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Sie nagten, zausten, gruben, wühlten,
Die Erd' ab von der Wurzel spülten,
Und wie sie rieselnd niederrann,
Der Drach' im Grund aufblickte dann,
Zu sehn, wie bald mit seiner Bürde
Der Strauch entwurzelt fallen würde.
Der Mann in Angst und Furcht und Not,
Umstellt, umlagert und umdroht,

Im Stand des jammerhaften Schwebens,
Sah sich nach Rettung um vergebens.
Und da er also um sich blickte,
Sah er ein Zweiglein, welches nickte
Vom Brombeerstrauch mit reifen Beeren;
Da konnt' er doch der Luft nicht wehren.
Er sah nicht des Kameeles Wut,
Und nicht den Drachen in der Flut,
Und nicht der Mäuse Tückespiel,
Als ihm die Beer' in's Auge fiel,
Er ließ das Thier von oben rauschen,
Und unter sich den Drachen lauschen,
Und neben sich die Mäuse nagen,
Griff nach den Beerlein mit Behagen,
Sie däuchten ihm zu essen gut,
Aß Beer' auf Beerlein wolgemut,
Und durch die Süßigkeit im Essen
War alle seine Furcht vergessen.

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Du fragst, wer ist der thöricht' Mann,
Der so die Furcht vergessen kann?
So wiss', o Freund: der Mann bist du,
Vernimm die Deutung auch dazu.
Es ist der Drach' im Brunnengrund
Des Todes aufgesperrter Schlund,
Und das Kameel, das oben droht,
Es ist des Lebens Angst und Not.
Du bist's, der zwischen Tod und Leben
Am grünen Strauch der Welt musst schweben.
Die beiden, so die Wurzel nagen,

Dich sammt den Zweigen, die dich tragen,
Zu liefern in des Todes Macht,

Die Mäuse, heißen Tag und Nacht.

Es nagt die schwarze, wol verborgen,
Vom Abend heimlich bis zum Morgen;
Es nagt vom Morgen bis zum Abend
Die weiße, wurzeluntergrabend.

Und zwischen diesem Graus und Wust
Lockt dich die Beere,,Sinnesluft",
Dass du Kameel: die Lebensnot,
Dass du im Grund den Drachen: Tod,
Dass du die Mäuse: Tag und Nacht,
Vergiffest und auf nichts hast Acht,
Als dass du recht viel Beerlein haschest,
Aus Grabes Brunnenrißen naschest.

Der

45. Der Maulwurf.

(Holstein'sche Sage.)

er Maulwurf ist ein armes Thier,
Kommt selten aus dem Loch herfür,
Hat schwarzes Fell und scheut das Licht,
Lebt in der Erd' von Wurmgezücht,
Und keiner säh' ihm jezo an,

Dass sonst er war ein reicher Mann.

„Ein reicher Mann? Das glaub' ich nie,

Ein reicher Mann? O sagt doch, wie?"
Der reiche Mann hieß: Wirfinsmaul,
War dick und grob und plump und faul,
Er plagte sich in keinem Amt;

Trug doch ein schwarzes Kleid von Sammt,
Mit langen Ärmeln, und ging gar stolz,
Als hätt' er verschluckt ein grades Holz;
Hielt alles sonst für Lumpenpack
Und klimperte mit Geld im Sack;
Pralt' auch mit großen Gasterei'n,
und schor den Fleischer hinterdrein;
Am Jahresschluss macht' er das Stück:
Gab alle Knochen ihm zurück

Und sprach: Ich hab' nur Fleisch allein
Bestellt, hier sind zurück die Bein'."
Und wog's zurück und zahlte knapp,
Und knappt' am Schluss noch mehres ab.
Und ging der Fleischer vor Gericht

Rück

1

So half's ihm gegen den Reichen nicht,
Denn weil der Richter auch mit aß,
Kehrt' er die ganze Sach' in Spaß.
Und ging der Fleischer mit schelem Gesicht,
Dem Wirfinsmaul verschlug das nicht.
Er wechselt' den Fleischer alle Jahr,
Macht's keinem nicht besser um ein Haar,
Doch wie er bei allen war herum,

Da waren die Leute nicht mehr dumm:
Mit Fleischabreichen war es aus,
Man bracht' ihm keine Schnauz' in's Haus,
Und es verwünscht' ihn die ganze Zunft
In solch ein Thier und Unvernunft. -
Der Wirfinsmaul heißt Maulwurf nun
Und muss nach seiner Weise thun,
Muss essen Fleisch ohne alle Bein',
Das sind nun Regenwärmelein;
Spitzt anderm nach das Maul,
Ist noch, wie sonst, dick, fett und faul;
Den sammtnen Rock hat er noch an;
Doch fehlen die stolzen Ärmel dran;
Auch sind die Arme gekürzt gar sehr,
Langt keiner in keine Tasche mehr.
Er schämt sich vor der ganzen Welt
Und scharrt in der Erde, statt im Geld.

46. Räthsel.

1. *)

Gesegnet sei der Gelbe mit dem lichten Rand,
Der wie die Sonne wandelt über Meer und Land;
In jeder Stadt daheim, zu Haus an jedem Strand,
Gegrüßt mit Ehrfurcht, wo sein Name wird genannt,
Er geht als wie ein edler Gast von Hand zu Hand,
Empfangen überall mit Lust, mit Leid entsandt.
Er schlichtet jedes menschliche Geschäft gewandt,
Ju jeder Schwierigkeit ist ihm ein Rath bekannt.
Er pocht umsonst nicht an die taube Felsenwand,
Und etwas fühlt für ihn ein Herz, das nichts empfand.
Er ist ein Zaubrer, dem sich keine Schlang' entwand,
*) Vgl. Horat. Od. III, 16.

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Der Schöne, welchem keine Schönheit widerstand
Der Held, der ohne Schwertstreich Helden überwand,
Der Schwachen Kräfte gibt und Thörichten Verstand
Und Selbstvertraun einflößet, das mit Stolz ermannt.
Wer ihn zum Freund hat, ist den Fürsten anverwandt,
Wenn gleich sein Stammbaum auf gemeinem Boden stand.
Der trifft des Wunsches Ziel, dem er den Bogen spannt.
Er ist des Königs Kron' und Herrschafts Unterpfand;
Er ist der Erde Kern, und alles sonst ist Tand.

2.1)

Verflucht der Heuchler mit dem doppelten Gesicht,
Dem kalten Herzen und dem Lächeln, das besticht.
Er stammt vom Abgrund, von den Finsternissen dicht,
Doch überstralt sein falscher Schein der Sonne Licht.
Die Wahrheit dringt nicht durch das Trugneß, das er flicht.
Er gibt der Welt in allem Bösen Unterricht,

Lehrt, wie man falsche Eide schwört und Treue bricht.
Er ist's, der aus des Richters Mund dein Urtheil spricht,
Er ist's, um den man streitet, tobt und kämpft und ficht,
Um den der Dieb die Hand verliert am Hochgericht.
Für ihn verkauft man seinen Glauben, seine Pflicht,
Für ihn erkauft der Schlechte sich ein Lobgedicht.

Er ist's, um den das Herz aus Furcht dem Geiz'gen bricht,
Er ist's, um den des Neides Blick den Reichen sticht.
Das Schlimmste ist: Wer ihn bewahrt, dem nüßt er nicht,
Und wer ihn nüßt, der thut dadurch auf ihn Verzicht.
Darum verachtet ihn ein edler Mann und spricht:
Du Taugenichts, hinweg von meinem Angesicht!

47. Der Ring des Polykrates. 2)
Er stand auf seines Daches Zinnen,
Er schaute mit vergnügten Sinnen
Auf das beherrschte Samos 3) hin.
Dies Alles ist mir unterthänig",

Rückert.

1) Vgl. Ovid. Met. I, 140. Verg. Aen. III, 56. Horat. Od III, 3, 49. Tac. Germ. 5,14. 2) Nach dem griech. Geschichtschreiber Herodot, III. 40-43 3) Samos war durch die Klugheit und Thatkraft des Tyrannen Polykrates der ein Zeitgenosse des Athe ners Peisistratos war und des Weisen Pythagoras von Samos aus einem Raubftaate der Vorort eines weitausgedehnten Küsten- und Inselreichs geworden; es war damals der prachtvolle Mittelpunkt der neuionischen Seemacht und der geistigen Bestrebungen der Hellenen.

Begann er zu Ägyptens König,
„Gestehe, dass ich glücklich bin."

,,,,Du hast der Götter Gunst erfahren!
Die vormals deines Gleichen waren,
Sie zwingt jetzt deines Scepters Macht.
Doch Einer lebt noch, sie zu rächen,
Dich kann mein Mund nicht glücklich sprechen,
So lang des Feindes Auge wacht."

Und eh' der König noch geendet,
Da stellt sich, von Milet gesendet,
Ein Bote dem Tyrannen dar:
,,Lass, Herr! des Opfers Düfte steigen,
Und mit des Lorbeers muntern Zweigen
Bekränze dir dein festlich Haar.

Getroffen sank dein Feind vom Speere,
Mich sendet mit der frohen Märe
Dein treuer Feldherr Polydor -"
Und nimmt aus einem schwarzen Becken
Noch blutig, zu der beiden Schrecken,
Ein wolbekanntes Haupt hervor.

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3

2

f

Der König tritt zurück mit Grauen :
Doch warn' ich dich, dem Glück zu trauen““,
Versett er mit besorgtem Blick.
,,,,Bedenk, auf ungetreuen Wellen,
Wie leicht kann sie der Sturm zerschellen!
Schwimmt deiner Flotte zweifelnd Glück.““

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Und eh' er noch das Wort gesprochen,
Hat ihn der Jubel unterbrochen,
Der von der Rhede jauchzend schallt.
Mit fremden Schäßen reich beladen
Kehrt zu den heimischen Gestaden
Der Schiffe mastenreicher Wald.

Der königliche Gast erstaunet:
Dein Glück ist heute gut gelaunet,
Doch fürchte seinen Unbestand;
Der Kreter waffenkund'ge Scharen
Bedräuen dich mit Kriegsgefahren,
Schon nahe sind sie diesem Strand.""

کو

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