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eine berühmte Homerstelle an, die sich an anderer Stelle bei Hölderlin deutlicher zum Vergleich anbietet:

Man vergleiche Z 146 ff.:

οἴη περ φύλλων γενεή, τοίη δὲ καὶ ἀνδρῶν.

φύλλα τὰ μέν τ ̓ ἄνεμος χαμάδις χέει, ἄλλα δέ θ ̓ ὕλη τηλεθόωσα φύει, ἔαρος δ ̓ ἐπιγίγνεται ὥρη·

ὡς ἀνδρῶν γενεὴ ἡ μὲν φύει, ἡ δ ̓ ἀπολήγει,

und II 149 (ebenso II 535):

,,Ist der Mensch nicht veraltet, verwelkt, ist er nicht wie ein abgefallen Blatt, das seinen Stamm nicht wiederfindet und nun umhergescheucht wird von den Winden, bis es der Sand begräbt? Und dennoch kehrt sein Frühling wieder!"

Die Ähnlichkeit liegt auch hier auf der Hand und erstreckt sich bis in Einzelheiten; Zufall ist das kaum. Und doch ein wesentlicher Unterschied: Dem Naturvorgang, der dem klaren Tatsachenblick des homerischen Menschen das Gleichnis für eine nicht erfreuliche, doch unabänderliche Notwendigkeit des Wechsels bietet, entnimmt Hölderlin ein Moment der Hoffnung, ein Positives, das seine sehnende Seele stillt; was er aus dem ἔαρος δ' ἐπιγίγνεται on heraushört, das läßt ihn sogar das Treffende des Gleichnisses halb zerstören 209). Denn wenn der homerische Mensch halb in

208) III 177.

209) Auch die Form ist, der verschiedenen Einstellung der Subjekte wie der Dichtungsgattungen entsprechend, sehr verschieden: streng und fast kühl stilisiert erzählt der homerische Vergleich seine Tatsachen; ganz anders das Pathos des (noch relativ frühen) Hölderlin mit Fragen und Ausrufen. Philologus LXXX (N. F. XXXIV), 1.

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prometheischem Trotz, halb in dumpfer Resignation sich mit dem Schicksal abfindet, so ist der komplizierten und reizbaren Psyche des sentimentalischen Dichters damit kein Genüge geschehen: sie hofft, baut, deutet, nähert ihre Göttervorstellung in der Folge noch mehr der christlichen 210), schwingt sich schließlich in machtvollen Zukunftsvisionen über den Jammer des Lebens und der Gegenwart hinaus 211).

Es sollte hier nur der Versuch gemacht werden, im Anschluß an einige Hölderlinstellen, deren Wortlaut zum Hinweis auf Homer auffordert, Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten in den Anschauungen über Götter und Schicksal auf weiter Perspektive zu erhellen; größere Ausführlichkeit würde sofort den Rahmen des Themas überschreiten, da ja Homer die gesamtgriechischen Göttervorstellungen stark beinflußte.

Heldentum und Dichterruhm.

Die Begriffe Held und Heldentum spielen bei Hölderlin eine sehr wichtige Rolle. Die psychologischen Grundlagen sind behandelt 212); ich möchte hier nur nochmals darauf hinweisen, daß homerische Helden wenigstens so wie er sie sah-häufig prototypische Bedeutung für die Gestaltung der Heldenvorstellung bei ihm haben; besonders gilt das von Achilleus 213). Bezeichnend für eine gewisse Verwandtschaft ist ferner, daß die wärmsten Töne da erklingen, wo Männerfreundschaft das befeuernde Element bildet; freilich tritt daneben bei Hölderlin auch die spontane Begeisterung für eine Idee, besonders die des Vaterlandes (so bei Hyperion und Alabanda); damit wird das Heldentum unegoistischer als das des homerischen Helden, dessen Triebfeder neben materiellen Zielen der Ruhm ist 214); zugleich fehlt dem homerischen Helden häufig (nicht immer!) das Berserkerhafte 215), an dem sich Hölderlins germanisches Blut wie an einer Wunschphantasie berauschte.

210) Vgl. W. Michel a. a. O. 40 ff.

211) Schon II 122; dann z. B. IV 151, Brot u. Wein IX.

212) Oben S. 23f.

213) Vgl. auch Pigenot, Hö. Homers Iliade 54; hier auch der Unterschied zwischen dem Heldentum Achills und dem des Herakles, Dionysos, Christus.

214) Finsler, Homer 330 ff.; z. B. H 87 ff.

215) Vgl. Finsler a. a. O. 309.

In hoher Achtung steht bei Homer neben dem Helden der Sänger, der eios doidos, der seine Gabe von der Gottheit hat. Was Phemios von sich sagt (x 347 f.):

αὐτοδίδακτος δ ̓ εἰμί, θεὸς δέ μοι ἐν φρεσὶν οἴμας

παντοίας ἐνέφυσεν,

das könnte auch dem Sängerbewußtsein Hölderlins entstammen; auch er singt, wie Demodokos (und Achill im Zelte) die xλéα ávdov 216); freilich drängt sich hier mehr der Vergleich mit Pindar auf, den er schon 1790 ein,,summum der Dichtkunst" 217) nennt; und je länger je mehr wird ihm erster Sinn seines Daseins, einsam den kommenden Gott zu verkünden.

Mensch und Natur.

Die,,Sonne Homers" ist geflügeltes Wort geworden. Tatsächlich ist die Welt Homers eine Tagwelt; schon die Dolonie empfindet man fast als fremdartig; der ¿§wxɛaviouós der Gespenster, die fast völlige Verweisung alles geisterhaften und abergläubischen Wesens an den Rand der homerischen Welt spricht eine deutliche Sprache 218). Und Licht und Leben liebt der homerische Mensch, ungern verläßt er im Tode das Licht der Sonne 219), verläßt er Mannheit und Jugendkraft 220). Und hell um ihn im Lichte stehn die Dinge, scharf und klar konturiert wie die Säulen des Parthenon unter südlicher Sonne, betastet mit scharfen, schnellen, ungeheuer aufnahmefähigen Augen 221); nicht als ein sehnsüchtig Geliebtes erscheint ihm die Natur, sondern als Betätigungsfeld, als Gegner oder Untergebener 222). So nehmen ihm auch die mythischen Urund Überkräfte, die er empfindet, stark anthropomorphe Formen an.

216) Vgl. W. Michel a. a. O. 39 (Namen, die er besingen wollte) u. V 91. 217) VI 180.

218) Auch hier kann ich mir's nicht versagen, in Dankbarkeit der Homervorlesung Otto Crusius' zu gedenken. 219) Vgl. 488 ff.

220) X363.

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221) Vgl. auch Fr. Schlegel (Minor I 258): Daß die alten Epiker der Hellenen das Wirkliche mit hellen Augen auffäßten, lehren ihre Werke selbst, wo die lebendige Natur so frisch, keck und warm dargestellt ist.." Merck (Schriften u. Briefwechsel, Auswahl v. Wolff, Insel 1909): „,Zum epischen Wesen gehören wackere Sinnen". Finsler Homer 267.

222) Finsler, Homer S. 248 ff. Auch Biese, Entw. des Naturgefühls im Mittelalter u. in der Neuzeit, Leipzig 1888, S. 18. Eine sehr ähnliche Art dieses Naturerlebens, das dem modernen Kulturmenschen selten faßbar wird, bot häufig der Krieg; dieses ,,naive" Erleben wurde (von mir) sogar zeitweilig als eine Art Entfremdung von der Natur empfunden.

Diese Ausführungen hierherzusetzen veranlassen mich drei Gründe.

Erstlich hinterläßt die Lektüre Hölderlinscher Werke zunächst etwa verglichen mit Romantikern, mit denen er gerne zusammengestellt wird, den Eindruck einer starken Vorliebe für Sonne und Helligkeit. Sein Heliosglaube, sein Ätherkult weisen in der gleichen Richtung. Das alles kann veranlassen, hier eine Verwandtschaft mit homerischer Welt zu sehen, zumal beim Menschen und erst recht beim Künstler solche Vorliebe Ausdruck einer psychischen Grundeinstellung zu sein pflegt; das erweitert die Frage: ist sein seelisches Verhältnis zur Natur homerischem Naturgefühl verwandt?

Sicher liebte er Sonne und Licht; Heimaterinnerungen, vielleicht körperliches Bedürfnis, dazu die symbolische Eindruckskraft des Lichtes kommen als Ursachen in Betracht; und tatsächlich mag ihm dies zusammen mit all den geistigen Einflüssen den Weg nach Hellas haben finden helfen. Aber seine Liebe zu Sonne und Licht ist nicht nur naive Freude an dem Element, das die Dinge zeigt und zu Kampf und Arbeit leuchtet, sondern zugleich Glaube, Hoffnung, Sehnsucht, ist oft mehr ein Verlangen als ein Besitzen, ist ein höchst differenziertes, höchst persönliches Empfinden; Stimmung, nicht Augenlust. Eine Tatsache mag den Unterschied verdeutlichen: wenn Homer sicher nicht blind war für die Schönheiten der gododáxτvlos os, so genügt es ihm doch hierfür eine oder einige wenige Formeln gefunden zu haben 223); Hölderlin findet gerade in den Übergangsstimmungen des Morgens und Abends eine unerschöpfliche Quelle dichterischer Formungen 224). Zeigt so Hölderlins Verhältnis zu Sonne und Licht wohl eine Grundverwandtschaft mit Homer, daneben aber beträchtliche psychische Unterschiede, so gilt das gleiche von seinem Verhältnis zur Natur überhaupt. Das Einigende ist seine Naturnähe, die ihn zu einer wirklich hellenischen, wenngleich nicht ganz homerischen Naturmythologie führt 225); aber die Natur ist ihm nicht sowohl Objekt, dessen sinnliche Erscheinung scharf beobachtet, dessen Nutzen oder Schaden abgewogen wird, als Subjekt, an dem er hängt, in das er sich flüchtet.

223) Andere Gründe für diese Wiederholungen gehören nicht hierher. 224) Vgl. L. Böhme, Die Landschaft in d. Werken Hö.s u. Jean Pauls, Diss. Lpz 1908, S. 36. Grolman a. a. O. 29, 30, 55. Beispiele sind unnötig. 225) Vgl. oben S. 29.

Diese wenigen schon nur mit größtem Bedacht geformten Hinweise mögen genügen; das Gesamtproblem führt weit über Homer hinaus.

Der zweite Grund, der mich überhaupt zu diesen Ausführungen veranlaßte, ist der, daß der Versuch, am Schlusse ein synthetisches Bild zu schaffen, solcher Untermalung bedarf; und der dritte Grund gehört bereits ins nächste Kapitel und betrifft die künstlerische Formung.

IV. Formung.

Dies Kapitel soll Beobachtungen zusammenfassen, die Hölderlins Stellung zum homerischen Werk in der Formung seiner dichterischen Welt, in stilistischen, sprachlichen, metrischen Fragen beleuchten. Auch hier kann es sich (ähnlich wie im letzten Teile des vorhergehenden Kapitels) nur um halb aphoristische Anmerkungen und nicht um eine systematische Untersuchung handeln; denn Hölderlin war letzten Endes nicht Epiker, sondern Lyriker, somit seine dichterische Einstellung eine andre als die homerische.

1. Gegenständlichkeit als Stilmerkmal.

Als ein wesentlicher Punkt homerischer Naturanschauung wurde oben 227) die scharfe und genaue Beobachtung der Umwelt, der umgebenden Körperlichkeit betont. Dieses intensive Interesse an den,,Dingen" und in diesem Falle damit zusammenhängend an den äußeren Vorgängen und Handlungen bildet eine unerläßliche Voraussetzung dessen, was wir als epischen Stil zu bezeichnen pflegen; daß wir noch heute dabei bewußt oder unbewußt vielfach aus Homer abstrahieren, zeigt nur, daß jene Gattung nicht gerade die Hauptstärke deutscher, mindestens moderner deutscher Dichtung ist. Die Freude am Gegenständlichen schafft ein gewisses Gleichmaß zwischen inneren und äußeren Vorgängen, beruhigt und schirmt vor der exotaois in Leid und Freude, regt an im trägeren Flusse minder packenden Geschehens, tritt besonders deutlich ans Licht in der vielbesprochenen ,,epischen Breite" der Schilderung - die eben zum Verständnis ähnlicher seelischer Einstellung bedarf 228) und in einzelnen ausgezeichnet anschau22) Hölderlin hat das auch gefühlt, s. oben S. 20.

227) S. 35.

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