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Die bewußte Zusammengehörigkeit Schillers und Goethes für den Hauptgrund unseres berechtigten Nationalstolzes erklären, auch wenn es gewiß ist, daß der größte Theil des Ruhms des Einen derselben, diefer Zusammengehörigkeit nicht das Allermindeste zu verdanken hat, und daraus die Folge herleiten, daß ein Standbild Lessings in der Nähe ihrer Standbilder keine Stelle finden dürfe, das führt in der That zu Abgötterei und Ungerechtigkeit. Zu jener, weil es das Höchste in Etwas zu verehren lehrt, was offenbar das Höchste nicht ist, und zu dieser, weil es etwas wirklich sehr Hohes und höchst Verdienstvolles viel zu tief stellt. Alle schuldige Achtung also vor der Zusammengehörigkeit Schillers und Goethes, soweit sie wahr ist, aber auch vor der Zusammengehörigkeit Schillers, Goethes und Lessings, soweit sie ebenfalls wahr ist. Nur nicht länger, wenigstens im Norden Deutschlands, in Preußen und ganz besonders in Berlin nicht länger blos die Eine Zusammengehörigkeit auf Gefahr und Kosten der Andern: suum cuique.

Der Brief des Herrn Jacob Grimm.*)

Kommen wir nun zu dem näheren Inhalte dieses Briefs des Herrn Professors Jacob Grimm an den Präsidenten Simson vom 29. Mai 1861, der jetzigen Beilage No. 1 zu dem Gutachten der Kunstabtheilung des Goethe-Comité vom 14. April 1862. Er enthält das Urtheil eines Mannes, den Goethe den gründlichsten Sprachkenner", ja einen Sprachgewaltigen" genannt hat, in dem die deutsche Wissenschaft seit lange eine ihrer werthesten Zierden, und der deutsche Bürger einen braven und in schwerer Zeit bewährten Mitbürger verehrt. Aber ich hielt und halte das damalige Urtheil dieses Mannes in dieser Sache für unbegründet und die Sache selbst, gegen die es nachträglich in den Kampf geführt worden, ist mir theuer. Deswegen widerspreche ich jetzt Herrn Jacob Grimm, trotzdem daß er nach der Meinung und der Aeußerung der Kunstabtheilung des Goethe- Comité am meisten berufen erscheint, über diese Fragen sein Urtheil zu sprechen," ja trok Lessing selbst, der nach seinen Erfahrungen nur noch glauben wollte, daß „die Gabe sich widersprechen zu lassen, wohl überhaupt eine Gabe sei, die unter den Gelehrten nur die Todten haben." Ich widerspreche ihm, weil ich der Wahrheit und dem Recht, wie ich es hier allein zu erkennen vermag, diesen Widerspruch schuldig zu sein glaube. Wenn ich dabei irre, so muß und wird mir Jacob Grimm verzeihen; und wenn ich nicht irre, wenn ich in dem Streben nach Recht und Wahrheit, sei es mit ihm, oder ohne

*) Beilage IV. in unverkürztem wörtlichem Abdruck.

ihn, oder auch gegen ihn, der Wahrheit und dem Recht selber, nur um den Werth eines Sandkorns nüßlich werde, so kann er sich nur mit mir freuen. Das Gegentheil bei ihm annehmen, wäre nicht mehr seine Verehrung, sondern von seiner Verehrung das Gegentheil; wenigstens bin ich außer Stande, ihm meine aufrichtige und dankbare Verehrung in diesem Falle anders, als ich es thue, bezeugen zu können.

Was der Grimmsche Brief über die künstlerische Seite der Frage enthält, ist bereits bei dem Gutachten der Kunstabtheilung des GoetheComité, das diesem Theile des Briefs seine desfallfigen Argumente gegen die künstlerische Ausführbarkeit der Verbindung des Leffing - Standbilds mit den Standbildern Schillers und Goethes mit entnommen hat, zur Erörterung gekommen. Nur noch diejenigen Säße bleiben zu erörtern, die der wissenschaftlichen Seite der Frage angehören, die sich gegen die literaturgeschichtliche Angemessenheit dieser Verbindung wenden oder deren Unmöglichkeit behaupten. Es sind hauptsächlich diese: „Goethe und Schiller leiten sich nicht aus Lessing her;" „Goethe und Schiller würden uns Lessing nicht ersetzen;" „Lessing würde uns Goethes und Schillers Poesie nicht ahnen lassen." Sobald zu Zweien noch ein Dritter hinzutritt ,kommt es auf die höchste Stelle unter den Dreien an, und diese ist nothwendig die Mitte;" diese gebührt Schiller noch minder", als sie Lessing behaupten kann“. Es wäre absolut unmöglich, es wäre, als sollte Blücher nicht zwischen Vork und Gneisenau stehen, sondern zur Seite geschoben werden und einer der beiden letzten den Mittelpunct bilden."

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Also: das Standbild Lessings darf überhaupt, und also auch vor dem Königlichen Schauspielhause zu Berlin nicht, mit den Standbildern Schillers und Goethes verbunden werden, und es ist gradezu unmöglich, daß bei einer solchen, demnach an und für sich unstatthaften Verbindung das Standbild dessen, der „unter den Dreien der größte Genius“ war, und an dessen „Erhabenheit Lessing und Schiller, so herrlich sie find, nicht von weitem reichen", einem Standbilde des Einen oder des Andern dieser Beiden als einem mittleren Standbilde mit zur Seite trete. Die Incongruenz Lessings und Goethes unter sich, und die daraus hergeleitete Unstatthaftigkeit der Aufstellung ihrer Standbilder als SeitenStandbilder eines mittleren Schiller - Standbilds, ist in dem Briefe Jacob Grimms ausdrücklich nicht ausgesprochen. In der erwähnten Schrift des Herrn Herrmann Grimm wird indeß unmittelbar nach dem in eben dieser Schrift zuerst veröffentlichen Briefe des Herrn Jacob Grimm von einem Aufruf zu Beiträgen für ein Standbild Leffings

gesprochen, das als Pendant zu Goethe" aufgestellt werden sollte. Mit Hinblick hierauf wird sich also die hier zur Discussion stehende Gesammtfrage ihrem materiellen Inhalte nach in die Einzelfragen theilen:

ob Goethe und Schiller sich nicht aus Lessing herleiten?

ob Leffing und Goethe nicht zu einander gehören?

ob Schiller unter den Dreien nicht die Mitte behaupten kann?

Ob Goethe und Schiller sich nicht aus Lessing herleiten?

Goethe hat sein tiefes und lebendiges Dankgefühl für das, was er persönlich von Lessing empfangen und durch ihn gewonnen, sowie überhaupt jein Urtheil über den Einfluß der Lessingschen Wirksamkeit auf die ganze Richtung und den Werth unserer jezigen Bildung, und daß Beides mit Lessing seinen Anfang genommen, in einzelnen Bekenntnissen ausgesprochen, die wenigstens zu einem Theil hier gesammelt find. Sie

lauten:

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Zu seiner Zeit stieg dieses Stück

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Wir

Emilia Galotti wie die Insel Delos aus der Gottsched Gellert Weißeschen u. s. w. Wasserfluth, um eine kreißende Göttin barmherzig aufzunehmen. jungen Leute ermuthigten uns daran und wurden deshalb Leffing viel schuldig."

Minna von Barnhelm ist „ein Werk von vollkommen deutschem National-Gehalt, das vor Allem ehrenvoll zu erwähnen ist. Es ist die erste, aus dem bedeutenden Leben gegriffene Theater - Production, — die deswegen auch eine nie zu berechnende Wirkung that. Diese Produc tion, die den Blick in eine höhere, bedeutende Welt aus der literarischen und bürgerlichen, in welcher sich die Dichtkunst bisher bewegt hatte, glüc lich eröffnete. Die gehässige Spannung, in welcher Preußen und Sachsen sich während dieses Krieges gegen einander befanden, konnte durch die Beendigung desselben nicht aufgehoben werden. Der Sachse fühlte nun erst schmerzlich die Wunde, die ihm der überstolz gewordene Preuße ge: schlagen hatte. Durch den politischen Frieden konnte der Friede zwischen den Gemüthern nicht sogleich hergestellt werden. Dieses aber sollte ge= dachtes Schauspiel im Bilde thun. Die Anmuth und Liebenswürdigkeit der Sächsinnen überwindet den Werth, die Würde, den Starrsinn der Preußen, und sowohl an den Hauptpersonen als den Subalternen wird eine glückliche Vereinigung bizarrer und widerstrebender Elemente kunstgemäß dargestellt." „Lessing hatte in den zwei ersten Acten der Minna ein unerreichbares Muster aufgestellt, wie ein Drama zu erponiren sei, und es war mir nichts angenehmer, als in seinen Geist und seine Absichten einzudringen."

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Nathan der Weise: Sie können denken," sagte Goethe noch später zu Eckermann, wie das Stück auf uns junge Leute wirkte, als es in jener dunkeln Zeit hervortrat.

Es war wirklich ein glänzendes Meteor. Es machte uns aufmerksam, daß noch etwas Höheres existire, als wovon die damalige schwache literarische Epoche einen Begriff hatte. Die beiden ersten Acte sind wirklich ein Meisterstück der Erposition, wovon man viel lernte und noch immer lernen kann.“ „Möge doch die bekannte Erzählung glücklich dargestellt das deutsche Publicum auf ewige Zeiten erinnern, daß es nicht nur berufen, um zu schauen, sondern auch um zu hören und zu vernehmen. Möge zugleich das darin ausgesprochene göttliche Duldungs- und Schonungs-Gefühl der Nation heilig und werth bleiben. Wir aber können in dramatischer Hinsicht sagen, daß wir unserm Theater Glück wünschen, wenn ein solches Stück darauf bleiben und öfters wiederholt werden kann."

Wiederholen wir noch die Worte des höchsten Dankes und der reinsten Freude Goethes über Leffings Laokoon, und über den Lessingschen Aufsatz: „Wie die Alten den Tod gebildet". nullique ea tristis imago.

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„Daher war uns jener Lichtstrahl höchst willkommen, den der vortrefflichste Denker aus düstern Wolken auf uns herableitete. Man muß Jüngling sein, um sich zu vergegenwärtigen, welche Wirkung Leffings Laokoon auf uns ausübte, indem dieses Werk uns aus der Region eines kümmerlichen Anschauens in die freien Gefilde des Gedankens hinriß. Das so lange mißverstandene ut pictura poesis war auf einmal beseitigt, der Unterschied der bildenden und Redekünste war klar. Wie vor einem Blitz erleuchteten sich uns alle Folgen dieses herrlichen Gedankens, alle bisherige anleitende und urtheilende Kritik ward wie ein abgetragener Rock weggeworfen.

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Am meisten entzückte uns die Schönheit jenes Gedankens, daß die Alten den Tod als den Bruder des Schlafs anerkannt. — Hier konnten wir nun erst den Triumph des Schönen höchlich feiern, und das Häßliche jeder Art, da es doch einmal aus der Welt nicht zu vertreiben ist, im Reiche der Kunst nur in den niedrigen Kreis der Lächerlichen verweisen. Die Herrlichkeit solcher Haupt- und Grundbegriffe erscheint nur dem Gemüth, auf welches sie ihre unendliche Wirksamkeit ausüben, erscheint nur der Zeit, in welcher sie ersehnt, im rechten Augenblick hervortreten. Da beschäftigen sich die, welchen mit solcher Nahrung gedient ist, liebevoll ganze Epochen ihres Lebens damit, und erfreuen sich eines überschwänglichen Wachsthums, indessen es nicht an Menschen fehlt, die

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