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Deutsche Lustspieldichter.

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Ursprung und Fortgang der Schauspiele überhaupt, und besonders des Lustspiels, bei den Deutschen.

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Noch immer fehlt es uns an einer ausfährlichen und volle ständigen Geschichte unsrer vaterländischen Bühne; denn was bisher in dieser Absicht geliefert ist, sind nur einzelne mangelhafte Versuche, und verschiedne, zum Theil ganz brauchbare, Materialien *). Die frühesten Spuren deuts scher Schauspiele hat man schön in dem Zeitalter Karls des Großen auffinden wollen, an dessen Hofe ein Schauspiel in der damaligen deutschen Sprache, oder vielmehr in der alts friesischen Mündart soll aufgeführt seyn; indeß hat diese Ans gabe nicht viel mehr, als bloße Vermuthung, zum Gründe, Daß es mehrerlei dramatische Vorstellungen, auch geistlichen Inhalts, besonders in den Klöstern, schon sehr frühzeitig auch in Deutschland gegeben habe, ist höchst wahrscheinlich; gewöhnlich aber scheinen diese in lateinischer Sprache abges fasst gewesen zu seyn.' Auch schliesst man aus einem Vers

bote,

*) Die Schriften über die Gefchichte unsers Theaters findet man dm vollständigken vom Hrn. v. Blankenburg in der Neuesten Auflage von Sulzer's Allg. Theorie d. sch. K. Art. Drama, B. 1. S. 724, nachgewiesen.

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bote, daß Niemand bei der Vorstellung theatralicher Stücke priesterliche Kleidung anlegen solle, daß es dergleichen unter den karolingischen Kaisern gegeben haben müsse. Sehr uns eigentlich aber wird immer die Gandersheimische Nonne Roswitha oder Hroswitha, im zehnten Jahrhunderte, als eine der ersten deutschen Schauspieldichterinnen angeführt. Ihre, noch vorhandenen sechs Schauspiele find lateinisch ges schrieben, und höchst mittelmäßige Nachahmungen des Terenz. Im eilften Jahrhunderte gab es, nach dem Zeugnisse der Chronikschreiber, eine Art von Mimen und Possenspies lern, oder Jokulatoren, in Deutschland, die an den Höfen der damaligen Fürsten und Edelleute umherzogen. Dergleis chen kommen auch in den beiden folgenden Jahrhunderten noch häufig vor; sie werden im Sachsenspiegel für rechtlos oder ehrlos erklärt. Unter den Ueberresten der Poesie der Minnesinger giebt es, wie bekannt, keine eigentliche Schaur spiele, sondern nur einige wenige dialogirte Gedichte, wie bei den Provenzalen. Eine Art von Mysterien scheint ins deß schon um diese Zeit in Deutschland üblich gewesen zu seyn; und so wird ein altes Osterspiel vom Antichrist, Ludus Pafchalis de adventu et interitu Antichrifti, ̈ nicht uns wahrscheinlich ins zwölfte Jahrhundert geseßt; aber auch dieses, wie vermuthlich Alles in dieser Art, war lateinisch; und es lässt sich nicht angeben, ob und wo jenes Schauspiel aufgeführt sey. Ferner erwähnt man eines im Jahre 1322 zu Eisennach aufgeführten Schauspiels von den zehn Junge frauen, durch die Geistlichen und ihre Schüler, wovon es jedoch gleichfalls noch ungewiß ist, ob es in deutscher Sprache verfertigt gewesen. Man beruft sich weiter auf die bekannte Geschichte Eulenspiegel's, den man in dieses Jahrhundert

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weil darin eines Ofterspiels erwähnt wird. Dergleis chen dramatische Vorstellungen scheinen in dem folgenden vierzehnten Jahrhunderte noch üblicher geworden zu seyn; und um eben diese Zeit geschieht auch der Faftṇachtspiele zus

erst

erst Erwähnung, die uns noch, ihrer ganzen Mißgestalt nach, aus verschiednen Proben bekannt sind, und die sich, ihrer Geschmacklosigkeit und Unsittlichkeit ungeachtet, noch bis in das siebzehnte Jahrhundert gangbar erhielten. Am meis sten wurden sie zu Nürnberg und Augsburg gespielt. Meis stersånger, die zugleich Handwerker waren, schrieben und spielten sie. Hans Schnepperer, genannt Rosenblut, und in der Folge Hans Sachs, find unter ihren Verfassern die bekanntesten. Daß man damals auch schon auf die Schaus spiele des Alterthums einige Aufmerksamkeit gewandt habe, sieht man aus der Ueberseßung des terenzischen Eunuchus ́ durch Hanns Tydthart, die 1486 zu Ulm gedruckt wurde, und aus der deutschen Uebersetzung des ganzen Terenz von einem Ungenannten, die zu Straßburg 1499 herauskam. Aus dem ersten Zehend des sechszehnten Jahrhunderts hat man keine gedruckte deutsche Komödien; wohl aber ́waren die lateinischen noch üblich, dergleichen man eine, Ludus Dianae, vom Conrad Celtes hat. Auch gehören dahin die lateinischen, dem Plautus nachgeahmten, Schauspiele von Jakob Locher, eine Tragikomödie von Johann von Kit scher, u. a. m. Von Pamphilus Gengenbach sind noch zwet deutsche Lustspiele, die Prophetien Sancti Methodii und Mollbardi, und die Gouchmer, vorhanden, die um das Jahr 1515 zu Basel gespielt wurden. Wie fruchtbar Hens Sachs, dessen erstes Fastnachtsspiel im J. 1517 gedruckt wurde, an Fastnachtspielen, weltlichen und geistlichen 'Komds ' dien und Tragödien gewesen sey, ist aus seinen Werken 'bes fannt. So war auch Paul Rebhun, Schulmeister zu Plauen, und hernach Pfarrer zu Delßniß und Superintens dent im Amte Voigtsberg, ein fruchtbarer dramatischer Schriftsteller; und von dem Notarius und Gerichtsprokuras tor Jakob Ayrer zu Nürnberg hat man ein reichhaltiges Opus Theatricum, in einem stattlichen Foliobande, worin auch schon Singspiele vorkommen. Zu Ende dieses Jahri hunderts

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hunderts beschäftigten fich selbst große Herren mit Verfertis gung der Echauspiele, dergleichen man zwei vom Herzog Julius zu Braunschweig hat. Biele satirische Stücke, besonders wider den Pabst und die Geistlichkeit, erschienen da, mals ohne Namen ihrer Verfasser. Gousched hat zwar, `in seinem Nöthigen Vorrathe zur dramatischen Dichtkunst der Deutschen unter diesem alten Wuste schon ziemlich aufges raumt; er verdiente indeß noch immer die fortgeseßte Geduld eines kritischen Forschers; und überhaupt wäre ein deutsches dramatisches Wörterbuch, dergleichen die Italiåner in der Drammaturgia des Leone Allacci und Apoftolo Zeno, die Franzosen in ihrem Dictionnaire des Théatres, und die Eng länder in dem Companion to the Playhouse befizen, gewiß, tein unerheblicher Beitrag zur Geschichte unsrer poetischen Literatur. In der ersten Hälfte des siebenzehnten Jahrs hunderts schien die deutsche dramatische Poesie eine günstigere Wendang zu nehmen, und Opitz erwarb sich auch von dieser Seite um die Verbesserung unsrer Dichtkunst kein geringes, obgleich wenig erkanntes und wenig fruchtendes, Verdienst. Seine Daphne und Judith sind als die ersten wahren deuts schen Singspiele noch immer merkwürdig; und seine Uebers, setzung des Trauerspiels Antigone vom Sophokles verdient nicht weniger Aufmerksamkeit. So gehört auch Andreas. Gryphius zu denen Dichtern, die zur Verbesserung unsrer Schauspiele mitwirkten. Aber der lohensteinische schwüls stige, und nachher der weisische wässrige Geschmack zerstör ten gar bald wieder alles Gute, was jene Bemühungen hat, ten bewirken können; und der immer herrschender werdende Operngeschmack trug gleichfalls dazu nicht wenig bei. In eben diesem Jahrhunderte entstanden die ersten förmlichen Schauspielergesellschaften in Deutschland, unter welchen man die Treuische als die erste anzuführen pflegt, deren Geschichte aber weiter zu verfolgen hier der Ort nicht ist. ~ Höchst unbes. deutend und geschmacklos war der Zustand des deutschen Theas

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ters zu Anfange des gegenwärtigen Jahrhunderts; und man tann Gottschcd's Verdienste um die Verbesserung desselben nicht verkennen, obgleich man die Epoche des gereinigten dramatischen Geschmacks in Devtschland mit seiner feierlis chen Verbannung des Harlekins von der Bühne, im J. 1737, zu früh anheben würde. Was ihm noch immer vors züglich zum Ruhme gereicht, ist wohl mehr, daß er die Deuts schen auf die besten Muster des Alterthums und des Auss landes, vornehmlich Frankreichs, aufmerksamer machte, und fie zur Nachahmung dieser Muster ermunterte. Freilich aber bedurfte es besserer Köpfe, als die eigentlichen Gottschedischen Schüler waren, um das Studium dieser Muster zweckmäßig und mit eigner, originaler Geisteskraft zu benußen. Es bedurfte erst noch der Wegräumung mancher einseitiger Vorurtheile, es bedürfte der aus dergleichen Vorurtheile, und aus Mangel hinlänglicher Sprachkunde, zu sehr vors enthaltenen Kenntniß der englichen Bühne und ihrer vorzüg lichsten Dichter, um dem deutschen dramatischen Geschmacke keinen durchaus französischen Anstrich und Zuschnitt zu ge ben. Hiedurch geschah es, daß unsre dramatische Poesie und Schauspielkunft seit der Mitte des gegenwärtigen Jahre hunderts so merkliche und so rühmliche Fortschritte that, die jedoch von dem Ziele der Vollkommenheit, welches die bessern Ausländer erreichen, noch ziemlich weit zurück bleiben. Der Vorwurf, den uns diese so oft machen, daß die deutschen Schauspieldichter und Schauspieler zu wenig Originalitåt haben, ist nur allzu gegründet, und trifft die Gattung des Lustspiels gewiß am meisten. Schwerlich dürfen wir auch diesen Vorzug so bald zu erreichen hoffen; wenn er anders uns Deutschen überall erreichbar ist.,,Ueber den gutherzis gen Einfall, sagt Lessing *), den Deutschen ein Nationaltheater zu verschaffen, da wir Deutschen noch keine Elation

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* Hamburg. Dramaturgie, St. 101,

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