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eines Gelehrten Anspruch macht, erröthen, wenn er auf die Frage: ha ben Sie Horaz gelesen? bekennen sollte: nein, ich habe Horaz nicht gelesen.

Noch heute gibt es Greise in stillen Dörfern und Männer auf Fir stenthronen und an den Stufen des Thrones, welche ihre Erholung, ihr Erquickung, ihre geistige Verjüngung finden in den Gedichten des Hora

Ja, auch von Ihnen, meine Herren, zweifle ich nicht, dasz Sie da was ich weiter zu sagen habe, bejahen werden mit einem:

semper meminisse iuvabit.

Stellen wir uns also die Frage: woher kommt diese Mach welche der alte Sänger auf das Gemüth jedes wahrhaft Gebildeten übt?

Woraus erklärt sich der unverkennbare Einflusz des Horaz auf unsere deutsche Dichterwelt?

Verweilen wir, um diese Frage zu beantworten, zunächst eine Augenblick bei der Person und Zeit des Dichters. Alte Freunde wie derzusehen hat ja stets etwas Wolthuendes, zumal für ein deutsch Gemüth.

Q. Horatius Flaccus war geboren zu Venusia in Unteritalien de 8. Decbr. 65 v. Chr. und starb den 27. Novbr. im Jahre 8 v. Chr.

Sein Leben fällt in die Blütezeit der römischen Litteratur. De Sprache der Römer hatte damals ihren vollendeten Ausdruck gefunde in den Schriftstücken des Cicero, dessen Name eines geworden ist m dem Namen Beredtsamkeit. Für die Dichtkunst waren unter dem Schut des Augustus und der ersten Männer des Staats, Agrippa, Messala, Polla und vorzüglich Mäcenas, alle Bedingungen gegeben, unter welchen de selbe zur höchsten Vollendung gelangen konnte. Der Janustempel waz geschlossen. Es kamen Jahre der Ruhe nach langen politischen Stürmen Es lebte ein allgemeines Interesse, ja ein leidenschaftlicher Wetteifer für die Pflege der Musenkünste. Des Beifalls und der äuszeren Unterstützung konnten die emporstrebenden Talente gewis sein. Was im Bereiche der Poesie Keim oder halb entwickelt gewesen war, das gedieh jetzt rasch zur vollen Blüte, das römische Epos durch Virgil, die Lyrik durch Horaz, die Poesie der Liebe in der bestimmten Form der Elegie durch Properz, Tibull und etwas später Ovid.

Horaz.

In der Mitte dieser augusteischen Dichtergruppe erblicken wir den

Ausgerüstet mit seltenen Geistesgaben, gebildet durch unablässiges Studium der griechischen Dichter und Denker"), ein Lessing an Klar heit und reinem Geschmack und dabei doch tief von Gemüth, wuste Heraz seine eigene Kraft) und die Bildungsfähigkeit der römischen Sprache

6) Art. p. 269 vos exemplaria Graeca nocturna versate manu, sate diurna.

ver

7) Sat. 2, 3, 11 quorsum pertinuit stipare Platona Menandro, Eu polin, Archilochum, comites educere tantos. Epist. 1, 1, 14 fig. Epist. 1.2.

8) Art. p. 38 sumite materiam vestris, qui scribitis aequam viribus, et versate diu quid ferre recusent, quid valeant humeri cet.

echt zu würdigen gegenüber der bei weitem beweglicheren Sprache der Hellenen.

Er wollte kein Pindar sein und durch kühne Dithyramben glänzen; er begnügte sich mit dem Ruhme, der Dichter des Liedes im eigentlichen Sinne zu heiszen, des Liedes, wie es vor ihm unter griechischem Himmel Alcäus und die Dichterkönigin Sappho gesungen hatten "). Denn Pindarum quisquis -!

"Wer mit Pindar wagt zu ringen 10),
Müht auf wachsgefügten Schwingen,
Wie einst Ikarus, sich ab.

Nah' der Sonne schmilzt sein Flügel;
Und des Meers krystallner Spiegel

Wird des kühnen Wagers Grab.
Wie ein Strom aus Felsenrissen "),
Angeschwellt von Regengüssen,

Brauset Au' und Thal entlang,
Rauscht in regellosen Wellen
Aus des Geistes tiefsten Quellen
Pindar's flutender Gesang!

Zu den fernen Wolken dringen
Pindar's kühne Adlerschwingen. 12)

Aber Flaccus Lied entsteht

Nach der kleinen Bienen Weise,

Die mit Emsigkeit sich Speise

Aus dem Thymian erspäht.

In dem sinnigen Vergleiche mit der Biene liegt mehr, als Horaz selber wollte. Sein Lied gleicht auch dem künstlichen Baue der Zelle, der Inhalt dem Honigseim.

Schwerlich hat je ein neuerer Dichter so viel Sorgfalt auf ein Lied verwendet, wie Horaz auf sein carmen Saeculare 13), gleich Pindar, von dem wir wissen dasz er an einer Ode Jahrelang gearbeitet hat. Und welche Arbeit, ich sage Arbeit, hat unserem Schiller sein Don Carlos gemacht?

Dadurch ist es Horaz gelungen, der an sich spröden, rauhen Sprache Roms eine Geschmeidigkeit, eine Feinheit, einen Wollaut, eine Fülle des

9) Od. 3, 30, 10 fig. dicar princeps Aeolium carmen ad Italos deduxisse modos. Od. 4, 3, 11 sed quae Tibur aquae fertile praefluunt et spissae nemorum comae fingent Aeolio carmine nobilem.

10) Zu Grunde liegt die Uebersetzung von Wolff, Jahrbb. Suppl. X, 3, 1844 mit notwendigen Abänderungen.

11) Schiller, Macht des Gesanges: 'Ein Regenstrom aus Felsenrissen' usw.

12) Im Anschlusz an Pind. Οl. 2, 87 κόρακες ὡς ἄκραντα γαρύετον Διὸς πρὸς ὄρνιχα θεῖον. Nem. 3, 80.

13) Vgl. die Schrift des genialen Schmelzkopf, de Hor. carm. saec. Lips. 1838,

eines Gelehrten Anspruch macht, erröthen, wenn er auf die Frage: he ben Sie Horaz gelesen? bekennen sollte: nein, ich habe Horaz nicht gelesen.

Noch heute gibt es Greise in stillen Dörfern und Männer auf Für stenthronen und an den Stufen des Thrones, welche ihre Erholung, ihr Erquickung, ihre geistige Verjüngung finden in den Gedichten des Hora

Ja, auch von Ihnen, meine Herren, zweifle ich nicht, dasz Sie das was ich weiter zu sagen habe, bejahen werden mit einem:

semper meminisse iuvabit.

Stellen wir uns also die Frage: woher kommt diese Mach welche der alte Sänger auf das Gemüth jedes wahrhaft Ge bildeten übt?

Woraus erklärt sich der unverkennbare Einflusz des Horaz auf unsere deutsche Dichter welt?

Verweilen wir, um diese Frage zu beantworten, zunächst eines Augenblick bei der Person und Zeit des Dichters. Alte Freunde we derzusehen hat ja stets etwas Wolthuendes, zumal für ein deutsches Gemüth.

Q. Horatius Flaccus war geboren zu Venusia in Unteritalien des 8. Decbr. 65 v. Chr. und starb den 27. Novbr. im Jahre 8 v. Chr.

Sein Leben fällt in die Blütezeit der römischen Litteratur. Du Sprache der Römer hatte damals ihren vollendeten Ausdruck gefunde in den Schriftstücken des Cicero, dessen Name eines geworden ist m dem Namen Beredtsamkeit. Für die Dichtkunst waren unter dem Schutze des Augustus und der ersten Männer des Staats, Agrippa, Messala, Poll und vorzüglich Mäcenas, alle Bedingungen gegeben, unter welchen die selbe zur höchsten Vollendung gelangen konnte. Der Janustempel wa geschlossen. Es kamen Jahre der Ruhe nach langen politischen Stürmen Es lebte ein allgemeines Interesse, ja ein leidenschaftlicher Wetteifer für die Pflege der Musenkünste. Des Beifalls und der äuszeren Unterstützung konnten die emporstrebenden Talente gewis sein. Was im Bereiche der Poesie Keim oder halb entwickelt gewesen war, das gedieh jetzt rasch zur vollen Blüte, das römische Epos durch Virgil, die Lyrik durch Horaz, die Poesie der Liebe in der bestimmten Form der Elegie durch Properz, Tibull und etwas später Ovid.

In der Mitte dieser augusteischen Dichtergruppe erblicken wir den Horaz.

Ausgerüstet mit seltenen Geistesgaben, gebildet durch unablässiges Studium der griechischen Dichter und Denker), ein Lessing an Klarheit und reinem Geschmack und dabei doch tief von Gemüth, wuste Horaz seine eigene Kraft) und die Bildungsfähigkeit der römischen Sprache

6) Art. p. 269 vos exemplaria Graeca nocturna versate manu, versate diurna.

7) Sat. 2, 3, 11 quorsum pertinuit stipare Platona Menandro, Eupolin, Archilochum, comites educere tantos. Epist. 1, 1, 14 fig. Epist. 1, 2. 8) Art. p. 38 sumite materiam vestris, qui scribitis aequam viribus, et versate diu quid ferre recusent, quid valeant humeri cet.

echt zu würdigen gegenüber der bei weitem beweglicheren Sprache der Hellenen.

Er wollte kein Pindar sein und durch kühne Dithyramben glänzen ; er begnügte sich mit dem Ruhme, der Dichter des Liedes im eigentlichen Sinne zu heiszen, des Liedes, wie es vor ihm unter griechischem Himmel Alcäus und die Dichterkönigin Sappho gesungen hatten). Denn Pindarum quisquis —!

"Wer mit Pindar wagt zu ringen 10),
Müht auf wachsgefügten Schwingen,
Wie einst Ikarus, sich ab.
Nah' der Sonne schmilzt sein Flügel;
Und des Meers krystallner Spiegel

Wird des kühnen Wagers Grab.
Wie ein Strom aus Felsenrissen "),
Angeschwellt von Regengüssen,

Brauset Au' und Thal entlang,

Rauscht in regellosen Wellen
Aus des Geistes tiefsten Quellen
Pindar's flutender Gesang!

Zu den fernen Wolken dringen
Pindar's kühne Adlerschwingen. 12)
Aber Flaccus Lied entsteht

Nach der kleinen Bienen Weise,

Die mit Emsigkeit sich Speise

Aus dem Thymian erspäht.

In dem sinnigen Vergleiche mit der Biene liegt mehr, als Horaz selber wollte. Sein Lied gleicht auch dem künstlichen Baue der Zelle, der Inhalt dem Honigseim.

Schwerlich hat je ein neuerer Dichter so viel Sorgfalt auf ein Lied verwendet, wie Horaz auf sein carmen Saeculare 13), gleich Pindar, von dem wir wissen dasz er an einer Ode Jahrelang gearbeitet hat. Und welche Arbeit, ich sage Arbeit, hat unserem Schiller sein Don Carlos gemacht?

Dadurch ist es Horaz gelungen, der an sich spröden, rauhen Sprache Roms eine Geschmeidigkeit, eine Feinheit, einen Wollaut, eine Fülle des

9) Od. 3, 30, 10 flg. dicar princeps Aeolium carmen ad Italos deduxisse modos. Od. 4, 3, 11 sed quae Tibur aquae fertile praefluunt et spissae nemorum comae fingent Aeolio carmine nobilem.

10) Zu Grunde liegt die Uebersetzung von Wolff, Jahrbb. Suppl. X, 3, 1844 mit notwendigen Abänderungen.

11) Schiller, Macht des Gesanges: 'Ein Regenstrom aus Felsenrissen' usw.

12) Im Anschlusz an Pind. ΟΙ. 2, 87 κόρακες ὡς ἄκραντα γαρύετον Διὸς πρὸς ὄρνιχα θεῖον. Nem. 3, 80.

13) Vgl. die Schrift des genialen Schmelzkopf, de Hor. carm, saec. Lips. 1838.

eines Gelehrten Anspruch macht, erröthen, wenn er auf die Frage: haben Sie Horaz gelesen? bekennen sollte: nein, ich habe Horaz nicht gelesen.

Noch heute gibt es Greise in stillen Dörfern und Männer auf Fir stenthronen und an den Stufen des Thrones, welche ihre Erholung, ih Erquickung, ihre geistige Verjüngung finden in den Gedichten des Hora

Ja, auch von Ihnen, meine Herren, zweifle ich nicht, dasz Sie da was ich weiter zu sagen habe, bejahen werden mit einem:

semper meminisse iuvabit.

Stellen wir uns also die Frage: woher kommt diese Macht. welche der alte Sänger auf das Gemüth jedes wahrhaft Ge bildeten übt?

Woraus erklärt sich der unverkennbare Einflusz des Horaz auf unsere deutsche Dichter welt?

Verweilen wir, um diese Frage zu beantworten, zunächst einer Augenblick bei der Person und Zeit des Dichters. Alte Freunde wie derzusehen hat ja stets etwas Wolthuendes, zumal für ein deutsches Gemüth.

Q. Horatius Flaccus war geboren zu Venusia in Unteritalien de 8. Decbr. 65 v. Chr. und starb den 27. Novbr. im Jahre 8 v. Chr.

Sein Leben fällt in die Blütezeit der römischen Litteratur. Di ! Sprache der Römer hatte damals ihren vollendeten Ausdruck gefunder in den Schriftstücken des Cicero, dessen Name eines geworden ist m dem Namen Beredtsamkeit. Für die Dichtkunst waren unter dem Schutz des Augustus und der ersten Männer des Staats, Agrippa, Messala, Polli und vorzüglich Mäcenas, alle Bedingungen gegeben, unter welchen die selbe zur höchsten Vollendung gelangen konnte. Der Janustempel war geschlossen. Es kamen Jahre der Ruhe nach langen politischen Stürmen Es lebte ein allgemeines Interesse, ja ein leidenschaftlicher Wetteifer für die Pflege der Musenkünste. Des Beifalls und der äuszeren Unterstützung konnten die emporstrebenden Talente gewis sein. Was im Bereiche der Poesie Keim oder halb entwickelt gewesen war, das gedieh jetzt rasch zur vollen Blüte, das römische Epos durch Virgil, die Lyrik durch Horaz, die Poesie der Liebe in der bestimmten Form der Elegie durch Properz, Tibull und etwas später Ovid.

In der Mitte dieser augusteischen Dichtergruppe erblicken wir den Horaz.

Ausgerüstet mit seltenen Geistesgaben, gebildet durch unablässiges Studium der griechischen Dichter und Denker"), ein Lessing an Klarheit und reinem Geschmack und dabei doch tief von Gemüth, wuste Horaz seine eigene Kraft) und die Bildungsfähigkeit der römischen Sprache

6) Art. p. 269 vos exemplaria Graeca nocturna versate manu, ver

sate diurna.

7) Sat. 2, 3, 11 quorsum pertinuit stipare Platona Menandro, Eupolin, Archilochum, comites educere tantos. Epist. 1, 1, 14 fig. Epist. 1, 2. 8) Art. p. 38 sumite materiam vestris, qui scribitis aequam viribus, et versate diu quid ferre recusent, quid valeant humeri cet.

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