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und Schiller hinter sich läßt. Es sei zugestanden, daß ihn beide an Reichthum der Begabung übertreffen, find denn aber ihre Dramen in befferm Sinne auch so bühnengerecht wie die seinen? Haben sie die gleiche Einsicht in das Verhältniß des Tertes zu den Kräften und Leistungen der Schauspieler? Man weiß, wie mißlich es in diesem Punkte 3. B. um Goethes Göz und Faust steht. Die Schillerschen Dramen bieten ebenfalls auch einer möglichst sorgfältigen Darstellung nicht geringe Schwierigkeiten. Wie meisterhaft aber find Lessings drei Hauptwerke in die Scene gesetzt! Was kann ein denkender Schauspieler hier lernen, welche unverwelkliche Lorbeern sich erringen, wenn er wie der geniale Echof dem Dichter in das Meer der menschlichen Gesinnungen und Leidenschaften so tief nachtaucht, bis er ihn trifft! Es hat daher seit dem Erscheinen dieser Stücke weder ein Schauspieler noch eine Schauspielerin vielseitig und mit dauerndem Erfolge geglänzt, ohne daß sie bei ihm in die Schule gegangen wären."

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Gustav Schwab.*)

„Gotthold Ephraim Lessing: Genius deutscher Forschung und Kritik, Waffenschmied der deutschen Sprache; vernichtender Sieger in literarichen Kriegen."

Hillebrand.

„Lessing brach den Stolz der aristokratischen Schulweisheit, löfte den Pedantismus der spießbürgerlichen Bedächtigkeit, beschämte die anmaßliche Zudringlichkeit der gelehrten und orthodoren Sophistik und zeigte das Lächerliche der seichten und breiten Selbstgenügsamkeit, worin die literarische Mittelmäßigkeit sich in Prosa und Versen erging. Es kam fortan darauf an, mit Geist und Bestimmtheit, mit Klarheit und Gründlichkeit,

*) Die deutsche Poesie von Mosheim bis auf unsere Tage Stuttgart. Ver: lag von Sam. Gottl. Linsching. 1843.

**) Die deutsche Nationalliteratur seit dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts, besonders seit Leffing bis auf die Gegenwart von Dr. Joseph Hille brand. Hamburg und Gotha bei Friedrich und Andreas Perthes. 1845.

mit Bildung und Energie zu schreiben. Die Bedeutung des Gedankens sollte sich mit der Präcision der Form verbinden, jene diese tragen und durchdringen. Lessing selbst gab durch seine Darstellungsweise hierfür unsterbliche Muster. Er schrieb nicht ohne Springfedern und Quellen der gründlichsten Gedanken. Das Horazische scribendi recte sapere est et principium et fons erfüllte Niemand so sehr als er. Daher

in seinen Werken überall Leben und Bewegung, frische Kraft ohne Ueppigkeit, Tiefe ohne Verstiegenheit, eindringliche Sprache ohne rhetorischen Schwulst, Klarheit bis auf den Grund und in allen Gliedern des Ganzen.

„Durch alle seine Werke zieht bei noch so großer Schärfe und syllogistischer Folgerichtigkeit, bei aller kritischen und polemischen Entschiedenheit, selbst bei dem Scheine einer gewissen Härte, ein Zug reiner menschlicher Theilnahme,*) welcher Jeden anspricht, der nicht in weichlicher Sentimentalität das Wesen der Gemüthlichkeit findet und selbst gründlich genug denkt und fühlt, um in den Geist und die lebendige Innerlichkeit der Lessingschen Männlichkeit einzugehen. Die germanische Natur dringt in seinem Verkehre wie in seinen Schriften hervor; mit ihr greift er gleich sehr in die Tiefen nnseres deutschen Volkes wie in die der Menschheit. In diesem Grunde wurzelte dann auch seine Liebe für die reine Wahrheit und die Freiheit der Ueberzeugung. Die Idee der Wahrheit, der Wahrheit ihrer selbst wegen, bewegte sein Denken, trieb ihn zu jeglicher Forschung und leitete ihn auf dem Wege zur Wissenschaft."

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Hillebrands Schlußworte über „Lessing und die nationalliterarische Reformation" sind seinem Nathan gewidmet. Er bleibt," sagt der Verfasser, „ein unvergängliches Denkmal, das die deutsche Muse der Idee der Menschheit und der nationalen Gesinnung zugleich gesezt hat." „Und so scheiden wir denn, erbaut und gestärkt, von dem trefflichen Manne, auf den so sehr, wie irgend Einen, die Worte Goethes Anwendung finden dürfen:

Wer in die Zeiten schaut und strebt,

Nur der ist werth, zu sprechen und zu dichten.""

*) Sa critique est un traité sur le coeur humain, autant qu'une poétique litteraire, sagt Frau v. Staël über ihn. De l'Allem.“

Dr. Heinrich Gelzer.*)

„Lessings literarische Größe gründet sich vorzugsweise auf seine kritische Kraft und Virtuosität, wobei wir Kritik in dem umfassendsten und würdigsten Sinne des Worts nehmen: als die überwiegende Macht des zugleich sichtenden und ordnenden Verstandes, als die Genialität der Forschung und folgerechten Verknüpfung. Durch das Vorherrschen dieser Eigenschaften wurde er zu einem Läuterungsfeuer für unsere gesammte Bildung und Literatur.

„Als ästhetischer Reformator hat er sich um seine Nation Verdienste erworben, deren jeder Deutsche mit freudigem Danke für immer eingedenk bleiben sollte.

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Bei der Beschäftigung mit der antiken Welt schwebte ihm die Nothwendigkeit einer Reform nicht nur der classischen Studien, sondern der gesammten Bildung und Erziehung vor; die unentbehrliche Wechselwirkung von Schule und Erfahrung, von Wissenschaft und Leben, von Bildung und That wurde einer der höchsten Gesichtspunkte seines Strebens. Gegen die damalige Buhlerei mit dem Auslande richtete er schneidende Worte, die wie feurige Pfeile jedes Herz treffen mußten.“ Seit Lessings Dramaturgie war das französische Vorurtheil vernichtet; die falsch gezeichnete französische Copie mußte dem griechischen Originale die gebührende Stellung wieder einräumen; das neu geweckte tiefere Verständniß des antiken Drama mußte von nun an dem Ansehen der modernen Nachäffung ein Ende machen. Gleichzeitig wies er den deutschen Sinn noch auf eine andere dichterische Welt hin, die in Shakespeare nur des rechten Verständnisses warte, um ganz anders, als die französischen Vorbilder es vermochten, in die Tiefen aller Poesie einzuweihen.

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Am unleidlichsten war ihm aber der leichtsinnige Mißbrauch, den fich Viele mit dem Worte Christenthum" erlauben; er flammte auf, wenn man ihn frischweg für unchristlich erklärte: Er (Goeze) sagt mir sogar hier und da recht artige Dinge, nur damit es mich nicht allzusehr schmerze, daß er mich aus dem Hause meines Vaters wirft! Genug, daß mein Herz mich nicht verdammt, und ich also mit aller Freudigkeit zu Gott einem jeden intoleranten Heuchler die Larve vom Gesicht reiBen darf.""

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Ueberall führte er die Sache der Unterdrückten gegen den Be

*) Die neuere deutsche National Literatur nach ihren ethischen und religiösen Gesichtspunkten. Leipzig 1847. 2. Auflage.

dränger und vertheidigte z. B. ernst und glänzend die Brüdergemeinde gegen ihre zelotischen Verfolger; er, in dessen Adern kein Tropfen herrnhutischen Bluts floß, er wies auf den hohen Zweck hin, der den Stifter jener Gesellschaft beseelt hatte: die Bewährung des Glaubens im Leben, die Realisirung der Religion als That und Gemeinschaft.

„Schon Lessing selbst verglich seinen literarischen Kampf (mit Goeze) mit einem Sturmwinde, der ja in der Natur unentbehrlich sei, wenn er auch zuweilen einem Schiffe den Untergang bringe. Einen solchen Sturm hat er allerdings in der geistigen Welt mit erregen helfen, aber ohne Stürme giebt es keine Reinigung der Atmosphäre. Es verriethe kurzsichtige Beschränktheit oder ein kleinmüthiges Vertrauen zu der unerschütterlichen Macht der christlichen Wahrheit, wenn man nicht erkennen wollte, daß der von Lessing begonnene und noch fortdauernde geistige Kampf ein zugleich tieferes und freieres Verständniß von Religion und Offenbarung, von Geschichte und Ueberlieferung in ihrem inneren Zusammenhange vorbereitete und daß gerade von diesem fortschreitenden Verständnisse die folgenreichsten Resultate für die wissenschaftliche Schule und die religiöse Gemeinde zu erwarten sind. Die neuere deutsche Theologie und christliche Philosophie stehen und fallen mit der Annahme oder Verwerfung dieser Erkenntniß.

gere Betrachtung des Christenthums

„Lessing hat unter schweren inneren Leiden eine tiefere und geistisuchen heißen und verbreiten helfen. Wie Plato von seinen Schülern Studium der Mathematik, Goethe Kenntniß der Natur forderte, so dürfte jedem Theologen, der an den neuesten religiösen Verhandlungen unserer Zeit lebendigen Antheil nehmen will, eine nähere Bekanntschaft mit Lessing zum Gesetz gemacht werden, um im Angesichte dieses scharfen sichtenden Geistes nochmals den eigenen Standpunkt und Beruf mit offener Stirn zu prüfen und seiner wahren Aufgabe um so klarer bewußt zu werden."

R. E. Pruz.*)

Die französische Regelmäßigkeit war außerordentlich viel gewesen, im Vergleich zu jenen Ungeheuern von Formlosigkeit und Ungeschmack,

*) Vorlesungen über die Geschichte des deutschen Theaters. Berlin. Verlag von Duncker und Humblot 1847.

welche sie verdrängt hatte; sie war nichts und weniger als nichts, im Hinblick auf das, was unsere Dichtung werden sollte. Einer abstracten Formlosigkeit gegenüber war die abstracte Form, als Schule und Bildungsmittel, vollkommen berechtigt gewesen: jezt dagegen, wo Form und Inhalt, Innerlichkeit und Aeußerlichkeit sich aufs Neue durchdringen und versöhnen sollten, brauchten wir andere Führer und andere Muster, als Gottsched und die er gepredigt hatte, die Franzosen.

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Dies waren Lessing, Shakespeare und die Griechen. „Keinem andern unserer deutschen Schriftsteller haben Mit- und Nachwelt so volle, unzerstückelte Kränze des Ruhmes gewunden, feines Andern Verdienste sind von jeher so bereitwillig, so gleichmäßig anerkannt und gepriesen worden."*)

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Es waren keine einzelnen, genialen Blize, welche Lessing in das dämmernde Bewußtsein seiner Zeitgenossen hineinschleuderte: es war

*) Kein Anderer ist aber auch von der Seite seiner Gegner von jeher mehr gehaßt und geschmäht worden. Wir wollen auf unglaubliche Beispiele hierfür, selbst aus der neuesten Zeit, in diesen seiner Ehre gewidmeten Blättern nicht zu rückkommen. „Ein köstliches Denkmal“ jedoch, wie Heinrich Lang es nennt (Religiöse Charaktere. Winterthur 1862. S. 228. Vergl. auch: Danzel. I. S. 109.) möge hier seine Stelle finden, das Urtheil von Lessings Stubenburschen, Johann Friedrich Fischer, des nachmaligen Rectors der Thomasschule in Leipzig, womit der bekannte Schriftsteller und Musikkenner Rochliß bei seinem Abgange von dieser Schule vertraut gemacht wurde. „Ich will nicht fragen," sagte der Rector zu dem abgehenden Schüler,,,ob Er es gethan hat. Hat Er's nicht gethan, (nehmlich nicht aufgehört Deutsch zu schreiben, oder deutsche Verse zu machen,) so thue Er es jezt und laß Er sich retten vom Verderben, denn dahin führt's doch und das dauert mich um so mehr, weil ich bei solchen Vergehungen allemal an ein Erempel denken muß aus meiner Jugend, das mir noch heute durch die Seele geht. Ich will's Ihm erzählen. Wie ich von Coburg hierher auf die Universität kam, da zog ich mit Einem zusammen der schon ein Jahr da war, guter Leute Kind, ein Predigersohn aus der Laufiß. Wir wohnten in der Burgstraße drüben in der alten Baderei. Was hatte Gott dem Menschen für Gaben gegeben! Was konnte der Griechisch und Latein! Wir brauchten den Ernesti, der damals berühmt war, scilicet, den brauchten wir Beide nicht. Zum Vergnügen, fingen wir gleich damit an, den Thucydides zu lesen. Was hätte aus dem werden können! Aber er hatte auch so einen Hang. Er hatte schon vorher viel Deutsch gelesen, und nun ge wöhnte er sich auch, Deutsch zu schreiben, und machte deutsche Verse. Nun ging's immer weiter und war kein Haltens mehr. Er war mein bester Freund, er war mein einziger auf der ganzen Universität, aber ich zog von ihm, ich konnt's nicht mit anseh'n. Er fing sogar an Komödien zu schreiben. Und nun

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nun wurd'

er nach und nach ach! ich mag's nicht sagen. Frag' Er nur die Leute, die's verstehen; der Kerl hieß Lessing."

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