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Werth, in Conflict mit Armuth und mit Verkennung der schlimmsten Art von Seiten seiner Vorgesetzten, kann sich nicht herbeilassen, von der geliebten Frau, je wahrer er liebt, Güter des Glücks und der Ehre lediglich zu empfangen. Aber die ächte, liebende Frau wähnt auch nicht, dem Manne erst verleihen zu können, was er in sich selbst besitzt; lieber will sie von seinem Edelmuth und seiner Armuth ihr gleiches Theil von ihm empfangen, als für seine Wohlthäterin gelten. So entspricht der wahren männlichen Liebe, die lieber Alles daran geben, als etwas zum Nachtheil der Geliebten empfangen will, die ächte des Weibes, die grade im Hinnehmen ihre Ehre sucht. Daß solche Liebe zuletzt siegreich wird über alle Mißverhältnisse, ist doch der eigentliche Grundgedanke.

„Merkwürdig genug hat Leffing das gleiche Problem in sehr ernsthafter Weise in seinem späteren Leben zu lösen gehabt und auf würdigste Weise gelöst. Man muß darauf hinweisen, um es entschieden aussprechen zu dürfen: An wahrer, ernster, keuscher Sittlichkeit, ja an Heroismus der wirklichen selbstverleugnenden Liebe, nicht sinnlicher Leidenschaft, ragt Lessing weit über unsere sämmtlichen großen Dichter und über die meisten großen Männer überhaupt empor. So weit man ohne Glauben an das Christenthum ein Christ in der That sein kann, so weit war es Lessing und er beschämt dadurch die Massen derer, die mit Allem, was christlich an ihnen ist und heißt, doch keine Jünger Christi sind im Geist und in der Wahrheit, sondern meist nur in der Form."

Der Unterschied des religiösen Standpunktes und der religiösen Ueberzeugungen des ungenannten Verfaffers dieser Blätter aus dem rauhen Hause zu dem religiösen Standpunkte und den religiösen Ueberzeugungen Lessings ist in den letzten Worten hinlänglich angedeutet, und in andern Stellen des sehr ausführlichen Auffahes mit bestimmtester Entschiedenheit wiederholt ausgesprochen. Es geschieht dies zuerst in der Beurtheilung von Emilia Galotti, die bei aller entschiedenen sitttlichen Hoheit und wunderbaren dramatischen Kraft doch schon heidnischrömisch angethan ist," und dann in erhöhtem Maße in der Beurtheilung des Leffingfchen Nathan, wie sehr der Verfasser im Uebrigen auch den Worten Wackernagels über dieses Werk*) zustimmt, daß es mit so reichen Fäden wie kein Gedicht sonst in das ganze Getriebe der Zeit und ihrer Literatur verwoben, keines sonst auch in so lebendiger Fortwirkung noch für unsere Zeit bedeutsam "" set. Sein eigenes Urtheil

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*) Protestantische Monatsblätter für innere Zeitgeschichte, herausgegeben von Dr. Heinrich Gelzer. VI. Bd. 232. Gotha 1855.

über Lessings Nathan ist schließlich von dem Verfasser dahin zusammengefaßt, daß er „tief unter dem Niveau des Christenthums Christi und der Apostel, unter der wirklichen Religion Christi steht," weil seine Liebe „tief unter ihrer Liebe steht, vor Allem auch seine Liebe zu Gott und zur göttlichen Wahrheit, um deren Willen allein die Menschen gründlich zu lieben sind.“ „Aber, und das ist freilich ein großes und bedenkliches aber," setzt der Verfasser seiner Verwahrung gegen eine Gleichstellung des Einen und des anderen Christenthums und der Einen und der andern Liebe hinzu, wie tief steht zu allen Zeiten das Christenthum der Kirchen und Confessionen, auch unser heutiges, immerhin geläutertes Christenthum und Kirchenwesen unter dem Niveau der Liebe Christi, von welcher der Apostel sagen durfte: Die Liebe Christi dringet uns."" „Wie tief steht die christliche Religion in diesem Sinne wirklich unter der Religion Chrifti! Wie viel Verachtung fremden Glaubens mischt sich noch heute in das Bekenntniß Christi, wie viel beschränkte Bekehrungssucht in den Glaubenseifer, die dem Andern nicht das Heil, von der Liebe Gottes ihm wie Allen zugedacht und zubereitet, verkündigen, sondern ihm eine bestimmte irdische Form und Fassung dieses Heils aufdrängen möchte oder aufschmeicheln aus eigner Herrschsucht. Wie wenig ist von dem apostolischen: Allen Alles werden"" im Ganzen und Großen zu finden, selbst bei der unleugbar großen Selbstverleugnung in den Missionen. Mie wenig Mühe giebt man sich bei allem Reden von der Liebe sein enges Herz zum Herzen Gottes zu erweitern, wie es in Christo lebt und die Welt umfaßt, wie es die Apostel drängte, eine jede Seele in ihrer Weise zum Vater zu führen, ein jedes Volk in seiner eigenthümlichen Natur ihm unterthan zu machen. Denn in seines Vaters Hause sind viele Wohnungen und er wäre nicht der Weg schlechthin und die Wahrheit und das Leben selber, wenn er nicht jedes Menschenherz in seiner eigensten Freiheit und Eigenthümlichkeit ohne Zwang und Schablone zu ergreifen vermöchte und in sein Bild umzuwandeln, wenn er nicht den letzten Funken des Gott suchenden Geistes auch im völlig verwahrlosten und Gott entfremdeten Menschen als ein Heiligthum liebend achtete und pflegte.

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Nur die Liebe, so voll und wahr wie sie in Christo wohnte, kann auch heute noch die elend zerrissene Welt heilend überwinden und überwindend heilen. Das ist der ewig wahre, der eigentliche Sinn von Leffings Nathan und von seinem ganzen Denken und Dichten, das ist die Religion Christi, die er der christlichen Religion und Kirche mahnend entgegen hält."

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Werner Hahn.*)

Die Hamburgische Dramaturgie ist aus einer Theaterzeitung zu einem classischen Werke geworden, welches die Grundgesetze des Dramas, besonders nach der Poetik des Aristoteles, außerdem nach dem Vorbilde Shakespeares erläutert, ein Werk, mit welchem in der deutschen Literatur die Nachahmung der Franzosen und der Irrthum, daß die französischen Dichter den Charakter des griechischen Dramas begriffen hätten, für alle Zeit überwunden wurde. Goethes vollendete Meisterwerke (Iphigenie, Tasso) sind die Früchte, die nur an diesen Lessingschen Studien reifen konnten."

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Morih Rapp.**)

,Man darf wohl sagen, daß sein Laokoon und seine Dramaturgie den ersten Grund zu einer nationaldeutschen Aesthetik gelegt haben; er war der erste Deutsche, der sich von der Anbeterei des Auslandes befreite und die Kunst aus sich selbst zu begreifen unternahm.“

Aus dem Wagenerschen Staats- und Gesellschafts-Lexikon.***) „Schon auf der Schule zu Meißen hatte der junge Lessing den fernen Kanonendonner der Schlacht von Kesselsdorf vernommen, hatte den Keim zur Bewunderung des großen Feldherrn und Regenten gelegt, den wir später bei dem Jüngling Lessing zu voller Blüthe aufgehen sehen. Leffing wurde der eigentliche Befreier Deutschlands von der Herrschaft des französischen Geschmacks; mit seinen theologischen und archäologischen Streitschriften hebt unsere wissenschaftliche, mit seinen gehaltreichen Arbeiten für die Literatur-Briefe, seinem Laokoon, seiner Dramaturgie, die ihm den Kranz der Unsterblichkeit geflochten hat, hebt unsere ästhetische Kritik an. In seinen drei Musterdramen Minna von Barn

*) Geschichte der poetischen Literatur der Deutschen. Berlin. Verlag von Wilhelm Herz. (Beffersche Buchhandlung.) 1860.

**) Das goldne Alter der deutschen Poeste. Tübingen 1861.

***) Staats- und Gesellschafts-Lexikon, herausgegeben von Hermann Wagener. 53. und 54. Heft. 1861.

helm, Emilia Galotti, Nathan der Weise, hat er den Ton der Kunst herzustellen gewußt, und der deutschen Schaubühne, die durch seine Werke noch geziert ist, neue Wege angewiesen, selbst als muthiger Führer vorangehend und die dramatischen Dichter seiner Zeit weit hinter sich zurücklassend."

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Rudolph Gottschall.*)

Wie Herder ein Mann der Empfindung, die oft in Empfindlichkeit umschlug, so war Lessing ein Mann des Verstandes, und zwar eines so großen, klaren und scharfen Verstandes, daß die deutsche Literatur ihm keinen Nebenbuhler an die Seite stellen kann. — — Lessings Analyse war eine rettende That, und in ihm kam der rechte Mann zur rechten Zeit. Ihm verdankt die deutsche Bühne ihre Wiedergeburt, die deutsche Kritik ein bis jetzt unerreichtes Vorbild, die deutsche Production einen Schatz von goldenen Regeln und einen Compaß, den sie stets nur zu ihrem Schaden unbeachtet läßt. Lessings Kritik war kein Brillantfeuer geistreicher Einfälle, kein Messen nach willkürlichen Maßstäben und von einseitigen Standpunkten aus; fie legte Nichts hinein und schob Nichts unter, sie lebte sich nur in ihren Gegenstand, in das Kunstwerk hinein und suchte es mit innerer Nothwendigkeit kritisch nachzugestalten. Denn er machte zuerst in Theorie und Praxis klar, daß das Dichten nicht blos eine große und schöpferische Phantasie, sondern auch einen großen und schöpferischen Verstand erfordere. Der Verstand sollte nicht blos die Phantasie beaufsichtigen und beschränken; beide sollten organisch mit einander verbunden sein und wie Kopf und Herz im lebendigen Menschen in ungetrennter Thätigkeit wirken. Indem Lessing das Gesetz des Aristoteles durch den Kanon der Natur und der innern Wahrheit belebte und der rhetorischen Verflachung die freie Entfaltung des Charakteristischen gegenüberstellte, ebnete er der deutschen Production die Bahn zu bedeutenden Schöpfungen und machte einen gewaltsamen Bruch mit der Vergangenheit nothwendig. Doch Lessing gab nicht blos das Gesetz; er gab auch das Beispiel. Die Energie seines Verstandes war so groß, daß sie selbst dichterische Schöpfungen hervorbrachte, die sonst nur aus dem freien Triebe genialer

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*) Die deutsche National-Literatur in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts. Zweite vermehrte und verbesserte Ausgabe. Breslau, Verlag von Eduard Trewendt. 1861.

Phantasie entstehen. Nur was die Gegenwart wahrhaft interessirt, wird auch einst die Zukunft intereffiren. Dafür liefert Lessings Minna ein glänzendes Beispiel. Doch auch in formeller Beziehung, durch Wahrheit der Charakteristik, durch glücklichen Ausdruck gesunder Empfindung, durch vorzügliche Handhabung einer eben so klaren wie fräftigen Prosa war sie von unberechenbarem Einflusse auf die Fortbildung des deutschen Dramas. Lessings Nathan der Weise, das große Drama religiöser Toleranz, das in seiner Art in unserer Literatur einzig blieb. Es ist dieses Drama gleichsam Leffings Vermächtniß, welches in der Nation so tiefe Wurzel geschlagen hat, daß alle Verkehrtheit frömmelnder Richtungen es nicht auszurotten im Stande ist. Lessings Polemik gegen die Orthodoxie war nur engern Kreisen zugänglich; in seinem Nathan verpflanzte er den positiven Kern seines Wirkens auf die Bühne, und hier wuchs er zum Baume empor, der seine Segnungen bereits dem dritten und vierten Geschlecht zu Theil werden läßt. Er fand in der Menschen- und Bruderliebe, in der Praris der religiösen Gesinnung den Mittelpunkt aller concentrischen Kreise, welche die einzelnen Religionen beschreiben, wie verschieden auch ihre dogmatischen Nadien sind. Durch seine kritischen Thaten so= wohl, wie durch seine dramatischen Muster wurde Leffing der Vorläufer von Goethe und Schiller, mit denen zusammen er troß der frühern Zeit seines Wirkens, dem neunzehnten Jahrhundert noch so vollständig und wesentlich angehört, wie dem achtzehnten."

Bluntschl i.*)

„Die politische Bedeutung Lessings wird gewöhnlich unterschätzt, weil sie uns nicht in unmittelbarer Erscheinung aus seinen Werfen entgegen tritt. Lessing hat keine einzige Schrift von staatswissenschaftlichem Inhalte oder directer politischer Tendenz herausgegeben, und trotzdem eine tiefer gehende und nachhaltigere politische Wirkung auf die deutsche Nation ausgeübt, als alle deutschen staatswissenschaftlichen und politischen Schriftsteller seines Jahrhunderts; denn vor allen Andern ist Lessing als der geistige Befreier seiner Nation zu ehren.

„Lessing gehört ganz und gar dem modernen Leben an, dem er

*) Deutsches Staats-Wörterbuch. 55. und 56. Heft. Stuttgart und Leipzig.

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