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seine Epoche bei ihm durchlebt; er ist mir an Jahren weniger als an Lebenserfahrungen und Selbstentwicklung so weit voraus, daß wir unterwegs nie mehr zusammenkommen werden; und sein ganzes Wesen ist schon von Anfang an anders angelegt, als das meinige, seine Welt ist nicht die meinige, unsere Vorstellungsarten scheinen wesentlich verschieden. Indessen schließt sich's aus einer solchen Zusammenkunft nicht sicher und gründlich. Die Zeit wird das Weitere lehren."

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Auch nahm Schillers Verstimmung gegen Goethe in der nächsten Zeit nur zu und wuchs bis zu einer in der That grandios zu nennenden Verkennung der gemüthlichen und menschlichen Seite Goethes.

„Am 2. Februar 1789 schrieb er an Körner aus Weimar: „„Def= ters um Goethe zu sein würde mich unglücklich machen; er hat auch ge= gen seine nächsten Freunde kein Moment der Ergießung, er ist an Nichts zu fassen; ich glaube in der That, er ist ein Egoist in ungewöhnlichem Grade. Er besigt das Talent die Menschen zu fesseln, und durch kleine sowohl als große Attentionen sich verbindlich zu machen; aber sich selbst weiß er immer frei zu behalten. Er macht seine Eristenz wohlthätig fund, aber wie ein Gott, ohne sich selbst zu geben. Dies scheint mir eine consequente und planmäßige Handlungsart, die ganz auf den höchsten Genuß der Eigenliebe calculirt ist. Ein solches Wesen sollten die Menschen nicht um sich herum aufkommen lassen. Mir ist er dadurch verhaßt, ob ich gleich seinen Geist von ganzem Herzen liebe und groß von ihm denke. Eine ganz besondere Mischung von Haß und Liebe ist es, die er in mir erweckt hat, eine Empfindung, die derjenigen nicht unähnlich ist, die Brutus und Caffius gegen Caesar gehabt haben müssen; ich könnte seinen Geist umbringen und ihn wieder von Herzen lieben. Die Götter Griechenlands hat er sehr günstig beurtheilt; nur zu lang hat er sie gefunden, worin er auch nicht unrecht haben mag. Sein Kopf ist weit und sein Urtheil über mich eher gegen mich, als für mich partheiisch. Weil mir nun überhaupt nur daran liegt, Wahres von mir zu hören, so ist dies grade der Mensch unter Allen, die ich kenne, der mir diesen Dienst thun kann. Ich will ihn auch mit Lauschern umgeben, denn ich selbst werde ihn nie über mich befragen."" Schillers Eifersucht drückte sich fast noch unverstellter, man möchte sagen roher, in seinem Briefe vom 9. März 1789 aus, wo es heißt: „Dieser Mensch, dieser Goethe, ist mir einmal im Wege, und er erinnert mich so oft, daß das Schicksal mich hart behandelt hat."" Also das Glück, das Goethe voraus hatte, mußte er damit entgelten, daß Schiller, der sich ohnehin von ihm vernachlässigt wähnen mochte, ihn des Egoismus beschuldigte. Die ursprüngliche Ueberlegenheit des Goetheschen Genies über

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das seine dagegen erkannte er in einer seiner Aufrichtigkeit und Selbst= erkenntniß nur Ehre machenden Weise vollkommen an. Schiller schreibt den 25. Februar 1789 an Körner: Mit Goethe messe ich mich nicht, wenn er seine ganze Kraft anwenden will. Er hat weit mehr Genie als ich, eine höhere Sinnlichkeit, und zu allem diesen einen durch Kunstkenntniß aller Art geläuterten und verfeinerten Kunstsinn.""

r „Schon freundlicher lautete im Jahre 1790 Schillers Urtheil über Goethe. Dieser hatte damals auf einer Reise Dresden besucht und acht Tage dort zugebracht. Körner schrieb über ihn an Schiller den 6. Dc= tober: „„Goethe ist acht Tage hier gewesen, und ich habe viel mit ihm gelebt; es gelang mir ihm bald näher zu kommen, und er war mittheilender, als ich erwartet hatte. Wo wir die meisten Berührungspunkte fanden, wirst Du schwerlich errathen. Wo sonst, als in Kant. In der Kritik der teleologischen Urtheilskraft hat er Nahrung für seine Philosophie gefunden. Schiller schreibt nun nach Goethes Rückkehr den 1. November 1790 aus Jena an Körner:

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Goethe war gestern bei Interessant ist's, wie er

uns und das Gespräch kam bald auf Kant. Alles in seine eigne Art und Manier kleidet und überraschend zurückgiebt, was er las; aber ich möchte doch nicht gern über Dinge, die mich sehr nahe interessiren, mit ihm streiten. Es fehlt ihm ganz an der herzlichen Art sich zu etwas zu bekennen. Ihm ist die ganze Philosophie subjectivisch und da hört denn Ueberzeugung und Streit zugleich auf. Seine Philosophie mag ich auch nicht ganz; sie holt zuviel aus der Sinnenwelt, wo ich aus der Seele hole. Ueberhaupt ist seine Vorstellungsart zu finnlich und betastet mir zuviel. ""

Das war Goethe in den Augen und für das Herz Schillers nach zweijähriger persönlicher Bekanntschaft noch am 1. November 1790. Und was war Schiller um dieselbe Zeit und nach eben so langer persönlicher Bekanntschaft in den Augen und für das Herz Goethes ?

zur innigsten Geistesverbrüderung"

Einen ganz ähnlichen Gang von der entschiedensten Antipathie bis fährt Marggraff fort ,,machte auch Goethe in seinem Verhältnisse zu Schiller durch; nur beruhte seine Antipathie auf ganz andern, oder doch nur zum Theil ähnlichen Gründen. Weder was das ursprüngliche Talent, noch was die literarischen Erfolge, noch was Glück und äußere Lebensstellung betrifft, hatte Goethe den jüngern Mann zu beneiden. Seine Abneigung gegen Schiller beruhte einfach auf der principiellen Verschiedenheit ihrer Naturen, und insofern war sie bei Goethe eigentlich noch gründlicher und anscheinend unheilbarer. Schiller trachtete in Goethes Nähe zu kommen und sein

Urtheil über ihn zu erfahren, denn Goethe erschien ihm unter allen Menschen, die er kannte, als der einzige, der ihm den Dienstleisten konnte, Wahres über ihn zu erfahren. Goethe dagegen ging Schiller längere Zeit geflissentlich aus dem Wege. Schillers dramatische Jugendproducte, darunter namentlich die von ihm "fragenhaft"" gescholtenen „„Räuber"" widerten ihn an, weil darin ein kraftvolles aber unreifes Talent grade die ethischen und theatralischen Principien, von denen er sich zu reinigen gestrebt, recht in vollem, hinreißendem Strome über das Vaterland ausgegossen hatte."" Dabei schien ihm Schiller in der Behandlung der Leidenschaften ein sophistisches Talent zu sein, welches die Nation verderbe. Er schreibt ein andermal und zwar von dem contempla= tiven Standpunkte späterer Jahre aus: „„Ich vermied Schillern, der, in Weimar sich aufhaltend, in meiner Nachbarschaft wohnte. Alle An= knüpfungspunkte von Personen, die mir und ihm gleich nahe standen, lehnte ich ab; und so lebten wir eine Zeit lang neben einander fort. An keine Vereinigung war zu denken. Selbst das milde Zureden eines Dalberg, der Schillern nach Würden zu ehren verstand, blieb fruchtlos. Ja meine Gründe, die ich jeder Vereinigung entgegenstellte, waren schwer zu widerlegen, Niemand konnte leugnen, daß zwischen zwei solchen Geistesantipoden mehr als ein Erd-Diameter die Scheidung mache, da sie denn beiderseits als Pole gelten mögen, aber eben deswegen in Eins nicht zusammenfallen können."" Dabei wußte aber Goethe schon damals ‚den redlichen und so seltenen Ernst"" in Allem, was Schiller geschrieben und gethan, sehr wohl zu schäßen, und in Don Carlos erkannte er wenigstens das Streben „„sich zu beschränken und dem Rohen, Ueber= triebenen und Gigantischen zu entsagen.""

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Troß dieser Antipathie handelte Goethe mit gewohnter Loyalität an Schiller; er wirkte mehr für als gegen ihn. Namentlich geschah dies von ihm in der Berufungsangelegenheit Schillers nach Jena. Als diese von Frau von Stein und dem Coadjutor Dalberg angeregt worden, ließ es Goethe nicht an sich fehlen, sie zu fördern und handelte zu diesem Zwecke mit dem Geheimen Rathe von Voigt, seinem getreuen Mitarbeiter"" gemeinsam; sicherlich bedurfte auch Schiller dieser Fürsprache und Unterstützung, da ihm die zur Uebernahme einer Professur erforderliche vorschriftsmäßige Qualification fehlte, weshalb ihn auch einige alte Zöpfe unter den jenaischen Profefforen als einen Eindringling betrachteten und gegen ihn intriguirten. Zugleich suchte Goethe dem angehenden Docenten Muth einzusprechen, indem er ihn auf das docendo discitur verwies. Indessen war Schiller wohl in anderer Absicht nach Weimar gekommen als in der, Professor in Jena zu werden und Ge

schichtsvorträge zu halten. [Er betrachtete seine Anstellung in Jena (im

Jahre 1789) als eine Art Verbannung und fürchtete davon eine Störung für seine poetischen und dramatischen Arbeiten. Schrieb er doch grade um jene Zeit: "Ich muß ganz Künstler sein, oder ich will nicht mehr sein."" Ja er und seine Umgebung gingen sogar soweit, eine Intrigue Goethes dahinter zu vermuthen, und Schillers Schwägerin, Karoline von Wolzogen, schrieb darüber: Schiller war Goethen und seinem Empfinden damals in Weimar unbequem. Auch war Schiller wenig erbaut von der Geschwindigkeit, womit man seine Entfernung von Weimar betrieb. Er fühlte sich übertölpelt, so daß er in dieser Zeit ge= gen Goethe bis zum Haß verstimmt war."" Auch läßt sich denken, daß das Gefühl des Haffes, welches damals Schiller gegen Goethe er= füllte, diesem nicht ganz verborgen blieb, und daß schon deshalb der Verkehr zwischen beiden etwas Gezwungenes hatte. Goethe aber, wenn er auch auf die Beobachtung conventioneller Formen hielt, liebte es nicht, zu heucheln. Man sah sich selten; doch besuchte Goethe wie schon oben erwähnt, Schillern im Jahre 1790, als er ihm Grüße von Körner zu bringen hatte. Dabei traten immer wieder die früheren Differenzen hervor und fanden auch wohl gelegentlich ihren literarischen Ausdruck, z. B. in Schillers Abhandlung über Anmuth und Würde. Inzwischen blieb

von den beiderseitigen Freunden, von der Familie Lengefeld, mit der Goethe ja schon aus früherer Zeit befreundet war, von dem Appellationsrathe Körner, der nun auch Goethes persönlicher Bekannter und Freund geworden, und von dem Verehrer Schillers, dem Coadjutor Dalberg, Nichts unversucht, um eine Aussöhnung zwischen beiden zu bewirken und ficherlich hatten diese fortdauernden Vermittlungsversuche einen größeren Antheil an der endlich stattfindenden Annäherung beider Männer, als man gewöhnlich annimmt."

Das ist das Bild der Zusammengehörigkeit Schillers und Goethes bis zum 1. November 1790, bis Goethe sein 41. Lebensjahr überschritten hatte. Vier Jahre später erst, erst im Jahre 1794, „als Schiller die Herausgabe der Horen vorbereitete", als er an Goethe schrieb, „daß der Beitritt des berühmten Dichters für den glücklichen Erfolg des Unternehmens entscheidend sein werde“, als die Goethesche Antwort an Schiller zurückgelangte: „Ich werde mit Freuden und von ganzem Herzen von der Gesellschaft sein. Was ich an Ungedrucktem Zweckmäßiges besitze, will ich gern mittheilen, und hoffe, daß die Verbindung mit so wackern Männern manches ins Stocken Gerathene wieder in lebhaften Gang bringen werde," erst da war das Verhältniß angeknüpft, aus dem jener

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Briefwechsel hervorging, den Marggraff gewiß mit Recht „den großartigsten literarischen Denkmalen deutscher Nation" zuzählt, dem die Xenien angehören, das in Wilhelm Tell und Wallenstein feine Kraft be wies; jenes Verhältniß, worin sich Schiller nach wildem Sturm zum Dauernden gewöhnen mochte", während Goethe darin für sich „ein unaufhaltsames Fortschreiten philosophischer Ausbildung und ästhetischer Thätigkeit" pries, das durch Liebe und Zutrauen, Bedürfniß und Treue endlich alle seine Hoffnungen übertraf." Wohl mögen während der leider nur zu kurzen Dauer dieses Verhältnisses selten oder nie zwei Menschen in immer wachsender Geistes- und Herzensgemeinschaft für sich glücklicher, und für andere segenbringender gewesen sein, als Schiller und Goethe. Wenn ich ihm," - so lauten fernere Dankesworte Goethes über den geschiedenen Freund „zum Repräsentanten mancher Objecte diente, so hat er mich von der allzustrengen Beobachtung der äußern Dinge und ihrer Verhältnisse auf mich selbst zurückgeführt. Er hat mich die Vielseitigkeit des inneren Menschen mit mehr Billigkeit anzuschauen gelehrt; er hat mir eine zweite Jugend geschafft und mich wieder zum Dichter gemacht, welches zu sein ich so gut als aufgehört hatte.“ Darum fühlte er sich am 9. Mai 1805 „der Hälfte seines Daseins beraubt", darum hatte er an diesem allgemeinen Trauertage das schmerzen volle Vorrecht zu fragen:

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,,Nun weint die Welt, und sollten wir nicht weinen?"

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Aber die Thränen der Welt floffen nicht dem Freunde Goethes, nicht dem Bunde, der nun zwischen dem Vorangegangenen und dem Bleibenden gelöst war. Deutschland hatte seinen edelsten Sohn verloren, ihm allein galt seine Klage. Ihm allein, der Unschätzbarkeit seines Werthes und seiner Verdienste, nicht seiner „Zusammengehörigkeit“ mit Goethe, und noch weniger dem Umstande, daß er und Goethe sich dieser ihrer Zusammengehörigkeit auf das Klarste bewußt gewesen sind", gilt auch der Dank, wenn es jetzt sein Andenken in der Errichtung seines Standbildes hier verherrlichen will. Nicht weil Schiller und Goethe Freunde, sondern weil diese Freunde Schiller und Goethe waren, setzt ihnen unsere Liebe Monumente. So groß und selten die „Erscheinung einer so späten und doch dann so innigen Freundschaft", wie die ihrige war, diejenige Erscheinung, auf die unsre Nation vor Allem stolz zu sein berechtigt ist, ist sie, Gott sei Dank, noch lange nicht. Noch viel stolzer als auf diese Erscheinung wird die Nation hoffentlich auf jene andere Erscheinung sein, daß sie neben einem Schiller und einem Goethe auch noch einen Lessing hat.

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