchften Glanz lieh den Kanzler Talbot. Er war der unbestechlichste Richter und der liebenswürdigste, menschenfreundlichste Privatmann. Seinem Posten verdankte er unter andern das Vorrecht, zu mehreren geistlichen Benefizen zu ernennen; und immer war er sehr vorsichtig in feiner Wahl.

Eines Tages, als gerade eine ansehnliche solche Stelle erledigt worden, empfahl ihm Sir Robert Walpole mit vieler Bårme einen gewiffen jungen Geistlichen, der die besten Zeugniffe von seinen Kenntnissen aufzuweisen hatte. Talbot versprach, Rücksicht auf denselben zu nehmen, nicht sowohl um der Empfehlung willen, als weil er es wirklich zu verdienen schien. Die Sache war bald völlig abgemacht, und es mangelte nur

noch die Expedition des Dekrets, die einigen Formalitåten unterworfen war, und folglich Beit kostete..

Unterdeffen kam der Vikar des Kirchspiels, zu welchem der Geiftliche ernannt war, nach London, ein wackerer alter Mann, der seit einer Reihe von Jahren für eine måßige Belohnung den eigentlichen Dienst verwaltet hatte, wie es in England leider, üblich ist. Er brachte eine Menge Zeugnisse und Empfehlungen von seinen Eingepfarrten mit, die ihn Alle kindlich liebten, und herzlich wünschten ihn zu behalten. Mit diesen Zeugnissen stellte er sich dem neuen Beneficiarius bescheiden vor, und bat, ihm nicht zu entziehen, was er der Gunft seines Vorgångers verdanke. Aber der Greis wurde mehrere Male abgewiesen und endlich mit leeren Worten vertröstet.

Gebeugt und geångstet denn er hatte eine zahlreiche Familie, die seiner Rüdkunft zwischen Furcht und Hoffnung harrete - wagte er es, den Kanzler selbst anzutreten. Seine Be= scheidenheit, sein graues Haar, feine kummervolle Lage und die rührenden Zeugnisse der Eingepfarrten, nahmen Talbot sogleich zu seinem Vortheil ein. Er fragte, wie hoch sich seine Einkünfte beliefen; und als er die Antwort erhielt: vierzig Pfund Sterling (etwa 240 Thaler), åußerte er, das sey sehr wenig, und entlicß den Greis mit der Hoffnung, feine Umstände zu verbessern. Auch empfahl er wirklich, sobald der neue Geiftliche fich um das Defret meldete, ihm den alten Vikar dringend, und ersuchte ihn, den Gehalt deffelben bis auf fechzig Pfund Sterling zu vermehren, weil alsdann immer noch für ihn, den Beneficiarius, mehr als 300 Pfund übrig bleiben würden, für die er nichts zu thun habe.

Der Geistliche versezte: «Ich bin in Verzweiflung, Mylord, Ihnen hierin nicht dienen zu können; denn ich habe bereits ei= nem meiner Freunde diese Stelle zugesagt. »

Bie? rief Talbot; Sie haben über die Stelle disponirt, che Sie noch selbst im Besiß derselben waren?

«Ich gestehe, Mylord, » erwiederte der Geiftliche, «daß ich, im Vertrauen auf Ihr Wort, mich unwiderruflich verbindlich gemacht habe.»

O, sagte Talbot, ich will Ihnen ein ganz leichtes Mittel an die Hand geben, sich dieser Verbindlichkeit zu entledigen; denn ich gebe das ganze Benefiz in diesem Augenblicke einem andern. Mit diesen Worten drehte er ihm den Rücken, und ließ den harten Mann befiürzt stehen.

[ocr errors]

Nicht lange, so meldete sich der alte Vikar wiederum bei Talbot, um zagend zu vernehmen, ob Mylord's Vorwort wirksam gewesen sey. « Ich habe mein Möglichstes gethan,» sagte der Kanzler ; « aber leider umsonst. Die Stelle ist bereits vergeben. Der Greis schlug die Augen nieder, hob fie naß wieder gen Himmel, und wollte gehen. Da ergriff Talbot ihn gerührt bei der Hand. «Seyn Sie ruhig,» sagte er; « das Vikariat kann ich Ihnen nicht geben, aber das Benefiz sollen Sie haben. Schreiben Sie noch heute an Ihre Familic, und morgen foll Alles ausgefertigt seyn.»>

Da stand der alte Mann, und stammelte zitternd : « mein Gott! mein Gott! fegne meinen Wohlthåter! » und eine beredte Thråne fiel auf Talbots Hand.

Seltsame Reife.

Kozebuc.

Die Einwohner von Zürich und Straßburg waren von alten Zeiten her befreundet, und gaben einander gerne Beweise ihrer 3uneigung. Einft, gegen die Mitte des sechszehnten Jahrhun= derts, erfuhren die jungen Zürcher, daß die Straßburger Bogenschüßen auf einen gewiffen Tag ein Fest feyern würden.

Sogleich beschloffen siebzehn kühne Jünglinge, ihre Freunde in Straßburg zu überraschen; aber sie wollten nicht mit leeren Hånden kommen, sondern auch eine Schüffel zum Schmause liefern, und zwar eine warme Schüffel. Man rechnet von Zürich bis Straßburg faft 50 französische Meilen, und es war daher allerdings keine leichte Aufgabe, den Keffel voll Suppe, die in Zúrich gekocht worden, so schnell nach Straßburg zu transportiren, daß, wenn man sich auch dort nicht gerade den Mund an der Suppe verbrennte, fie doch auch nicht kalt befunden würde. Die siebzehn kecken Bursche schifften sich in ein Boot auf der Limmat ein. Der Suppenkeffel stand in der Mitte des Bootes, rings um mit Heu umgeben, damit er sich weniger schnell abkühlen möchte. Der Strom ist reißend, und erlaubt gewöhnlich nur den Gebrauch des Steuerruders; aber die Wagehålse ergriffen fåmmtlich die Ruder, und beim fröhlichen Schall einer militairischen Musik, ruderten sie noch obendrein frisch darauf los. So erreichten sie bald die Aar; aus der Aar schwammen sie in den Rhein, und siche! sie langten unter großem Jubel mit einer lauwarmen Suppe in Straßburg an.

Man muß gestehen, daß diese Expedition ohne Kopf, aber mit viel Herz unternommen worden; auch hat man dieselbe durch ein Gedicht verewigt, welches jezt als eine litterarische Seltenheit betrachtet wird.

Joseph der 3weite.

Derselbe.

Ach, lieber Herr, um Gottes Willen schenken Sie mir einen Gulden! bat voll Angst ein zehnjähriger Knabe den guten Kaifer, Joseph den Zweiten, den er nicht kannte, und der ihm eben jezt begegnete. « Einen Gulden? » fragte Joseph etwas verwundert. « Noch nie habe ich gebettelt, » stammelte der Knabe,

und die heißen Thrånen stürzten ihm aus den ehrlichen Augen, « aber meine arme Mutter ist sterbenskrank, und ich wollte cinen Arzt suchen. » — Joseph erkundigte sich hierauf nach Nahmen und Wohnung, reichte den Gulden dar, und der Knabe log wie ein Pfeil davon. Der Kaiser aber eilte unterdeffen so= gleich nach dem bezeichneten Hause, ftieg eine dunkle schmale Treppe hinauf, und erblickte nun auf elendem Lager eine jam= mernde Kranke, die sich kaum noch aufrichten konnte, um ihn zu fragen, ob er etwa der Arzt sey? -« Der bin ich!» ant= wortete Joseph, ließ sich nun die Krankheit und die ganze Geschichte der Wittwe, die Sonnenberg hieß, erzählen, und tróftete sie dann mit der Hoffnung zu Gott, der ja öfters Hülfe sende, wo man es am wenigften erwarte, die Seinen nicht ver= laffe, und auch für sie, die arme, kranke Wittwe, natürlich forge. Darnach riß er ein Stückchen Papier aus des Knaben Schreibebuch, weil kein anderes Material vorhanden war, schrieb, wie er sagte, ein Rezept, und entfernte sich dann mit den Wor= ten : « Für jezt leben Sie wohl! Ich hoffe das, was ich Ihnen verschrieben habe, wird gute Dienste thun!» Wenige Minuten nachher kam der Sohn mit freudiger Haft zurück, und rief schon in der Thüre : Ich bringe einen Arzt! Ich bringe einen Arzt!» Sogleich trat auch der Arzt hinein. Die Kranke wußte es sich nicht zu erflåren, wie nun mit einem Male zwei Ärzte sie in ihrem elenden Kämmerlein besuchten, bis ihr Sohn den ganzen Vorgang erzählte, und man nun vermuthete, daß der unbekannte Mann, welchen der Knabe um cine Unterstüßung angeflehet hatte, zufälliger Weise ebenfalls ein Arzt gewesen sey. Der zweite Arzt war nun aber doch neugierig, zu erfahren, wer der Andere gewesen sey, und was er verschrieben habe. Er ließ sich daher das Blättchen zeigen, und rief in höchfter Überraschung. «Solche Rezepte können wir übrigen Ärzte Wien's nicht schreiben. Dieser Arzt ist der Kaiser selbst gewesen. Fünfzig

« AnteriorContinuar »